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Unter Schneemenschen

Ein Statement von Uve Schmidt

Natürlich redeten alle vom Wetter in Berlin, als RTL  (am 31.01.d.J.) eine Großreportage ausstrahlte (Hauptstadt im Winterchaos),  doch da der Sendung wochenlang diesbezügliche Berichte vorausgegangen waren, schenkte ich mir die Zusammenfassung, hoffend, dass sie nicht ausgerechnet jenem Problem gewidmet wäre, welches wir in solchen Wirren thematisiert wissen wollen: Die Volkssolidarität in den dem Wetter geschuldeten Katastrophenfällen, eine naturgegebene Gelegenheit, den unpolitischen Gemeinsinn unserer bevölkerungsreicheren Kommunen als praktische Bewährungsprobe herauszufordern. Als ich ein kleiner Junge war, waren noch alle Winter weiß, und so erinnere ich sowohl das Rodelvergnügen auf den ehemaligen Wallanlagen meiner Vaterstadt, als auch die Mühen und Leiden meiner älteren Angehörigen, mit den weißen Wintern zurechtzukommen. Knaben unter 10 Jahren wurden für schwere und riskante Arbeiten nicht eingesetzt; uns oblag der tägliche Ofendienst, wobei wir u.a. zuständig waren für das Ansammeln der Asche als verfügbareres Streugut und selbstverständlich waren wir heimliche Holzdiebe und Kohlenklaus. Wann immer die Verkehrslage kritisch wurde, waren die Hausgemeinschaften aufgerufen, außer den Bürgersteigen auch die Straßen von Eis und Schnee zu befreien, wovon man sich loskaufen konnte, doch nicht sich drücken durfte, und sobald aus der Sowjetischen Besatzungszone eine vollreglementierte DDR geworden war, lauerten die Einsatzstäbe der sozialistischen Massenorganisationen „heißen Herzens“ auf Unwetter und Temperaturstürze mit bedrohlichen Auswirkungen für die Volkswirtschaft: Dann folgten die Tage, Nächte und Wochen „der Bewährung im heroischen Ringen um die Planerfüllung und unser aller glückliche Zukunft“. In der Tat hatte die DDR in Fällen höherer Gewalt weit größere Schwierigkeiten bei der Behebung der Schäden (z.B. durch anhaltende arktische Frostperioden), als betroffne Gemeinden und Gebiete im Westen Deutschlands, denn es fehlte vor allem an effizienter und ausreichender Technik, ein Ergebnis der fortdauernden Reparationsleistungen an die UdSSR sowie des Primates der Exportpolitik. Wer aber konnte hier & heute unser Streusalz bevorzugt beanspruchen? Die Polen als Kompensation für Frau Steinbach?? Liechtenstein, die Schweiz oder Israel??? Wie lange noch brauchen die GRÜNEN für ein umweltverträgliches Rutschgefahrenabwehrmittel?! In den deutschen Großstädten fragt man sich freilich auch, weshalb die stetig wachsende Verfügungsmasse schwervermittelbarer Arbeitsloser und geborener Sozialhilfeempfänger in den warmen Betten bleibt, während sich die Frühaufsteher draußen die Knochen brechen; welche der beiden Bevölkerungsgruppen bei Glatteis  welchen Versicherungsschutz genießt, wäre die zu stellende salomonische Zielfrage. Will der Sozialstaat weiterhin die faulen Glieder stärken oder über senile Sollbruchstellen die Hospitalbewegung fördern? Dass es für Wowereit sehr teuer werden könnte, falls eine New Yorker Klatschkolumnistin (87) sich das mürbe Steißbein bräche wegen einiger Schneesternchen, will ich nicht beschreien…

