Alison Louise Kennedy: Das blaue Buch (Roman) |
A. L. Kennedy: Das blaue Buch |
Inhaltsangabe:Elizabeth Caroline Barber steht mit einem Mann namens Derek am Pier in Southampton in der Warteschlange der Passagiere, die dabei sind, an Bord eines Ozeandampfers nach New York zu gehen. Ein Mann in einem zwar schlecht gepflegten aber offenbar maßgeschneiderten Anzug spricht sie an, bittet sie, Zahlen zu wählen: "Machen Sie mir die Freude. Denken Sie wirklich an eine Zahl zwischen eins und zehn. Sie können nichts falsch machen. Sagen Sie mir einfach nur eine Zahl." Er spielt mit Zahlen, plappert unaufhörlich und wendet sich an Derek:
"Sind Sie ihr Ehemann? Freund? Geht mich nichts an – aber eine reizende Idee, zusammen eine Kreuzfahrt zu machen. Gibt nichts Besseres, würde ich sagen."
Für Derek sieht es so aus, als würde es sich um eine Zufallsbegegnung mit einem ebenso kontaktfreudigen wie redseligen Amateurzauberer handeln. Er ahnt nicht, dass Elizabeth und Arthur Peter Lockwood sich kennen. Er glaubt, Beths Schulfreundin Margery, eine reiche Witwe, habe sie zu der Reise nach New York eingeladen und die teuren Kabinen bezahlt, dann aber selbst aus gesundheitlichen Gründen nicht mitkommen können. Tatsächlich sind die Schiffskarten von Arthur, der selbst eine Suite mit Butler gebucht hat. Sieben Tage werden sie alle drei auf dem Schiff verbringen.
"Ich reise sehr viel mit dem Schiff – Frachtschiffe, Linienschiffe – ich hasse Fliegen – spät entwickelte Phobie." Während Derek in der Toilette ist, fragt Arthur:
"Wirst du, Elizabeth … Elizabeth, wirst du ihn heute Nacht ficken. Wirst du ihn ficken und ja sagen – wird er deine Stimme ja sagen hören – wird er in dir sein, wenn er deine Stimme ja sagen hören [...]?
Beth erzählt Arthur, dass sie und Derek seit über einem Jahr zusammen sind und er beim Geschlechtsverkehr wie ein Kind ist. Sie erwartet, dass er vorhat, ihr während der Reise einen Heiratsantrag zu machen. Ich kann die Scheißheilige Scheißschrift zitieren wie eine Scheißnonne, wenn ich muss. Arthurs Einfühlungsvermögen war die Voraussetzung für die erfolgreiche Täuschung der Menschen. Aber die Manipulation anderer wurde ihm so zur Gewohnheit, dass er seine Gabe auch benutzte, wenn er nicht auf der Bühne stand. Arthur hat in seinem ganzen Leben nichts Wahres getan. Arthur denkt:
Aber ich habe es nicht erfunden. Ich bin auch nicht annähernd der Schlimmste.
Beth ertrug diese Verlogenheit schließlich nicht länger und verließ Arthur. Der Illusionist zog sich dann von der Bühne zurück und verlegte sich auf die lukrative Tröstung reicher, trauernder Witwen. Er steht ihnen bei, nutzt aber auch ihre Lage aus. Inzwischen hat er es zu viel Geld gebracht. Er wohnt in London, verbringt aber viel Zeit in Hotels. Seine Bettwäsche bringt er mit, denn er mag kein Standardweiß, bevorzugt stattdessen dunkle Farben wie lila und blau. Bin froh, dass es dir besser geht. [...] Sehr froh, mein Lieber. Beth macht Derek mit einem älteren Ehepaar aus Dorset bekannt – Francis und Bunny –, das sich in der Zwischenzeit ihrer angenommen hatte. "Das ist Bunny." Beth führt Derek fast am Zügel vor. "Und das ist mein … das ist Derek." Während Beth mit Francis allein am Buffet ist, erklärt sie ihm: Derek – er ist nicht mein irgendwas. Er war es, aber er ist es nicht mehr, und ich habe noch nicht geschafft, es ihm zu sagen. [...] Es gibt einen anderen … es gibt einen Mann, und das ist nicht Derek." Der väterliche Freund erwidert: "Da bin ich aber verdammt froh, meine Liebe – denn der ist ein Vollidiot. Tut mir leid, aber ehrlich – was für ein beschissenes Arschloch." Zurück am Tisch, sorgt Francis dafür, dass Derek mit Beth eine Theateraufführung besucht. Sobald sie allein sind, beschimpft Derek seine Begleiterin als "beschissene Fotze" und unterstellt ihr, ihn mit Francis zu betrügen.
