Dieter Wunderlich: Vernetzte Karrieren (Nachwort) |
Nachwort aus "Vernetzte Karrieren" |
Mit dem Tod Katharinas der Großen endete eine Epoche, die den Bogen spannte vom Absolutismus zur Französischen Revolution. "Der Staat, das bin ich!" Es ist zwar eine Legende, dass der französische König Ludwig XIV. diesen Satz ausgerufen hat. Aber es ist richtig, dass er an seine göttliche Berufung glaubte und auf Erden keine andere Autorität akzeptierte. Der "Sonnenkönig" verkörperte den Staat. Ein paar Jahrzehnte später lehnte sich Ludwig XVI. vergeblich gegen seine Entmachtung auf: Nicht mehr der Monarch personifizierte den Staat, sondern der "Dritte Stand" bildete jetzt die Nation. Die radikalen Führer der Französischen Revolution zerrten Tausende von politischen und persönlichen Gegnern auf die Guillotine, darunter den König und die Königin – bis Napoleon auf den Trümmern der Revolution eine neue Diktatur errichtete. Was aber bis heute überdauert hat, ist die Proklamation der Menschenrechte vom 26. August 1789: "Frei und gleich an Rechten werden die Menschen geboren und bleiben es ..." Die bedeutendsten Herrscher zwischen dem Absolutismus und der Französischen Revolution waren ohne Zweifel Friedrich der Große, Maria Theresia und Katharina die Große: drei grundverschiedene Charaktere in drei grundverschiedenen Staaten. Die katholischen Habsburger stellten von 1438 bis 1740 alle Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Dieses Imperium existierte allerdings vom Westfälischen Krieg (1618 - 1648) bis zur endgültigen Zerschlagung durch Napoleon mehr in der Tradition als in der Wirklichkeit, und Maria Theresias Enkel Franz musste sich 1806 damit abfinden, dass er als "österreichischer Kaiser" nur noch in den österreichischen Herzogtümern und den Königreichen Böhmen und Ungarn regierte. Die protestantischen Hohenzollern dagegen schufen erst im 17. und 18. Jahrhundert aus den bis dahin unbedeutenden Territorien Preußen und Brandenburg einen mächtigen Militärstaat, der von Anfang an mit Österreich rivalisierte und 1871 das Deutsche Reich gründete. Die Romanow-Zaren schoben die russischen Grenzen im 17. Jahrhundert bis an den Pazifik und zur Bering-Straße vor. Peter der Große und Katharina die Große expandierten im Westen und öffneten das rückständige asiatische Riesenreich europäischen Einflüssen. Russland löste Schweden als nordische Vormacht ab und griff in die Auseinandersetzungen der Briten, Franzosen, Preußen und Österreicher ein. Während Maria Theresia eine unbeschwerte Kindheit verbrachte, prügelte der "Soldatenkönig" seinen Sohn Friedrich, weil dieser sich für Musik und französische Philosophie begeisterte, und auf Befehl seines Vaters musste der Kronprinz zusehen, wie ein Freund geköpft wurde, der ihm bei seinem gescheiterten Fluchtversuch hatte helfen wollen. 1740 folgten Friedrich und Maria Theresia ihren verstorbenen Vätern auf den Thron. Obwohl der junge preußische König philosophische Tischgespräche liebte und Schlachtenlärm verabscheute, raubte er Maria Theresia Schlesien – und löste damit eine Reihe von europäischen Kriegen aus, die Preußen beinahe vernichtet hätten. Von den jahrelangen Kriegen zermürbt, vereinsamte der "Alte Fritz", bis ihm nur noch die Gesellschaft seiner Hunde blieb. Die lebensfrohe Wienerin Maria Theresia gewann dagegen mit ihrem warmherzigen Charme die Zuneigung der Menschen. Zärtlich liebte sie ihren Gemahl und ihre sechzehn Kinder – was sie aber nicht daran hinderte, Franz Stephan in den Hintergrund zu drängen und ihren Kindern unglückliche Vernunftehen aufzuzwingen. Während ihr preußischer Gegenspieler die Herrscherrolle auf den Zufall der Geburt zurückführte, glaubte die strenge Katholikin an den göttlichen Auftrag der Monarchen. In der Kunst suchte die barocke Königin allenfalls die Unterhaltung, und abstrakte Gedankenspiele lagen ihr schon gar nicht. ![]() Katharina die Große kam – nicht zuletzt auf Betreiben Friedrichs – als sechzehnjährige deutsche Prinzessin nach Russland. Wäre sie nicht stark genug gewesen, hätten die Schikanen ihres psychopathischen Gemahls sie in den siebzehn Jahren Ehe zerbrochen. Aber Katharina hielt mit eisernem Willen an ihrem ehrgeizigen Ziel fest, setzte sich gegen alle Intrigen in der ihr völlig fremden Umgebung durch und putschte sich an die Macht. Dieser herrschsüchtigen "Karrierefrau" traute man den Mord an ihrem Gemahl zu. Das hinderte die französischen Philosophen nicht daran, sie als aufgeklärte Monarchin zu preisen. Zur Selbstaufgabe gegenüber einem Mann taugten weder Maria Theresia noch Katharina. Starke Muttergefühle konnte die Zarin schon deshalb nicht entwickeln, weil man ihr die Kinder gleich nach der Geburt weggenommen hatte. Mit immer jüngeren Männern befriedigte sie ihre Triebe, obwohl sie außerhalb ihres Schlafzimmers eher prüde wirkte und niemand wagte, in ihrem Beisein zweideutige Anspielungen zu machen. Friedrich der Große, Maria Theresia und Katharina die Große wollten zwar uneingeschränkte Alleinherrscher sein, aber keine Despoten, denn sie hielten es für ihre Aufgabe, dem Staat zu dienen. Sie erfüllten gewissenhaft die Pflichten, die sie sich selbst auferlegt hatten, auch wenn sie dabei ihre persönlichen Vorlieben der Staatsräson unterordnen mußten. Obwohl ihre Reformen weit hinter ihren Idealen zurückblieben, entwickelten sie ihre Staaten ein gutes Stück weiter: Mit der Zentralisierung der Verwaltung, der Zurückdrängung der feudalen Strukturen und der Förderung des gerade erst entstehenden Mittelstands bereiteten sie den modernen Staat vor. Sie kümmerten sich um ihre Untertanen – doch was zu tun war, entschieden sie allein: "Alles für das Volk, nichts durch das Volk." |
Textauszug: © Verlag Friedrich Pustet, Regensburg
Vernetzte Karrieren: Inhaltsangaben und Kurzbiografien |