logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   

Dezember
Mo Di Mi Do Fr Sa So
48 26 27 28 29 30 01 02
49 03 04 05 06 07 08 09
50 10 11 12 13 14 15 16
51 17 18 19 20 21 22 23
52 24 25 26 27 28 29 30
1 31 01 02 03 04 05 06

FÖRDERGEBER

  BMUKK

  Wien Kultur

JAHRESSPONSOR

  paperblanks
kopfgrafik mitte

Christoph Ransmayr: Geständnisse eines Touristen.

Ein Verhör.
Frankfurt am Main: S. Fischer, 2004.
137 S.; geb.; Eur[A] 12,-.
ISBN 3-10-062927-2.

Link zur Leseprobe

Der Untertitel ist irreführend. Wer verhört wen? Wer erzählt? In dem als fiktives Interview angelegten Text gibt Ransmayr die Stichwörter vor, um die sein monologisches Frage- und Antwortspiel kreist. In einem jovialen Plauderton, der sich nie ins Banale versteigt, greift er jene Themen auf, die in ungezählten Interviews erörtert worden sind. Er berichtet, wie es sich für den arrivierten Dichter geziemt, von der Mühsal und den Sternstunden seines Handwerks. Dabei kommen die bekannten Reflexionen über Ruhm und Vergänglichkeit, das Verhältnis zwischen Literatur und Wirklichkeit und die Hassliebe, die den Schriftsteller mit seinen Kritikern verbindet, nicht zu kurz.

Solche Werkstattgespräche bieten vor allem Kollegen und Fachleuten Erhellendes. Wer nicht gewillt ist, mit dem Schriftsteller über das Wunder der Dichtkunst nachzusinnen, der mag sich an den Exkursen in die bunte Bilderwelt des Globetrotters und Halbnomaden gütlich tun. Denn Ransmayr ist weit gereist und süchtig nach Eindrücken und Geschichten. Vielleicht ist es gerade diese Neugier, die ihn mit seinem Freund Reinhold Messner verbindet und ihn anspornt, auf seinen Touren die Horizontale mit der Vertikalen zu vertauschen, gleichsam um an den entlegensten Plätzen der Erde einen forschenden Blick auf die conditio humana zu werfen.

Ransmayrs existenzielle Maxime lautet konsequenterweise "Auf und davon" und verweist auf die enge Beziehung zwischen Reisen und Schreiben, zwischen Gehen und Denken. Insofern lesen sich die "Geständnisse eines Touristen" auch als ein Plädoyer für die Fußwanderung als die dem Menschen gemäße Form der Fortbewegung.

Er halte sich für keinen Abenteurer. Nur wer ein langweiliges Leben führe, suche den Nervenkitzel, sagt Ransmayr, sagt Messner, möchte man hinzufügen. Aber wozu Spurensuche betreiben? Dies sei das Geschäft der "Heimwerker und Hausdurchsucher", wie der Österreicher die Literaturwissenschaftler und allzu Neugierigen bezeichnet.

Es werde daher auch keinen Nachlass geben, behauptet er. Ebenso wenig sei er bereit, mit Kommentaren zu seinem Werk aufzuwarten. Doch da nimmt er sich schon zurück und gibt überraschend Auskunft über seine Romane. "Morbus Kitahara" spiegelt jenseits des abgezirkelten narrativen Raums auch Ransmayrs Vergangenheit wider. In seinen Texten kehrt er zurück an den Ort seiner Herkunft und blickt hinter die Fassaden der Seifenopernlandschaft des Salzkammerguts, das eingekeilt zwischen Tourismuskitsch und Landschaftszerstörung den Schlaf der Gerechten schläft.

Mit dem Idyll will sich der in Irland lebende Schriftsteller allerdings nicht abfinden. Die düstere Aura, die man seinen Romanen gern unterstellt, wurzelt gewiss auch in der nationalsozialistischen Geschichte einer Heimat, die längst abgedankt hat, weil der Begriff brüchig geworden ist.

Ransmayrs großartiger Monolog nimmt Abstand. Er lässt sich nicht beirren vom grellen Tagesgeschehen und verweist es ins Abseits der Flüchtigkeit. Gerade weil er die Perspektive des Außenstehenden einnimmt und den großen Luxus des Alleinseins für sich beansprucht, gelingt ihm der ebenso seltene wie wohltuende Gestus der Demut: "Die menschliche Existenz ist offensichtlich nicht die einzige und größte Aufgabe des Universums. "

Wer in geologischen oder astronomischen Zeitaltern rechnet, wird zwangsläufig an jenen Punkt gelangen, wo die Welt wieder ohne den Menschen existieren wird. Wahrscheinlich ist diese Einsicht nicht dazu angetan, unsere Unruhe zu besänftigen, "aber die Frage ist doch", wie Ransmayr ausführt, "ob man sich betäuben, trösten, besänftigen will - oder etwas erfahren von der Welt."

Darum geht es ihm in seiner Literatur und in diesen autobiografischen Bekenntnissen, wo der Dichter und der Mensch zusammenfinden, um das Rauschen im Kopf zu übertönen, das Ransmayr nicht los lässt.

Die "Geständnisse eines Touristen" stellen ein Nebenprodukt seiner literarischen Arbeit dar und bleiben freilich im Schatten seiner Romane. Aber wenn Ransmayr die Stimme erhebt, lohnt es sich allemal, ihr zu lauschen. Das gilt besonders für diese Prosa.

Walter Wagner
17. Oktober 2004

Originalbeitrag

 

Suche in den Webseiten  
Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
SLAM B

Fr, 11.01.2013, 20.00 Uhr Poetry Slam Über 160 SlammerInnen – im Alter zwischen 14 und 77 Jahren...


Ausstellung
Herbert J. Wimmer ROTOPOST ROTOSPOT

LICHT & LITERATUR AUFNAHMEN 16.01.2013-21.03.2013


Tipps
flugschrift

Ein Zeitschriftenprojekt des Autors Dieter Sperl in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus Wien und...


Der Erich Fried Preis 2012 ging an Nico Bleutge

Der deutsche Dichter Nico Bleutge erhielt am 25. November den mit 15.000 Euro dotierten Erich...