• Thai-Lessons#3

    .

    Auf Reisen in Thailand triffst du ziemlich viele Leute. Es kann etwa passieren, dass du den gleichen Leuten, mit Lonely Planet-Guide und Sonnenbrille ausgeruestet, an verschiedenen Orten immer wieder begegnest. Abgesehen davon solltest du dich darauf einstellen, viele Australier zu treffen. Fuer die ist Thailand quasi so was wie Mallorca fuer die Deutschen – also zumindest entfernungstechnisch. Dann gibt es noch viele amerikanische Paerchen und alleinreisende College-Girls. Und Unmengen von Schweden (ich habe keine Ahnung warum). Die Briten kommen wahrscheinlich nach Thailand wegen ihres imperialistischen Gemuets, weil die Thais auch auf der linken Seite fahren und weil Alkohol so unglaublich guenstig ist (obwohl der letzte Punkt wahrscheinlich auf alle Touristen zutrifft).

    Dann waeren da noch Schweizer. Sie reisen einfach gern durch ganz Asien mit der transsibirischen Eisenbahn – Endstation Thailand. Ein paar Deutsche gibt es noch, Franzosen und Russen mit vielen Klunkern aber keine Polen – bis auf mich, versteht sich. Unter den Amerikanern traf ich eine Alleinreisende, wie sie ihren Status selbst beschrieb. Sie hiess Cathleen, wollte aber Cat genannt werden. Cat brachte es fertig, mir ihre Lebensgeschichte in nur 15 Minuten zu erzaehlen, ohne auch nur meinen Namen zu kennen. Ihr Freund, ein grossartiger schottischer Gentleman, hatte ihr eine Woche zuvor einen Antrag gemacht.

    Und er ist so niedlich, meinte sie, wie alle europaeischen Maenner, irgendwie anders und suess und und und. Aber sie wusste einfach nicht, ob sie Ja sagen sollte. Klar der Typ war suess und alles, aber war sie wirklich schon bereit sich zu binden? Deshalb hatte sie sich sicherheitshalber erstmal in die Maschine nach Thailand gesetzt, um zu sich selbst zu finden. Das Rueckflugticket war offen, vielleicht wollte sie ja laenger bleiben. Ausserdem offenbarte sie mir noch, dass sie eine Protein-Diaet und Yoga machte und erst 27 Jahre alt war. Sie beendete unsere Unterhaltung ziemlich abrupt, als mein englischer Freund zu uns stiess, ein gutaussehender Europaeer…

  • Kulturtreter

    Ich selbst trage fuer mein Leben gerne Turnschuhe, habe aber noch nie ein Paar von Puma, Nike oder adidas besessen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich keinen Wert auf Markenklamotten lege, mir die Schuhe einfach zu teuer sind oder ich immer an diese Sprueche aus meiner Kindheit denken muss: adidas macht Hosen nass oder alle deutschen Idioten denken an Sex (=adidas) und dann noch oben drauf: Papa und Mama auch (=Puma). Die Namen dieser Marken praegen mich also schon seit fruehester Kindheit und auch wenn ich nur no-name-Produkte trage, so muss ich eingestehen, dass adidas und Co. die ersten waren, die ihn produziert haben: den bequemsten Schuh der Welt: den Sneaker.

    .
    Bild: Brian Jungen

    Ebensowenig kann und will ich leugnen, dass der Marken-Turnschuh einen entscheidenden Einfluss auf unsere westliche Kultur hat. Der Swoosh von Nike, die Raubkatze von Puma oder auch die drei Streifen von adidas, gelten als Prestigeobjekte und dass nicht erst seit Run-DMC. All das ist einem aufmerksamen Beobachter seiner Umwelt gewissermassen klar – auch wenn er selbst weder adidas noch Nike an den Fuessen hat. Noch klarer werden die Dinge durch das Lesen eines Buches, das der Medienforscher Christoph Bieber geschrieben hat: >Sneaker Story<. Es eroeffnet einem einen ganz neuen Blick auf diese Kulturtreter.

