• Medienkunst erledigt? Antwort#6

    Um es gleich am Anfang zu sagen: die Vorstellung, dass sich das mit der Medienkunst erledigt haben soll, finde ich absurd. Kunst soll und muss die Freiheit haben, sich mit Themen beschaeftigen zu koennen, wie es ihr richtig erscheint. Sie kann sich mit der Liebe, der Landschaft am Niederrhein, sweat shops in New York oder der Schlaflosigkeit von Louise Bourgeois beschaeftigen. Warum dann nicht auch mit so einem wichtigen Faktor in der globalen Gesellschaft wie den neuen Medien? Dass der Medienkunst die Themen ausgehen wuerden, kann man nun wirklich nicht behaupten: Wikis, Blogs, Google Earth, Second Life, Killerspiele sind nur einige der Felder, die nach kuenstlerischer Intervention und Bearbeitung verlangen.

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    Bild: Norbert Bayer

    Dass Missfallen, das die letzte Transmediale offenbar bei vielen ihrer Besucher ausgeloest hat, zeigt allerdings, dass die diversen Festivals fuer Medienkunst ihrer Aufgabe nicht gerecht werden. Ich glaube sogar, dass diese Festivals Teil der Misere sind. Meine – zugegebenermassen polemische – Forderung lautet daher: Schafft die Medienkunst-Festivals ab! Wenn man in die fruehen Kataloge der Ars Electronica sieht, wird man feststellen, dass zu den Teilnehmern bekannte Kuenstler und Komponisten wie Nam June Paik, Otto Piene, Wendy Carlos, Rhys Chatham, Christina Kubisch oder Charlotte Moorman gehoerten. Heute finden sich dort Namen, die zwar in der Medienkunstszene, die diese Festivals mit hervorgebracht haben, bekannt sind. Aber es sagt etwas ueber die Festivals, dass die Kuenstler, die bei dort gezeigt werden, so gut wie nie den Sprung in dem normalen Kunstbetrieb schaffen.

    Dass hat nicht zuletzt mit diesem Betrieb selbst zu tun, der 1. natuerlich nicht das Mass aller Dinge ist und der 2. technischer und Medienkunst stets mit grossem Misstrauen begegnet ist. Aber es liegt auch daran, dass die Festivals und die diversen anderen Medienkunstinstitution ein Biotop geschaffen haben, in dem man sich praechtig und ohne stoerenden Kontakt mit dem Rest der Welt mit sich selbst beschaeftigen kann. Die Funktion, Medienkunst einem breiteren Publikum und der Kunstwelt zu konfrontieren, haben diese Festivals in der Regel nicht erfuellt.

    Ich verstehe, dass Medienkunst aus technischen und logistischen Gruenden besondere Anforderungen an ihre Praesentation stellen, die normale Museen und Ausstellungen oft nicht aufzubringen koennen, und dass derartige Veranstaltungen daher notwendig sein koennen. Es ist aber auch festzustellen, dass die Medienkunst nach mehr als zwei Jahrzehnten Sonderzuwendungen in Form von Festivals, Labs, Akademien etc isolierter als vorher da steht und dass es den Festivals in den letzten Jahren nicht gelungen ist, diskursbildend zu funktionieren oder den Diskurs der Medienkunst und -theorie in eine breitere Oeffentlichkeit zu uebertragen. (Es ist im uebrigen auch signifikant, dass die Festivals die Netzkunst, die wohl nicht nur ich fuer die wichtigste und anschlussfaehigste Bewegung innerhalb der Medienkunst der letzten Jahre gehalten habe, erst ignoriert und dann mit Trostpreisen abgespeist haben und sich statt dessen bis heute an den ewigen interaktiven Installationen erbaut.)

    Natuerlich geht es mir nicht wirklich darum, die Festivals (und die ganzen anderen vergnueglichen Institutionen zur Pflege der Medienkunst, fuer welche die Festivals hier stellvertretend die Pruegel abbekommen) abzuschaffen. Aber sie muessen es hinkriegen, aus der bequemen Isolation und der Betriebsblindheit des Medienkunsteinerleis herauskommen. Ich weiss, dass viele der LeiterInnen dieser Institutionen genau das versuchen. Aber wer die Programme der einschlaegigen Festivals der letzten Jahre studiert, stoesst dort auf eine Fantasie- und Perspektivlosigkeit, die schon etwas traurig ist. Dabei sind die Rahmenbedingungen von Medienkunstfestivals eigentlich sehr locker und verlangen geradezu danach, sie zu einen froehlichen Tohuwabohu umzufunktionieren – statt sich dort Jahr fuer Jahr zaeh am Status Quo abzuarbeiten.