Gewiss: Wann immer in Deutschland (und anderswo) die Natur beim Armdrücken mit der Zivilisation zu obsiegen droht, machen sich die nationalen Streitkräfte stark. Als 1978/79 Rügen vom Eis eingeschlossen wurde und meterhohe Schneewehen die Insel zudeckten, vermochte nur das Eingreifen der NVA (insbesondere der Einsatz ihrer Hubschrauber) Schlimmeres zu verhüten. Weiter westlich machte sich die Bundeswehr verdient beim Großeinsatz gegen die Hamburger Sturmflut 1962, später in den alten und neuen Ländern bei der Hochwasserbekämpfung. Da wir trotz diverser Verpflichtungen kaum Truppen in größerer Zahl auswärts stehen und fallen haben, können wir dem Ende der diesjährigen Eiszeit und den alljährlichen Überschwemmungen gelassen entgegensehen; der Auftrag unseres Militärs ist es allerdings nicht, uns vor Unwettern zu schützen oder der Straßenreinigung auszuhelfen. Im Gegensatz zu Afrika, Griechenland und Zypern haben wir zwar keine bewaffneten Hirten, aber jede Menge Freiwillige Feuerwehren, motorisierte Samariter zu Lande, zu Wasser und zur Luft sowie Technische Hilfswerke aller Art mit gemeinnützigem Status; theoretisch kann uns zwar jedes Unheil ereilen, doch der Ernstfall im Weltuntergangsformat kann uns schwerlich niederwerfen. Ist es also nur der Alarmismus der Medien oder administratives Kompetenzgerangel, liegt es an unzuverlässigen Wettervorhersagen oder an der Unvernunft, sich auf Wettervorhersagen zu verlassen, oder sind die Witterungsverhältnisse mittlerweile ein derart beherrschendes nationales Tratschthema, dass ich es BILD zutraue, mittels mafioser Moskowiter zumindest die Niederschlagsmengen zu manipulieren? Offenbar ist, dass niemand sich vor witterungsbedingten Unbilden fürchten müsste, wenn es nicht gerade in Berlin schneite, regnete, stürmte oder die Sonne schiene, was die Einwohner bekanntlich zu den irrwitzigsten Exaltationen treibt, Ausnahmezustände, in denen angeblich die Currywurst creiert wurde und die Weiße mit rotem Schuss sowie die Toleranzquote abzufackelnder Nobelkarossen im Parkverbotsbereich gewisser Ghettos, Fremdenverkehrsmagneten, denen man nach einer Schamfrist orjinelle Gedenkmale setzen wird. Wo der Schnee bis über das Erdgeschoss hinauf lag, dürfte schon bald markiert werden, und wenn die erste Wildschweinrotte  an der Kreuzberger Tafel eintrudelt, wird auch der Yeti gesehen werden…

Apropos Schneemenschen: Unsere Straße (60433 Ffm), eine relativ kurze und schmale Sackgasse, war in diesem Winter die am besten begehbare „Gass“ im Kiez, weil die meisten Häuser von ihren Besitzern bewohnt werden und für die übrigen Immobilien hauptberufliche Hausmeister tätig sind. Während die Hausmeister die längeren Straßenabschnitte zu betreuen haben, taten sich die emsigen Eigentümer besonders hervor in der Winterschlacht, im eindeutigen Wettbewerb um die Gunst der Gattinnen hinter den Gardinen. Und natürlich auch, um mich zu beeindrucken, da ich als einziger im Dreh russische Pelzmützen trage (Spitzbiber, Karakul), während sie zumeist barhäuptig im Schneetreiben schaufeln, hacken und streuen, gleichsam die Asche der Lagerkrematorien ins kollektive Gedächtnis rufend, denn wer in Sibirien starb, konnte wegen des Permafrostes nicht vergraben werden. Ich denke, dass die alten Deutschen (d.h. Schneeschieber über 70) eine genetische Disposition haben, welche bereits vor Tannenberg und Stalingrad sich eher an Sankt Petersburg orientierte, denn an Paris und Florenz (sofern man nicht Kunstmaler oder Konfektionär war) und damit auf den Spuren deutscher  Kaufherren und Kolonisten, fürstlicher Gesandter deutscher Länder & Ländchen oder wissenschaftlicher und/oder strategischer Beauftragter des Zaren, ergo Erforscher, Entdecker und Eroberer. Wärmere Länder waren was für die Weiber; wer sich für den Osten erwärmte, konnotierte nicht China und Japan, den Schamanismus und Buddha, sondern Wodka und Machorka, Kascha und Mascha, Banja und Balalaika, indes die Leserinnen französischer Novellen und Romane um die deutschblütigen Romanows trauerten und den Donkosaken lauschten, welche selbst zur Sommerszeit mit Lammfellmützen auftraten. Und nirgendwo außerhalb Großrusslands ist die Sonnenblume beliebter als in Deutschland.

Kampf gegen den Schnee
heißt nicht, ihn zurückjagen bis ans Eismeer, sondern Kraft schöpfen aus dem Widerstand gegen die Rachsucht der Natur und angesichts der versagenden Technologien deren Vereinfachung und Entbehrbarkeit anzustreben. „Von Russland lernen, heißt siegen lernen!“ ist keine schlechte Parole für kommende Katastrophenwinter, sofern man sein Heil nicht im Fusel zu finden hofft und sich erinnern mag, wie die rechtgläubigen Russen einst die Tataren vertrieben: Mit Hilfe deutscher Bergbauexperten, welche das uneinnehmbare Khanat Kasan unterminierten. Heil Kreuzberg! Ski Heil!
 

Abendlanddämmerung
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