ein bild

CARL LEWIS ODER MOONBOOTS SPEZIAL


Ich mache derweil Urlaub von meinem Seitenstechen. Schlurfender Eintritt in die Langsamkeit. Dabei fällt mir nichts schwerer, als mein Verhalten zu verhalten. Mein Schuster hat mir zu dem Behub eigens drei Meilen hohe Plateausohlen angeschlagen.

Damit mein Schritt nachlässt und ich gezwungen bin, mich weit hinunter zu beugen,
um nach dem Weg zu fragen.
Manchmal die Eingeborenen, manchmal die Fische.

26.09.2005 09:13:10 

KREUZPFLOCK


den hasen erlegt
mit einem angespitzten kreuz
pflock

geworfen
und er lag vorm ginster
zuckte

wand sich fort
gelaufen vor
dem zucken dem

sich
winden
nachts

war das selbst
im himmel ab
gespiegelt

09.10.2005 21:12:41 

HASENMAUER


der hase, der zur mauer wird

09.10.2005 21:22:25 

SCHREBERS TINNITUS (THRESCH 2)


schrebers gesicht/e

Schrebers Tinnitus
zu Zeiten
als er sich daran gewöhnte
und das Leuchten da
rin fand
als Siebenton
aber noch immer umzingelt
vom Schweinskrokodil
das anklopft
hart
an der Blechtür

Er begann eben
so hart auf
zu
treten
auf seinem Blechboden

Dann reichte auch das nicht mehr

Als sie wie
der
kamen Schreie

„Es hat Zeiten ge
geben
in denen ich mir nicht and
ers zu
helfen wusste als laut zu
sprechen
oder irgendwelchen Lärm zu machen
um das ebenso blöd
sinnige wie scham
lose Gewäsch der stimmen zu über
tönen.“

Deshalb die Schreie
tief aus der Kopf
tiefe

Deshalb das rhythmisch-a
rythmische Getrampel auf dem
Blech

Um seinen Kopf her
noch immer die App
a
rate seines Vaters
die metallenen Kopf
gärten seines Vaters
seines Vaters
des
Schweins
krokodils

(Die Einladung zur Uraufführung von THRESCH siehe unter "Landgang")

25.10.2005 19:29:49 

DER LETZTE VALOIS


Heinrich III. von Frankreich

I. DAS GEDÄCHTNIS VOR SEINER GESCHLECHTSUMWANDLUNG

Anjou auf der Flucht vor dem pol / nischen Thron bei Nacht und Nebel
Von nun an ist er zu / Ende ein für alle Mal zu Ende
Das Eingeheimste fährt / ihm aus den Taschen
Klingelt die B / öden Krakaus auf
Die glatten Schulter / blätter seiner Schwester
Wirken nur n / och bis zum Hals
Von nun an seine Mignons / als Kokon und als Blessur
Stoßgebete an den Lebensretter aus / den Pyrenäen der seine Hühner schon
von Weitem in die Suppen / töpfe wirft und ihm die lange Nase

jetzt noch länger dreht

II. DAS GEDÄCHTNIS NACH SEINER GESCHLECHTSUMWANDLUNG

Aufschub der Hungersnot / Halbreifes Getreide
zwischen ihren Zähnen / Der König bass erstaunt
in seiner Zelle / Der König hat sich eine
Kette aus Hündchen um / den Hals gehängt
zeigt einen bestürzenden / Gehorsam diesen Hündchen gegenüber
Hohl mahlende Zähne / fiependes Gebell
Eine Liga der Bedürftigkeit / Das Urteil in effigie
Pensionen-Land / das Amt des Mundschenken
Daher der Tat / endrang des

Erben

07.11.2005 21:16:43 

LADY GODIVA


Immer im Galopp ging es. Ganz ohne Peitschenknall über die hohen Gräber. Sie riss nicht eines um. Im Gegenteil: Das Land selbst schlug Wellen unter ihrer Gangart, die Straße unter ihr schwang hoch in Schleifen aus. Hin und wieder glitt noch ein Gesicht vorüber. Nicht aber als Kontur, sondern als Fahrt.