    Christoph Bieber erzaehlt die Geschichte des Turnschuhs. Das Buch ist jedoch keineswegs eine Biografie des Sneakers an sich, sondern viel eher die Chronik des Konkurrenzkampfes der groessten Turnschuh-Globalplayer. So wird die Geschichte der Globalisierung aus dem Blickwinkel der zwei groessten Sportartikelhersteller erzaehlt, adidas und Nike. Bieber deckt dabei interessamte Zusammenhaenge auf. In detailreicher Lektuere erfaehrt man zum Beispiel, wie die Marke Puma entstand. Ebenso versorgt einen das Buch auch mit marktwirtschaftlichem Hintergruendwissen, zum Beispiel ueber die Uebernahme des franzoesischen Sportartikelherstellers Salomon S.A. durch adidas. Man erkennt wie verstrickt die Markenwelt ist.

  • Koyaanisqatsi

    Mein Leben spielt sich zwischen Europa, den USA and Lateinamerika ab. Die Kontraste zwischen den drei Welten lassen sich folgendermassen skizzieren: In den USA, selbst in Expertenkreisen lateinamerikanischer Kultur, erlebe ich groesste Gleichgueltigkeit, Desinteresse und manchmal auch Zynismus gegenueber der tragischen Geschichte Suedamerikas. Ueber Kolonialismus darf man nicht diskutieren. Ueber die innerlich und aeusserlich unterminierte lateinamerikanische Souveraenitaet im 19. wie im 20. Jahrhundert kann man nicht reden. Selbst ueber besondere Aspekte in Literatur und Kunst, sagen wir die Einsicht in die geistigen, kosmologischen und sozialen Dramen der literarischen Welt eines Juan Rulfos, Jose Maria Arguedas oder Joao Guimaraes Rosa wird eigentlich nicht gesprochen. weiterlesen »

  • Sunday Falling

    Ich denke, also bin ich. , die zentrale cartesianische Erkenntnis wird jeden Sonntagnachmittag in den Gruenanlagen Berlins um eine mobile Dimension erweitert. Dann heisst es: Ich laufe, also denke ich. Der Zusammenhang zwischen Spazierengehen, Laufen im Allgemeinen, und Denken ist schon in der Antike bekannt: Die Wandelgaenge in der Schule Platons fuehrten zu einem schreitenden Philosophieren, das es erlaubte den Geist in freier Reflexion schweifen zu lassen. Bei Rousseau und spaeter bei Baudelaire werden die Erinnerungssequenzen des Gehenden mit seiner Phantasie und seiner sinnlichen Wahrnehmung der begangenen Orte verbunden. weiterlesen »

  • Warten auf den Krankenwagen

    Kiezbericht Neukoelln – ob ich einen solchen Text als Reportage schreiben koennte? Vielleicht haette das neue Stadtmagazin ja Interesse, sagte ein Bekannter. Das war Donnerstag abend. Ich dachte an die Kommunisten Strasse, die Soliparty-Kneipe um die Ecke. Eine Neuentdeckung, die ich so liebe, weil Leute mit normalen Klamotten immer gleich gemustert werden, als seien sie die schlimmsten Kapitalisten. An die Neukoellner Buergerstiftung, die sich letztes Jahr gegruendet hat, und die Lebensqualitaet im Kiez verbessern will. Lebensqualitaet bedeutet in Neukoelln auch, zu jeder Tagesszeit ungeschminkt durch die Strassen laufen zu koennen, ohne aufzufallen. Auch ins Programmkino, denn dort ist man ohnehin fast alleine.

    Leider sind viele Nachbarn traurige Gestalten. Schon frueh morgens legen sie bei Edeka Toastbrot und Jaegermeister auf’s Band. Aber es gibt auch die alte Dame mit dem Dackel. Sie hat die Sueddeutsche abonniert. Oder das hilfsbereite Ehepaar von gegenueber, dessen 80-Kilo-Hunde Tequila 1 und Tequila 2 heissen. Die Hoelle, das sind die anderen. Was ich Donnerstag abend verdraengt hatte, war der Muellberg vom Vormittag. Eine kleine Halde im Hof, ich verzichte auf eine Beschreibung der Gerueche. Die Hausverwaltung bestellte die Muellabfuhr.

