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Thomas Glavinic: Der Kameramörder.

Roman.
Berlin: Volk & Welt, 2001.
156 S., geb.; öS 234.-.
ISBN 3-353-01191-9.

Link zur Leseprobe

Als Leser ist man während der Lektüre des Romans "Der Kameramörder" ständig ein Zerrissener. Einerseits ist die Geschichte so spannend, daß man unbedingt mit großer Gier den Plot aufsaugen muß wie ein verspätetes Herbstinsekt, und andererseits wird einem mit jeder Seite klar, daß man sich in seiner Neugierde unmoralisch verhält.
Thomas Glavinic führt mit seinem Roman nichts anderes vor, als daß der Leser jederzeit in eine seichte mediale Pfütze stürzen kann.

Während eines Osterwochenendes wird ein Teil der Steiermark zur Kernzone einer medialen Großorgie. Ein offensichtlich perverser Kameramann hat zwei Kinder gezwungen, von einem Baum zu springen und sich vor der Kamera umzubringen. Allmählich dringt diese Nachricht aus dem Dickicht der Steiermark in die ganze Welt.

Der Ich-Erzähler ist mit ein paar Freunden auf Oster-Weekend und muß feststellen, daß die Tat unmittelbar in seiner Nähe geschehen ist. Noch schlimmer, der perverse Kameramann kommt immer näher an den Ich-Erzähler heran.

Die Geschichte wird quasi mit Innen- und Außenspiegel gleichzeitig erzählt. Während der Ich-Erzäher von der Betroffenheit berichtet, die diese ungeheuere Tat realiter auslöst, schielt er mit einem Auge immer auf die Darstellung der Tat durch die Medien. Der angeordnete Selbstmord der beiden Kinder wird nämlich im Fernsehen gezeigt, mit Spendenkonto, Hotline für den psychiatrischen Dienst und zynischen Untertiteln, wonach es kein Reality-TV sei sondern Wirklichkeit. Wenn einmal die Kronenzeitung für den nächsten Tag einen 16-seitigen Bericht ankündigt, dann ist das Ungeheure wirklich ungeheuerlich.

Ein perfekter Psycho-Krimi ist der Roman an jenen Stellen, wo der Kameramann seine Opfer quält und zum Selbstmord zwingt. Die Qualen eines Zöglings Törless kommen einem in den Sinn, gleichzeitig ist man verblüfft über die logische Abfolge der Quälereien. Der Jargon läßt nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig, wenn vom Bauch-Aufschneiden und Ausbrennen mit scharfen Ameisen die Rede ist, oder wenn die Eltern ins Spiel gebracht werden, die sicherlich tapfere Kinder und keine Feiglinge am Video sehen wollen.

Im von den Medien perfekt aufgekochten Mörderjagd-Klima kann es schon vorkommen, daß Unschuldige knapp an der Lynchung vorbeischremmen, daß ganze Berufsgruppen fern-verurteilt werden und daß schließlich alles zu Waffen greift, was welche tragen kann.

Der Schluß ist keine Erlösung, denn der Ich-Erzähler entpuppt sich als Kameramörder, der Leser hat mehr oder weniger mit den Augen des Ungeheuers die Untaten gesehen und miterlebt.

Thomas Glavinics Roman ist pervers-gut. Spannend, entlarvend, aufklärend und kritisch. Als Leser würde man am liebsten eine Hotline anrufen, um sich für diese Lektüre zu entschuldigen. Lektüre als Läuterung am eigenen Leib!

Helmuth Schönauer
12. März 2001

 

 

 

 

 

 

 

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