"Dieser alte Sack – der hat dich ständig befummelt. Ist es der? Warst du bei ihm?" Beth hält den Vorwurf für absurd, aber Derek lässt sich nicht beruhigen: "Fick dich, Beth. Fick dich." Beth geht erneut zu Arthur in die Suite und teilt ihm mit, dass sie Derek verlassen habe. Arthur, der befürchtet, dass sie das auch wieder mit ihm machen könnte, bittet sie, aufrichtig mit ihm zu sein: "Wenn du das hier nicht mehr willst – wenn ich nicht mehr gebraucht werde – wenn du gehen musst, dann sag es bitte, und geh dann. Schleich dich nicht wieder weg und schau, wer als nächstes kommt, und tu nicht so, als wärst du noch mit mir zusammen. [...] lass mich bitte nicht glauben, wir seien noch zusammen, wenn wir es nicht mehr sind." Er gesteht ihr seinerseits, dass er zu einer Witwe namens Peri Arpagian in New York müsse, die das Vermögen ihres Ehemanns Mel geerbt hat. "Da ist eine Dame namens Peri – noch ein paar andere, aber vor allem habe ich Peri, und die kann ich nicht einfach hängenlassen, und ich kann ihr auch nicht sagen, was ich bin, dass ich all die Jahre gelogen habe. [...] Ich muss sie weiter besuchen. Sie würde es nicht verstehen, wenn ich einfach wegginge. Es würde eine Weile dauern, das zu Ende zu bringen." Nachdem Beth auf Arthurs Fingern zum Orgasmus gekommen ist, bittet sie ihn, mit Stewards zu ihrer und Dereks Kabine zu gehen und ihre Sachen zu holen. Schließlich nennt sie ihm elf Wörter – HAND KIND BLAU SÜSS BUCH FALL BRAND FUND SPRICH RECHT BLUT – und fordert ihn auf, eine Zahl zwischen eins und zehn zu wählen. Gleich, ob er sieben oder sechs sagt, lautet das von Beth vorbestimmte Ergebnis BUCH. Sie zieht ein blaues Buch heraus, gibt es ihm und rät ihm, das Ende zuerst zu lesen. "Dies ist für dich, dein blaues Buch." Das Buch habe sie für ihn gemacht, sagt sie.
"Und, Arthur, dies ist kein Buch. Dies bin ich und dies bist du und du solltest ihn sehen. Sobald die Dinge sich beruhigt hatten und er sich selbst vertraute, hättest du bei ihm sein und ihn kennenlernen können. Beth endet mit den Worten: "Und wenn ich auf festem Grund und bei dir wäre, würde ich dir meine Hand geben, wenn du wolltest."
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht, Aus dem blauen Buch – dem Buch, das wir gerade lesen – erfährt Arthur, dass Beth am 14. Juni 1995 – also einige Monate nachdem sie ihn verlassen hatte – einen Sohn gebar: Peter Arthur Barber. Das bei Beths Eltern aufgewachsene Kind ertrank, als der Großvater annahm, dass Beth auf ihren Sohn aufpassen würde, diese jedoch mit ihrer Mutter in der Küche plauderte und nicht bemerkte, wie der Junge im Planschbecken im Garten ertrank. Und diese ganze Sache hat meinen Vater umgebracht, hat meine Mutter ohne sie beide hinterlassen, und wie sollte ich dir das erzählen, ohne dir auch wehzutun. |
Buchbesprechung:Was Alison Louise Kennedy in "Das blaue Buch" erzählt, sieht auf den ersten Blick wie eine simple Dreiecksgeschichte aus. Da scheint auch nicht viel zu passieren. Aber das täuscht. Und das Besondere an dem tragikomischen Roman ist ohnehin nicht der Plot, sondern die kunstvolle Komposition mit einem Buch im Buch, die man als Leser erst nach und nach durchschaut. A. L. Kennedy schreibt in der dritten Person, flicht jedoch in die Erzählung immer wieder Rückblenden und kursiv gedruckte innere Monologe der beiden Hauptfiguren Beth und Arthur ein. Innen- und Außenperspektiven wechseln sich ab. Irritierend sind zunächst die Passagen in der zweiten Person Singular. Wer spricht da, und an wen ist das "Du" adressiert?
Dein Buch – jetzt fängt es an, es ist berührt und aufgeschlagen. [...] Und du bist ein Leser – eindeutig – hier bist du und liest ein Buch. Erst ganz am Ende wird klar, wer da zu wem spricht, und wer der Junge ist, den die Autorin gleich zu Beginn vorstellt.
Und an dieser Stelle muss es [das Buch] dir den Jungen vorstellen.
Ich habe "Das blaue Buch" elektronisch gelesen. Vielleicht ist mir deshalb an der Paginierung nichts aufgefallen. Aber in Rezensionen lese ich, dass A. L. Kennedy in "Das blaue Buch" auch mit "falschen" Seitenangaben spielt. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014
Alison Louise Kennedy: Also bin ich froh |