    Karfreitag rueckte dann die Feuerwehr an, eine brennende Muelltonne. Die christlichen Feiertage werden hier im Kiez also also ernst genommen – ein Tag vor Weihnachten hatte die Laterne vor meinem Fenster in Flammen gestanden. Samstag kam das Technische Hilfswerk. Maenner mit Helmen und dicken Westen, bewaffnet mit Aexten. Sie machten sich im Hinterhaus zu schaffen. Die Muellabfuhr, die Feuerwehr plus Polizei, das technische Hilfswerk plus Polizei, dann heisst es nur noch warten auf den Krankenwagen, meinte meine Mitbewohnerin. Der Osterspaziergang am Sonntag musste daher leider doch ausfallen.

  • Medienkunst erledigt? Antwort #1

    Was ist nur los mit der Medienkunst? Keiner weiss, was das eigentlich ist, und doch wird sie zumindest einmal jaehrlich zu Grabe getragen, und zwar dann, wenn in Berlin die Transmediale gerade mal wieder ihre Tore geschlossen hat. Da stellt sich zum x-ten Male die Frage, wie Medienkunst ueberhaupt definiert wird, wenn einer lokalen Veranstaltung unterstellt werden kann, sie koenne existenziellen Einfluss auf ein globales Phaenomen ausueben, welches den Namen Medienkunst traegt. Die Fragestellung ist weder schmeichelhaft fuer die Medienkunst, noch die Transmediale als deren Totengraeber. Es wirkt reichlich laecherlich, wenn man betrachtet, was waehrend des Festivals als Medienkunst praesentiert worden sein soll.

    .
    Bild: Norbert Bayer

    Als Festival digitaler Kultur ist die Veranstaltung genau dem Massenphaenomen der Mittelmaessigkeit und Beliebigkeit verpflichtet, dabei steht das Festival nicht allein da, sondern findet sich in einer Reihe von Veranstaltungen aehnlicher Art weltweit wieder, insofern ist niemandem etwas vorzuwerfen. Welches Festival man auch immer besucht, das haarstraeubende Mittelmass ist in der praesentierten Massierung in der Tat toedlich, und vielleicht haben diese Art von Veranstaltungen in der Tat einen schaedlichen, ja zerstoererischen Einfluss auf die Wahrnehmung von Kunst bzw Medienkunst, auch weil der Begriff, fast beschwoerend, bis zum geht nicht mehr, ausgeschlachtet wird. Leidtragende sind all diejenigen, die sich ernsthaft mit dem Genre befassen oder sich gar kuenstlerischen Exzellenz verpflichtet fuehlen.

    Sie haben auf solchen Veranstaltungen keinen Platz, und falls doch einer mal dabei sein sollte, geht er in dem undefinierbaren Einheitsbrei sang- und klanglos unter. Dasselbe gilt fuer die zahlreichen Veranstaltungen, die im Rahmenprogramm irgendwo stattfinden. Da stellt sich schon die Frage nach dem Sinn, wenn eine solche Veranstaltung im Sinne der Sache eher kontraproduktiv wirkt und Mittelmass foerdert, anstatt zu besonderen Leistungen zu motivieren oder Schaufenster dessen zu sein. Vielleicht liegt das ja aber im Trend des Publikumsgeschmacks oder bestimmter Ideologien. Vielleicht sollte man dann aber auch darauf verzichten, den Begriff Kunst weiter zu strapazieren.

  • Zack, Zack, Zack

    Wuerde jemand Paul Virilio oder Vilem Flusser, die Theorie-Grossvaeter der neusten Generation frischgebackener Medienwissenschaftler zum Thema Zeit befragen, so wuerde der Erste sowas wie Ach! Alles wird mir zu schnell sagen. Der Zweite, dessen Archiv nun von Koeln nach Berlin gezogen ist, wuerde vielleicht meinen, dass die Geschichte am Ende sei und wir im Nulldimensionalen angelangt sind. weiterlesen »