    Es spricht zum Beispiel fuer sich, dass in den letzten Jahren niemand David Byrne zu einem der einschlaegigen Festivals eingeladen hat. Der ehemalige Saenger der Talking Heads hat vor drei Jahren Kunst mit Powerpoint produziert, die der Software Art dieser Zeit im Geiste (wenn auch nicht in ihrer Form) sehr aehnlich war. Eine Begegnung zwischen jemandem wie ihm und den Software- und Game Art-Frickler haette sicher interessant sein koennen und haette mal eine Person in so ein Festival einbezogen, die vielleicht auch jenseits der Medienkunstszene noch ein paar Menschen kennen. So lange die Festivals solche offensichtlichen Geistesverwandte nicht zur Kenntnis nehmen, weil sie nicht aus dem eigenen Mikrokosmos stammen, so lange wird auch die Medienkunst weiter in ihrem Paralleluniversum vor sich hin wursteln.

  • McDeutsch in Amsterdam

    Zwischen nationalem Kulturbesitz und internationalem Gemeingut: Welche Rolle spielt die deutsche Sprache fuer die Identitaetsbildung in der Globalisierung? Vor diese Frage stellte die Berliner Gazette letztes Jahr rund 50 Kulturschaffende aus dem In- und Ausland im Rahmen des durch die Kulturstiftung des Bundes gefoerderten Dialogprojekts McDeutsch . weiterlesen »

  • Fan-Fiction: Literatur im Netz wird von allen gemacht – auch von TV-Serienjunkies

    Fast alles, was TV-Serien angeht, spielt sich heutzutage im Netz ab. Hier gibt es die neusten Episoden zum Runterladen, heisse Debatten auf den Message Boards und so weiter. Im Forum meiner aktuellen Lieblingsserie House, M.D. bin ich neulich noch auf etwas Neues gestossen: die literarischen Erguesse anderer Fans. Die so genannte Fan-Fiction, bei Wikipedia bereits als eigenstaendige Literaturgattung aufgefuehrt, ist fuer mich eine vollkommen neue Welt. weiterlesen »

  • Zeit für eine Welt

    Ich bewohne einen Alptraum, ein kleines Zimmer, in das nur ein Bett passt, und selbst das Bett hat noch eine Zementplatte ueber dem Fussende, um dem Raum eine Art Schweizer- Taschenmesser-Multifunktion zu geben. Die Menschen, die auch in diesem Haus leben, sind unglueckliche Neuankoemmlinge, die um jeden Preis versuchen, sich in die Dynamik Mexico Citys einzufinden… aber eher noch diejenigen, die sich dagegen wehren, von ihr ausgespuckt worden zu sein. Wir klammern uns alle irgendwie verzweifelt fest. weiterlesen »

  • Abendessen mit Skype

    Endlose Casting-Shows in den letzten Tagen hier in Neukoelln. Auf der Suche nach einem neuen Mitbewohner, vorzugsweise Mann. Sind nicht anspruchsvoll. Sollte nur moeglichst ruhig sein, Nichtraucher, unattraktiv. Das uebliche halt. Wollen ja nur Frieden, wenn um uns herum schon der Ausnahmezustand herrscht: Leichen verbrannt, Maenner im Park mit Messern attackiert werden und so weiter. Abenteuerlustige Bewerber hatten wir bislang nicht, so zumindest das Zwischenfazit nach gesehenen vier, gefuehlten neun Besuchern.

    Lehnt alle Typen ab, die etwas von Skype erzaehlen, meinte M. Die musste es wissen. Seit der Freund aus dem Nachbarland eingezogen ist, gibt es bei ihr nur noch Abendessen mit Skype. Du machst keine Vorstellungen, sagte sie mit einem Anflug von Bitterkeit in der Stimme. Warne daraufhin die Mitbewohnerin, die sich unbeeindruckt zeigt. Lass uns morgen sprechen, okay? P. ist gerade online, und K. und N. auch. Munter haut sie in die Tasten ihres Laptops, mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit: Sie kommuniziert ueber Skype mit drei Leuten gleichzeitig. Ich nehme meine Mueslischale und gehe auf den Balkon.

