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Gerda E Grossmann: Donauweibchen.

Tübingen: Konkursbuchverlag Claudia Gehrke, 1998.
157 S., brosch.; öS 183.-.
ISBN 3-88769-111-3.

Link zur Leseprobe

Gerda Edelweiss Grossmann hat vor drei Jahren ihre erste Einzelpublikation veröffentlicht. Im bibliophil gestalteten Erzählband "Erinnerungshunde", der im Zusammenhang mit einem Aufenthalts- und Arbeitsstipendium der Stuttgarter "Akademie Solitude" erschienen ist, schildert die Autorin Josef Winklersche Szenarien, manchmal ins Urban-Dekadente transformiert, in drastischer Sprache, mit harten Schnitten. Kombiniert werden die Prosatexte in diesem Band mit Objektphotos aus der Rauminstallation "Die Lederhosen der Anna Freud", was einen Geschmack davon gibt, wie interdisziplinär ausgerichtet die Arbeit der Filmemacherin Grossmann ist, was zum anderen aber auch ihren eigenwilligen Umgang mit Tradition und (Kultur-)Geschichte veranschaulicht.

Seit "Erinnerungshunde" hat Grossmann zwei Filmdrehbücher verfaßt und immer wieder Texte in Anthologien wie dem jährlich erscheinenden "Heimlichen Auge" des Konkursbuch Verlages publiziert. Dort ist nun ihr zweiter Prosaband "Donauweibchen" erschienen. Der Titel, der sich auf eine österreichische Sage bezieht, spielt auch selbstironisch an auf die Herkunft der Autorin, die, obwohl Linzerin, kaum präsent ist im österreichischen Literaturbetrieb, auch - zumindest bis jetzt - nicht in der österreichischen Literaturkritik.

Schon in ihren (Dokumentar-)Filmen haben es Grossmann immer wieder eigenwillige Frauenfiguren angetan: "Who I am. Who am I" handelt von der surrealistischen Malerin und Literatin Leonora Carrington, "Die fahrenden Jahre" erzählt die Geschichte der österreichischen Autorin Elisabeth Freundlich nach deren gleichnamigen Memoiren. So verwundert es nicht, wenn die acht neuen Prosatexte als Schilderungen von "Heldentaten weiblicher Freibeuter" beworben werden.

In Grossmanns Texten finden die "Heldentaten" auf unkonventionelle, teils extreme, teils sehr subtile Weise statt. Die Vielschichtigkeit wird unterstützt durch sprachlichen Reichtum. Innerer Monolog und (nicht durch Anführungszeichen gekennzeichnete) direkte Rede, personales wie auktoriales Erzählen, Perspektiven- und Tempuswechsel, Songtexte und Traumsequenzen verschränken sich in Grossmanns Prosa ineinander und halten die Spannung im Prozeß des Lesens aufrecht. Sogar die Ausstattung des Bandes trägt der Vielfalt Rechnung: es findet von jeweils einem Text zum anderen auch optisch - durch gemusterte Trennblätter - "Tapetenwechsel" statt.

Ein besonderes Beispiel für pointiertes Erzählen ist der erste Text des Bandes. Eine namenlos bleibende Dissertantin rettet einem alten Mann im Großstadtverkehr das Leben - woraufhin ihr dieser das ihre nimmt, indem er es einnimmt, es sich aneignet, die junge Frau mehr und mehr in Besitz nimmt, obwohl es nach ihrer einen gemeinsamen Nacht zu keiner weiteren Begegnung mehr kommt. Ein Jahr des Wartens, der phantastisch inszenierten und doch nie stattfindenden Treffen verstreicht, bis die Frau erfährt, daß ihr phantomartiger Geliebter verstorben ist und sie als sein "Lebenselixier" den Tod des zum Zeitpunkt ihrer Begegnung schon unheilbar kranken Mannes hatte hinauszögern sollen und können. Die "Schwäbische Loreley" im zweiten Text spielt nicht, ohne es zu wissen, sondern sehr bewußt eine gegenteilige Rolle: sie verlängert das Leben ihres männlichen Widerparts, eines unsympathischen Vorgesetzten, nicht, sondern setzt es stilvoll aufs Spiel.

"Alle glückliche Familie" ist ein besonders stimmungsvoller und stimmiger Text. In einer engen Beziehung, deren mädchenhafte Emphase und Enthusiasmus im Erzählton überzeugend getroffen sind, kriselt es, als Natascha über die Sommerferien ihre beste Freundin vergessen zu haben scheint und bei Schulbeginn nicht mehr auftaucht. Erst über das Tagebuch der scheinbar abtrünnigen Natascha erfährt Sylvie von den Umständen, die ihre Entfernung als notwendig erscheinen lassen müssen. Die junge Natascha hat den brutalen "Liebhaber" ihres Vaters getötet. Auch der folgende Text "Hirschensprung" kreist um zwei Freundinnen. Die beiden Frauen begeben sich scheinbar in wildromantisches Landleben, tatsächlich jedoch in düstere Gebiete von Gewalt und Psychoterror.

Die Titelerzählung "Donauweibchen" greift den Stoff einer traditionellen volkstümlichen Sage auf; "Schwarzer Flieder" hingegen schildert einen Ausflug in unbekanntes Terrain: "Was wird jetzt werden, nachdem die Grenze offen ist ..."
(S. 118). Diese ganz konkret auf das Drüben jenseits des ehemaligen "Eisernen Vorhangs" bezogene Frage kann im übertragenen Sinn als Schlüsselsatz für beinahe alle Situationen gelten, denen Grossmanns Frauengestalten ausgesetzt sind oder sich aussetzen. Auch die Erzählerin des nächsten Textes, die nach der Matura Glaziologin werden möchte, begibt sich mit ihren Phantasien auf glattes Eis.

Gewagt ist der letzte Text, in dem die Icherzählerin im Rahmen einer Reise nach Moskau sich dort auf eine ältere, faszinierende Frau, "die Piratin", einläßt und mit ihr einen genußvollen Nachmittag erlebt - gegen Abend wird ihr klar, daß es sich bei der neuen Bekanntschaft, der geheimnisvollen Fremden, um eine ehemalige Geliebte ihrer Mutter handelt. Die im Grunde recht unrealistische Anhäufung bizarrer Zusammentreffen und Brüche diverser Tabus stört keineswegs; bemerkenswert ist die starke, authentische und direkte Sprache, die Grossmann für die körperliche Liebe zwischen Frauen findet, im speziellen der nichts beschönigende und umso zärtlichere Ton, der dem nicht mehr jungen Körper und seiner Lust gilt.

Im Motiv der heftigen Leidenschaft zwischen Menschen unterschiedlicher Generationen und Kulturkreise schließt sich der Kreis zur ersten Geschichte. "Abel Schulkowski aus Haifa", der alte Mann "in traditioneller jüdischer Kleidung"
(S. 7), und "die Piratin" repräsentieren gerade durch ihr Alter, gerade durch ihre Fremdheit, über alle Sprachbarrieren, Konventionen und Verhaltensregeln hinweg die Anarchie des Eros. Ähnlich wie die ebenfalls vom Filmischen her schreibende Marguerite Duras findet Gerda E Grossmann eine Sprache des Begehrens, die sich nicht gängiger Sprachmuster bedient - und: die keine gängigen Phantasien bedient.

Petra Nachbaur
13. Mai 1998

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