Dieter Wunderlich: Vernetzte Karrieren
(Leseproben)
      Geburt eines Stammhalters
Im September 1754 ist die Großfürstin erneut schwanger. Elisabeth ordnet an, dass sie in eines der zaristischen Privatgemächer umzieht. In der Nacht auf den 1. Oktober erwacht Katharina nach ein paar Stunden Schlaf: Die Wehen setzen ein ... Leseprobe
 

Vernetzte Karrieren

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Ein peinlicher Zwischenfall
Der preußische König Friedrich Wilhelm I. reißt sich die Serviette vom Hals, unterdrückt einen Rülpser und erhebt sein mit Rheinwein gefülltes Glas: "Auf das Wohl des exzellenten Gastgebers!" General Friedrich Wilhelm von Grumbkow und seine Besucher leeren ihre Gläser und stehen schwerfällig auf ... Leseprobe






Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2000,
ISBN 3-7917-1720-0, 286 S., 17 Abb., 19.90 € (D)
   


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Leseproben aus "Vernetzte Karrieren"

Ein peinlicher Zwischenfall

Der preußische König Friedrich Wilhelm I. reißt sich die Serviette vom Hals, unterdrückt einen Rülpser und erhebt sein mit Rheinwein gefülltes Glas: "Auf das Wohl des exzellenten Gastgebers!" General Friedrich Wilhelm von Grumbkow und seine Besucher leeren ihre Gläser und stehen schwerfällig auf.

Der König wendet sich an seinen zwölfjährigen Sohn: "Fritz, denke an das, was ich dir sage." Dabei tippt er ihm mit dem Zeigefinger gegen die Brust. "Halte immer eine gute und große Armee; du kannst keinen besseren Freund finden und dich ohne sie nicht behaupten. Unsere Nachbarn wünschen nichts mehr, als uns über den Haufen zu werfen; ich kenne ihre Absichten, und du wirst sie noch kennenlernen." Er boxt Friedrich in die Seite. "Glaube mir, denke nicht an die Eitelkeit, sondern halte dich an das Reelle; achte immer auf eine gute Armee und aufs Geld, darauf beruhen der Ruhm und die Sicherheit eines Fürsten."

General von Grumbkow tritt hinzu und ermahnt den Kronprinzen: "Nehmen Sie sich solche wahrhaft väterlichen und königlichen Worte recht zu Herzen, Königliche Hoheit."

Der Monarch fährt fort, mit seiner schnarrenden Stimme auf Friedrich einzureden: "Folge dem Beispiel deines Vaters bei den Finanzen und der Armee, wenn du König bist. Aber hüte dich, mich in dem nachzuahmen, was Diplomatie heißt, denn davon hab' ich nie etwas verstanden."

Er haut dem kreidebleichen Jungen mit der flachen Hand auf den Hinterkopf und beginnt zu schreien. "Ich möchte wohl wissen, was in diesem kleinen Kopf vorgeht. Dieter Wunderlich: Vernetzte Karrieren © Verlag Friedrich Pustet Ich weiß, dass er nicht so denkt wie ich; es gibt Leute, die ihm andere Gesinnungen beibringen und ihn veranlassen, alles zu tadeln. Das sind Schufte." Er ohrfeigt Friedrich: "Schufte sind das!" Friedrich blickt zu Boden und wagt es nicht, die sich rötende Wange zu betasten. Sein Vater tobt: "Mein Wahlspruch ist, niemandem etwas anzuhaben, aber mir auch nichts gefallen zu lassen." Er greift nach seinem abgegessenen Teller und wirft ihn auf den Parkettboden.

Reglos sehen die anderen Gäste zu, wie ihnen die klirrenden Scherben vor die Füße schlittern. General von Grumbkow tut plötzlich so, als habe er zu viel getrunken und halte das Benehmen des Königs für einen großen Spaß: er lacht schallend und zertrümmert ebenfalls ein paar seiner kostbaren Fayence-Teller. Dann nimmt er Friedrich am Arm, während der König und die anderen Gäste in den angrenzenden Salon gehen.

Auf der Türschwelle wendet sich Friedrich Wilhelm nochmals um. Alle bleiben stehen, während er sagt: "Ihr wisst noch nicht, was in Fritzchen steckt!"

Geburt eines Stammhalters

Im September 1754 ist die Großfürstin erneut schwanger. Elisabeth ordnet an, dass sie in eines der zaristischen Privatgemächer umzieht. In der Nacht auf den 1. Oktober erwacht Katharina nach ein paar Stunden Schlaf: Die Wehen setzen ein. Man ruft nach der Hebamme und hilft der Schwangeren, sich auf eine harte Pritsche zu legen. Auch Elisabeth stürzt herbei und setzt sich mit einem Morgenmantel über dem Nachthemd neben die Kreißende.

Gegen Mittag kommt das Kind. Die Hebamme hält es hoch: Es ist ein Junge. Vorsichtig wird er gewaschen und in lange Leinen- und Flanelltücher gewickelt. Dann lässt die Zarin ihren Beichtvater holen, der das Neugeborene salbt und ihm auf ihre Anordnung hin den Namen Paul gibt. Gleich darauf befiehlt Elisabeth der Hebamme, ihr mit dem Säugling zu folgen und eilt aus dem Zimmer, ohne sich noch einmal umzusehen.

Katharina hat ihre Schuldigkeit getan.

Sie bleibt mit einer Bediensteten allein zurück. Erschöpft und verschwitzt liegt sie auf der Pritsche in der Zugluft zwischen schlecht schließenden Fenstern und Türen. Sie bittet das Mädchen, ihr ein frisches Nachthemd zu bringen und ihr ins Bett zu helfen, aber die Dienerin wagt nicht, etwas ohne Anweisung der Zarin zu unternehmen: Sie ruft zwar mehrmals nach der Hebamme, aber die muss bei dem Neugeborenen bleiben.

Katharina hört, wie die Geburt des Stammhalters mit Glockengeläut und Salutschüssen gefeiert wird. Ihr Leib und ihre Brüste schmerzen; sie weint aber auch aus Wut. Sie bittet um einen Schluck Wasser, doch die Bedienstete geht auch darauf nicht ein.

Erst nach drei Stunden kommt eine Gräfin. "Man will sie umbringen!" schreit sie und holt selbst die Hebamme, die Katharinas Hemd wechselt und sie ins Bett bringt.

Leseproben: © Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

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