    Unten auf der Strasse tobt das Leben. Nachbarn haben einen Grill auf dem Buergersteig aufgebaut, Klappstuehle und einen Kasten Bier geholt, und freuen sich das erste Kotelett dieses Jahres. Ausgelassene Stimmung dort unten, das beruhigt. Ich weiss nicht, was passieren wuerde, wenn ich einfach das Laptop-Kabel fuer zwei drei Wochen verschwinden liesse, ueberlegte Freundin M. Es gäbe wohl erst einmal ein Riesentheater, aber dann? Klingt nach einem Plan.

  • Pseudomaenner und Superfrauen

    Ich plane immer alles im Voraus wenn ich in meine Heimatstadt Warschau fahre. Ich mache einen Termin beim Frisoer, bestelle Theater- und Konzertkarten; ich weiss immer ganz genau, welche Filme ich sehen will, welche Ausstellungen es gerade gibt, welche Buecher und CDs ich mir besorgen sollte. Dann fahre ich mit einem kleinen gruenen Renault durch die Stadt, die ich mal gut kannte. Ich fuehre bei meinen Kurztrips nach Warschau mein ganz privates Luxusleben. Freunde organisieren Partys, weil ich gerade in der Stadt bin. Toll. Doch nun, seit ein paar Jahren schon, ist alles ganz anders: Ich bin fremd in der Stadt, in der ich gross geworden bin.

    Als ich das letzte Mal da war, habe ich Shirley Valentine im Theater Polonia gesehen. Es ist das erste private Theater in Polen, gegruendet von Krystyna Janda, ohne Zweifel eine Superfrau. Eigentlich ist sie Schauspielerin, durch Filme von Wajda beruehmt geworden. Sie spielt Shirley, eine frustrierte, nicht gerade junge Frau, die sich einsam fuehlt und deswegen mit der Wand in ihrer Kueche redet. Sie schafft es letzten Endes und fliegt nach Griechenland, ganz alleine, ohne ihrem Mann Bescheid zu sagen. Erst dort faengt sie wirklich an zu leben. Das Theater ist voll, das Volk lacht und weint. Eine One-Man-Show, oder besser gesagt: One-Superwoman-Show. Ein paar Tage spaeter bin ich zu einem Konzert von Marysia Peszek gegangen. Ich musste nach Praga, einen Stadtteil, den ich nicht so gut kenne, auf der anderen Seite des Flusses. Marysia trat in einer ehemaligen Fabrik auf; sie spielte mit Wasser und Licht auf der Buehne.

    Sie sang ueber Warschau, wo auch sie gross geworden ist. Eine Stadt, die aus Licht entstanden ist; eine Stadt mit vielen Gesichtern. Sie ist voll von Pennern, Prostituierten, teuren Autos und grossen Kirchen. Eine Stadt voll von Superfrauen und Pseudomaennern; eine laute Stadt, die nicht atmet und nie einschlaeft. Marysia hat keine Zeit fuer Sex, obwohl sie die gerne finden wuerde. Marysia hat auch keine Zeit fuer Liebe. Jede Nacht spaziert sie mit ihrer Katze durch den Himmel und sammelt Sterne. Sie wuerde gern weg, aber sie kann es nicht; sie liebt Warszawa und fuehlt sich fuer sie verantwortlich. Manchmal fuehlt sie sich hier auch fremd, manchmal hasst sie die Stadt in der Pseudomaenner entscheiden, ob Superfrauen abtreiben duerfen. Ich hasse dich, meine Stadt, singt sie dann, verpiss dich!

  • Ein historischer Standortvorteil

    Berlin ist nicht wie London, Madrid oder gar Paris. Berlin ist näher an der sogenannten Dritten Welt, stellt Berliner Gazette-Herausgeber Krystian Woznicki fest. Aber gleichzeitig habe man Tuchfühlung mit den Zentren des Wohlstands. Diesen historischen Standortvorteil gilt es zu nutzen. weiterlesen »

  • Medienkunst erledigt? Antwort#5

    Ich hatte dieses Jahr auf der Transmediale ziemlich viele Deja-vu-Erlebnisse und sagte mir: interaktiv heisst inzwischen infantil. Dann habe ich im Club Transmediale beim share mitgespielt, mit meinem Keyboard und meinem RotTT-Kollegen Antialias inmitten von ein paar Dutzend Laptop-Kids, und was haben die gespielt? House Musik der banalsten Sorte, hochmedialisiertes, aber extrem unterkomplexes Zeug. Neues scheint, zumal in der Medienkunst, von den gerade gehypeten neuen Technologien abzuhaengen, vergleichbar dem Arbeiten mit neuen Materialien in der bildenden Kunst.

