Martin Spieß

Kulturwissenschaftler des Rausches

Eine Hommage an Hunter S. Thompson


Nullum magnum ingenium sine mixtura dementiae fuit.
(Kein großer Geist ist ohne eine Beimischung von Wahnsinn.)
– Seneca

Im Sommer vergangenen Jahres erschien im Eichborn Verlag ein kleiner Band von Ingo Niermann und Adriano Sack unter dem Titel „Die seltsame Welt der Drogen und ihrer Nutzer“. Darin finden sich Anekdoten, Tabellen, Statistiken und lexikonartige Kurztexte, die alle erdenklichen Fragen über Drogen behandeln. Das Buch will in seiner unstrukturierten Form selbst Droge und Trip in einem sein, ist dabei aber zu bemüht originell, als dass es wirklich interessant werden könnte. Bezeichnenderweise wird einer der größten Autoren des Drogenrauschs nicht oder lediglich im Zusammenhang mit der Terry Gilliam-Verfilmung seines Romans „Fear and Loathing in Las Vegas“ genannt: Hunter S. Thompson.

The footballsaison is over

Letztes Jahr, am 18. Juli, wäre er 70 Jahre alt geworden. Er aber, der Begründer des Gonzo Journalism, hatte andere Pläne. In seiner letzten Notiz aus dem Februar 2005 schrieb er unter der Überschrift „The football season is over“:

No More Games. No More Bombs. No More Walking. No More Fun. No More Swimming. 67. That is 17 years past 50. 17 more than I needed or wanted. Boring. I am always bitchy. No Fun -- for anybody. 67. You are getting Greedy. Act your old age. Relax -- This won't hurt.

Er war verbraucht, hatte seinem Körper fünfzig Jahre lang durch Alkohol- und Drogeneskapaden zuviel abverlangt. Thompson wollte sich nicht beim Verfall zusehen, wollte nicht so kraftlos sein, dass er nicht mehr alleine vom Klo aufstehen konnte. Er hatte sein ganzes Leben lang – ohne ernsthafte Kollisionen – auf der Überholspur gelebt. Mit dem „großen roten Hai“, seinem Cadillac Cabrio, einer geladenen 45er und einem Cocktail aus Alkohol und allen möglichen Drogen, war er allen immer ein paar Meilen voraus gewesen. Jetzt schließlich wollte er genauso frei und freiwillig, wie er gelebt und gearbeitet hatte, abtreten. Er telefonierte noch einmal mit seiner Frau Anita, die gerade im Fitnessstudio war. Alles in Ordnung, sagte Thompson noch, dann hörte sie ein Klicken in der Leitung und dachte, Hunter hätte aufgelegt. Aber das Klicken gehörte zu seiner 45er, deren Hahn er gerade gespannt hatte.

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Copyright © Martin Spieß – Apr 15, 2008