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Christian Baier: Romantiker.

Wien: edition splitter, 2006.
108 S.; brosch.; Eur 22,-.
ISBN 3-901190-99-6.

Link zur Leseprobe

"Und diese Wunde schließt sich nimmer in diesem Leben."

Die Begegnung zweier Namenloser beim Beobachten von Sterbenden ist nicht nur der inszenierte Beginn des Romans des Wiener Schriftstellers und Musiktheaterdramaturgen Christian Baier, es ist die prägende Szene für ein Sich Annähern und Einander Fremd werden, für Misstrauen und Sehnsucht, die dieses "Stück" prägen.

"Einfach so" beginnt ER, dessen Perspektive weitgehend überwiegt, mit IHR ein Gespräch hinter dem Schutz einer Glaswand. Aus der trennenden Wand wird jedoch zunehmend die Verbindung zwischen der Welt der Lebenden und dem Reich der Toten. SIE, zunächst nur Objekt und durch seine Wahrnehmung gefiltert, beginnt mit ihm zu spielen und stellt jene Spielregeln auf, die sie selbst nach Belieben außer Kraft setzt. Und er lässt sich darauf ein. Aus der zufälligen Begegnung und der anschließenden missglückten Nacht entwickelt sich ein Katz-und-Maus-Spiel, vor dem beide Angst haben, das sie aber bis zu Ende spielen. Sie versuchen sich an ihre Gefühle heranzutasten, wollen vertrauen und lauern einander doch auf, wollen Liebende sein, ein Paar, das ein Wochenende miteinander verbringt, gemeinsam ins Kino geht, auf den Flohmarkt und verletzen einander, wie sie selbst verletzt worden sind.

Sie zwingt ihm Vertrauen auf, das er als Tabletten Abhängiger nicht leben kann. Sie zwingt ihm ihr Leben auf, kleidet ihn in ihr eigenes Trauma. Er provoziert Emotion bei seinem Gegenüber, lange genug, um seine verstorbene Anna, ihr Tod der Auslöser für seine Haltlosigkeit, wieder in sein Gedächtnis und in sein Leben zurück zu rufen. Beide definieren sich durch den erlittenen Schmerz, transformieren diesen Schmerz und ihre Opferrolle in Gewalt, Unterwerfung und den Wunsch nach Vergeltung. Immer deutlicher treten die Toten aus der Vergangenheit in die Gegenwart und vollenden dadurch das "romantische" Wochenende, das von beiden als kitschiges, geklontes Gefühl erlebt wird.

Baier inszeniert in diesem "Roman" eine dramatische Szene, die vom Dialog zwischen Mann und Frau getragen wird. Die Beschränkung auf SEINE Perspektive lässt nur eine eingeschränkte Deutung des Geschehens zu, schafft aber auch Spannung. Eine Spannung, die von den zu Beginn exponierten Motiven, die im Laufe der Geschichte wieder aufgenommen, variiert und integriert werden, nachgezeichnet wird. Er erzählt ihr von einem Theaterstück, an dem er gerade schreibt, kann ihr aber nicht sagen, worüber die Protagonisten des Stückes sprechen. Sprachlos wie jene ist die Beziehung zwischen den beiden. Sie reden miteinander, wissen aber nicht, worüber. Sie gibt ihm Zeichen, legt ihm Spuren, die er nicht deuten kann. Je mehr er versteht, desto mehr kann sie ihn in ihre Welt ziehen. Gleichgültigkeit ist sein Schutz, diese Gleichgültigkeit abzulegen, wie er seine Kleidung ablegt, liefert ihn aus. In diesem Spannungsfeld bewegen sich nicht nur Figuren, sondern auch Schauplätze und Sprache. Enge Räume, bedrückende Atmosphäre im Krankenhaus, in ihrer Wohnung, im Kino, wechseln mit offenen Plätzen, Markt, Straße ab. Stilbrüche, fremd wirkende Germanizismen wie "abgeblieben" oder "Tüte" erscheinen jedoch eher als Unachtsamkeit und weniger als bewusst gesetzte Kontrapunkte in dem sprachlich sehr sorgfältig gearbeiteten Text. Als Zeichen fortschreitender Destruktion müsste diesen Brüchen mehr Gewicht zukommen.

Der Autor spielt in diesem Text mit verschiedenen Referenzebenen, die zusammen mehr vom Geschehen verbergen als sie erhellen. Der oder die im Titel angesprochene(n) Romantiker entpuppen sich als weitgehend "unromantisch", das romantische Wochenende als Kitsch. Der angesprochene Referenztext von Edgar Allen Poe mag als Zeichen, das auf ein drohendes Ende verweist, seine Funktion nicht ganz erfüllen, ebenso wenig wie die Altenberg'schen Leerstellen. Der Blick, das Zusehen beim Sterben, beim Entzug, beim Urinieren, bedeutet Macht, Überlegenheit, bringt Genugtuung, Befriedigung. Kleine Gesten und Beobachtungen deuten an, wenn er ihr die Zigarette anbietet und immer wieder zurückzieht, ihr damit deutlicht macht, dass er ihre Strategie verstanden und übernommen hat. Aber anstatt dies für sich zu nutzen, will er ihr helfen, sich von ihrer fixen Idee zu befreien und wird zum Opfer. Am Ende steht, was den Roman, den Dialog geprägt hat: Schweigen.

 

Eva Maria Stöckler
15. Jänner 2007

Originalbeitrag

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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