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    Bild: Norbert Bayer

    Ich erwarte medienkuenstlerische Arbeiten, die sich auf blogs, myspace, Games, Handies, 2nd world, e-paper etc. beziehen. Da der Umgang mit Neuen Medien inzwischen ein Kinderspiel ist (und nicht mehr dieses Millionen-$-Dings, das Medienkunst mal exklusiv und die bekannten Medienkuenstler bekannt gemacht hat) und der generelle bildende Kuenstler inzwischen auch lockerer mit Computern etc. umgeht (und sie nicht mehr, wie noch gar nicht lange her, fuer Teufelszeug haelt), duerfte auch hier Vermassung einsetzen. Gestern sprach ich mit einem Vertreter einer grossen Berliner Softwareschmiede fuer Videoschnitt-Programme, und er sagte, die Hauptzielgruppe seien bei ihnen Rentner – von da kann auch noch einiges an Naiver Medierei erwartet werden. Die Schrottmenge wird also wachsen, aber, einfach nur aus quantitativen Gruenden, auch die Chance, dass was Interessantes dabei ist.

    Ich glaube – und das ist keine ironisch-launische Bemerkung -, dass das Thema bullshit gerade im Kommen ist (s. etwa Oswald Wiener: Humbug, in: Der Ficker, Band 2, Wien 2006), und da gibt es natuerlich gerade in der Medienkultur viel ab-, d.h. in den Orkus zu arbeiten. Gestern behauptete jemand, dass auf utube taeglich 50.000 neue Videos eingestellt werden. – Wie gesagt: das Exklusive ist weg. Monsterscreens und Wireless-Interaktiv-Schnickschnack steht inzwischen in fast jedem Kinderzimmer; dass irgendwas Neues Medium heisst, ist kein besonderes Kriterium mehr. Komplexitaet und Originalitaet bleiben freilich Aufgaben, die so schwierig sind wie sie immer waren. Neulich mal nach langem wieder ein Kunstwerk gesehen, das mich beeindruckt hat, von Nadja Schoellhammer beim Goldrausch im Kuenstlerhaus Bethanien, und die war im wesentlichen aus Papier (auch ein Medium?).

  • Medienkunst erledigt? Antwort#4

    Warum wird neue Medienkunst als obskure und selbstreferentielle Subkultur wahrgenommen, die im Begriff ist, zu verschwinden? Warum ist es fuer Kuenstler, die mit den neuesten Technologien experimentieren, so schwer, Teil der Popkultur oder der zeitgenoessischen Kunst zu werden? Was macht es so attraktiv und dennoch so schwierig, mit Wissenschaftlern zusammenzuarbeiten? Warum ging die neue Medienkunst waehrend der ueppigen Tage des Dotcom-Booms leer aus, und warum bevorzugen Geeks und IT-Millionaere, sich Autos und anderen Tand der Mittelklasse zu kaufen, statt sich ihrer eigenen Kunstform zuzuwenden?

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    Bild: Norbert Bayer

    Woher kommt die unterwuerfige Haltung gegenueber den Naturwissenschaften? Bietet der Bereich der Erziehung den einzigen Ausweg, wenn wir einzelne Biographien betrachten? Neue Medienkunst hat sich zwischen kommerziellem Demodesign und Museumsstrategien positioniert, und anstatt erdrueckt zu werden, ist sie in einen Abgrund des Missverstandenwerdens hineingefallen. Nach Jahren des heroischen Kampfs, Arbeiten zu schaffen, Ausstellungen zu konzipieren und Festivals, Konferenzen und Kurse zu organisieren, zeichnet sich nun ein drohendes Gefuehl der Krise ab. Handelt es sich dabei nur um einen schmerzhaften Augenblick in einem Prozess des Wachstums oder haben wir es mit strukturellen Problemen zu tun?

    Waere es besser, die neue Medienkunst in den Bereich des Film, des Theaters und der bildenden Kuenste zu intergrieren, oder bekommt man bessere Werke zu sehen, wenn technologiebasierte Kunst ihre eigenen Finanzierungsstrukturen, Medienlabore und Zentren hat? Abgesehen von einer kritischen Untersuchung der Voraussetzungen – und ueberhaupt der Existenz – einer elektronischen Kunst, moechte ich das um Biennalen kreisende System der zeitgenoessischen Kunst argumentativ hinterfragen. Letzteres reproduziert eine rueckwaertsgewandte Unterscheidung zwischen dem Fake des Spezialeffekts und dem authentischen Kampf echter Kuenstler mit dem rohen, unbearbeiteten Bild. (Weiterlesen)