  • Medienkunst erledigt? Die Serie

    Medienkunst – was ist das eigentlich? Ist das Buch nicht auch ein Medium und war Shakespeare in diesem Sinne nicht auch schon ein Medienkuenstler? Schon, also bereits damals, als der Begriff noch gar nicht en vogue war. Sie werden sagen: Geht es wirklich, um so Grundlegendes, wenn doch der Aufruf, den die Berliner Gazette gemeinsam mit der Kunst- und Medienwissenschaftlerin Verena Kuni im vergangenen Monat lancierte, nach dem Ende der Medienkunst fragte? Ja und nein. Jedenfalls klaeren Antworten auf die Frage Medienkunst erledigt? nicht zuletzt, was das Ganze ueberhaupt soll – also durchaus auch Basales, wenn der Blick auf den Leichnam und in die Zukunft gerichtet wird. Formuliert wurde der Aufruf anlaessslich der kontrovers diskutierten transmediale.07. Vernichtend hiess es da etwa: >Wirklich gut gelungen scheint einzig die feste Verankerung im Subventionsbetrieb.<

    Deutschlands groesstes Medienkunstfestival ein Mangelwesen? Totengraeber der Kunst? Unserem Aufruf folgten Medienkuenstler, Journalisten, Kunstkritiker, Medientheoretiker, Kuratoren, Medienaktivisten und Kunstprofessoren. Eigentlich sollte man das im Singular schreiben. Denn mehr als ein Dutzend Beitraege sind da nicht zusammengekommen. Doch: Die, die antworteten, sind immer auch Vieles zugleich (Theoretiker und Praktiker, Wissenschaftler und Journalisten); stehen ausserhalb und innerhalb des Feldes der Medienkunst zugleich. Insofern gehen die Berufsbezeichnungen in Plural schon in Ordnung. Ihre Namen lauten: Joulia Strauss, Stefan Beck, Tilman Baumgaertel, Holger Schulze, Geert Lovink, Manuel Bonik, Wolfgang Neuhaus, Wilfried Agricola de Cologne, Marc James Mueller und Pit Schulz.

    .
    Bild: Norbert Bayer

    Ihre Beitraege zur oben gestellten Frage werden ab heute jeweils an den kommenden Wochenenden veroeffentlicht. Die perfekte Dramaturgie gibt es nicht. Allerdings: Die Reihenfolge, in der sie eingetroffen sind, erschien uns fuer die Vergabe der Seriennummern sinnvoll. Norbert Bayers Grafiken illustrieren die Texte. Nur augenscheinlich nostalgisch, mobilisieren Bayers Arbeiten den Pixel als zentrales Gestaltungselement und stellen damit ganz grundlegende Fragen nach dem Wesen der Medienkunst, wie Kommunikationswissenschaftler Christoph Bieber schreibt. Fuer die Beitragsserie Medienkunst erledigt? haben wir Bayers Werkreihe It’s A Me – Mario ausgewaehlt, die man gleichermassen als eine Analyse von sowie Hommage an das Nintendo-Spiel Super Mario verstehen kann. Last but not least: Mittlerweile findet sich eine der transmediale-Diskussionen zur Medienkunst im Netz dokumentiert.

  • Thai-Lessons#2

    .

    Tauchen ist wie ein Traum. Alles ist viel langsamer und friedlicher als jemals zuvor. Du bist unter Menschen, aber eigentlich bist du ganz fuer dich. Du kannst kleine Fische streicheln und den anderen die grossen Fische zeigen, wenn du welche siehst. Du kannst jemandes Hand halten, aber du kannst nichts sagen. Du verhaeltst dich ganz anders als sonst und du wirst auch zu jemand anderem. Du nimmst die anderen anders wahr. Um ehrlich zu sein, mochte ich meine Tauch- Kollegen in Thailand viel lieber, wenn wir unter der Wasser- oberflaeche waren. Mein schottischer Tauchlehrer beispiels- weise, schien viel professioneller zu sein, wenn wir unter Wasser waren, wo man seinen Akzent nicht hoeren konnte und vor allem nicht seine dummen Witze. Ich glaube, sobald wir untertauchten, fingen wir alle an uns viel lieber zu moegen – in dieser wortlosen slow motion. In der grenzenlosen Welt der Korallen und Barrakudas. Dort scheint die Zeit viel schneller zu vergehen, wobei man sie nicht in Stunden und Minuten misst, sondern daran, wie viel Sauerstoffs man noch uebrig hat. Vielleicht habe ich deshalb ein so grosses Verlangen danach, ueber dieses wortlose Unterwasser-Welt zu schreiben, um sie eben doch zu verworten und somit zugaenglich fuer andere zu machen.