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Elfriede Hammerl : Müde bin ich Känguru.

Nachrichten aus dem Krisengebiet Patchwork-Familie.
Wien: Deuticke Verlag, 2006.
253 Seiten, geb., Eur 20,50.
ISBN 3-552-06017-0.

Link zur Leseprobe

Eltern haben es nicht immer ganz leicht mit Teenagern. Und das basiert durchaus auf Gegenseitigkeit. Vor allem dann, wenn die Familienverhältnisse ... nun, gelinde gesagt: etwas komplizierter sind. Wenn der Haushalt nicht aus Mutter, Vater und Kindern besteht, sondern statt dessen Stiefväter, Stiefmütter, Halbgeschwister und Stiefgeschwister durch die dann meist viel zu wenigen und viel zu kleinen Zimmer geistern. Und wenn man dann auch noch sparen muss, dann fragt sich immer als erstes: woran und an wem? Teenager haben ein untrügliches Gespür für Ungerechtigkeiten, nicht nur, aber vor allem dann, wenn sie sie selber betreffen. Und nicht selten haben sie ganz recht mit ihrer vagen Ahnung. Denn wer sich am Ende durchsetzt, sind in der Regel doch wieder die Erwachsenen.

Elfriede Hammerl erzählt in "Müde bin ich Känguru. Nachrichten aus dem Krisengebiet Patchwork-Familie" aus der Sicht eines Mädchens im angeblich schwierigen Alter. Schwierig ist aber vor allem ihre Lebenssituation. Die Eltern sind geschieden, die Mutter kümmert sich wenig, erscheint dafür aber hin und wieder auf dem Titelblatt eines Reich-und-Schön-Magazins. Als Adabei. Ihre Tochter Teresa hingegen lebt mit ihrem Vater Hannes und seiner zweiten Frau Betty als älteste von fünf Kindern in einem etwas beengten Haushalt und fühlt sich durchgefüttert und geduldet. Und mindestens dreimal täglich ungerecht behandelt. Wahrscheinlich zu Recht. Schließlich ist sie das Kuckucksei in Bettys Nest. Alle anderen Kinder sind ihre eigenen, wenn auch die älteste Tochter nicht von Hannes stammt, sondern ebenfalls aus erster Ehe. Aber Hannes sieht das nicht so eng. Ganz im Gegensatz zu Betty, findet Teresa.

Elfriede Hammerl schildert nun eine Reihe kleinerer und größerer Alltagszerwürfnisse, eingebildeter und wirklicher Ungerechtigkeiten und anderer nicht immer schöner Begebenheiten aus dem Patchwork-Umfeld mit zwar akademischem aber doch eher kleinbürgerlichem Einkommen. Und Stiefkind Teresa entwickelt einen Röntgenblick für Beziehungen, Machtverhältnisse und Schwächen und durchschaut jede mehr oder weniger gelungene Schauspielerei oder Heuchelei.
Sie seziert das Familiengeflecht, durchschaut die Verhältnisse der einzelnen Familienmitglieder untereinander und zu den diversen Großeltern, Freunden und Ex-Ehepartnern, spürt jede Unehrlichkeit darin auf und kredenzt sie gnadenlos auf dem Präsentierteller.
Ansonsten ist sie ein pflegeleichtes Kind, was sie ihren Eltern eigentlich gar nicht vergönnt. Sie ist allen Widrigkeiten zum Trotz gut in der Schule, integriert in die Klassengemeinschaft und kerngesund. Ganz im Gegensatz zu ihrer Stiefschwester Caroline, dem Pummelchen, der es eigentlich besser gehen müsste, weil alle doch wesentlich netter zu ihr sind, und mehr Geschenke kriegt sie auch. Das nützt aber nichts, sie entledigt sich ihres Babyspecks bis zur Magersucht und Bulimie und erreicht damit, dass ihr Vater, der sich kürzlich vor den Alimenten drücken wollte, sogar sie selbst wieder wahrnimmt, nicht nur die Abbuchungen vom Konto, und tatsächlich seine Tochter im Krankenhaus besucht.
Denn die Erwachsenen finden ja immerhin, es sei so schön, Kinder zu haben. Nur an die Kinder denken sie dabei nicht immer.
Und so manches Kind ist ja auch ganz schön undankbar.

"Müde bin ich Känguru" ist sicherlich Elfriede Hammerls bisher ernstestes Buch. Auch wenn das keineswegs bedeutet, dass es den gewohnten Humor vermissen ließe. Nur ist das aus Teresas Sicht oft eher eine Art Galgenhumor. Sie nimmt auf die Schaufel, was sie ohnehin nicht ändern kann. Aber sie lästert immerhin cool darüber.
Hammerl beweist wieder einmal Einfühlungsvermögen und Blick für das Wesentliche. Scharfsinnig und scharfzüngig zeichnet sie ein geglücktes Porträt einer missglückten Familienplanung, die wahrscheinlich nicht einmal sonderlich überzeichnet ist.
Und sie leiht einer Jugendlichen ihre Stimme, die den Erwachsenen vorwirft, dass sie beim Kinderkriegen oft nur an sich selber denken.

Hammerl erzählt dabei nicht aus der Ich-Perspektive, sie geht viel zurückhaltender vor und belässt die Hauptperspektive in der dritten Person. Sprachlich ist ihr das Kunststück gelungen, ironischen Gymnasialslang durchklingen zu lassen, obwohl Hammerl gar nicht weit von ihrer gewohnten Ausdrucksweise abweicht. Nur sind die Sätze ein wenig elliptischer (manchmal klingen sie allerdings ein bisschen nach Wolf Haas), das Vokabular ein wenig flapsiger. Und es liest sich gut. Kritisch-satirisch und unterhaltsam und traurig zugleich.

 

Sabine Dengscherz
1. März 2006

Originalbeitrag

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