Das heißt: Sie strauchelte, strauchelte ein- und ausnehmend und war doch die Ruhe selbst. Auf alle um sie her wirkte diese Ruhe lähmend. Deshalb ihr Tempo. Als Tom ihr sich ihr von Nahem zurief, hörte sie nur sich von Weitem. Verloren stand er danach da und spürte etwas Steifes von und zu.

Das kam davon, dass sie nur im Stehen galoppierte. Nicht abgewandt, Neinnein, im ganzen Gegenteil: Sie hörte nie auf, ihn interessiert, sogar ermunternd anzusehen. Er selbst war es, der sich zurückzog, in einen Strohhalm oder in die Tränke. Mit dem Gefühl, nur so davongekommen zu sein.

Hoch staunte er über seinen Mut. Nur noch ein paar Augenblicke und es hätte sie zerrissen, wie sehr er sich im Weg war. Selbst sein Kandis und seine Krippe bestätigten ihm das. Noch im Vorüberreiten hatte sie ihn als Steuer eingetrieben. Ihn selbst, sein Heu, vor allem aber sein Scharren.

27.11.2005 19:45:30 

DER LISTENSACK


und hier der listensack

Die Nächte nicht
zu
rück
zu
holen

So schwingt kein Knüppel mehr
drobher
das Märchen ist
zu en de

Nichts deckt
sich mehr
auf
ab

Nichts
streckt sich mehr
Nichts
wenigstens nicht für

d

i

c

h

Jetzt sind sie
doch gestorben
und leben
nicht bis

h

e

u

t

e

14.12.2005 09:28:54 

Mein unklickbares Weihnachtsgedicht


ein rot
i er ende
r niko l
aus ohne
handundfuß
doch im
m er wie
der anget
rieben von
s einer l
euch
t reklame

Klickbar hier: http://www.maldix.org/LYRIKseite.htm

24.12.2005 09:45:55 

RUFSTROM


Der Rufstrom kondensiert: ein Weckton. Das Surren, der Hörer. Der Gleichstrom, dann der Schall. Großmutters Stimme. Stockend: „Warte, ich geb dir deine Mutter!“

Da schwingt Widerstand mit, trocken, zwischen Membran und Korn. Zerfällt und wirkt. Ein Permanentmagnet. Im gleichen Takt verstärkt und abgeschwächt. Die leere Zeit am Hörer dehnt sich.

Sehr klar der Gedanke: `Ihr Ton ist heute trüber als sonst!´

Mein leeres Lauschen in den Hörstrom. Lange keine Stimme zu hören. Nur leises Knistern. Ich tröste mich: `Sicher weiß sie wieder nur nicht mehr, was sie mit mir reden soll, wo sie mich am Apparat hat.´

Jetzt sind Schritte da – und ich fühle mich samt Hörer quer übers Bett gehoben. Brückenschaltung. Großmutters leises Ächzen, Daunenrascheln.

Aufmoduliert. Im Knistern der Leitung. Noch einmal tief einatmen. Mutters Stimme. Glasfasern, kalt, als sei eine tiefe Aufgebrachtheit darin.

So lange ich diese Nachricht auch schon erwarte, so sehr erschreckt es mich, sie jetzt wirklich zu hören. Ein Schrumpfen, ein schweres Gestauchtsein fährt in mich hinein.

„Es ist soweit!“

Danach höre ich kein einzelnes Wort mehr, nur noch den Ton dieser Stimme. Auch er voll von dieser schlechten Nachricht.

Verwundert höre ich mich antworten. Sätze, die lange vorbereitet sind, ohne dass ich davon wusste. Um sie herum nur Leere. Ich spüre meinen Nacken. Krampfiges Nicken. Lege ich auf. Erschrecke beim Geräusch des Hörers auf der Gabel.

Weil ich nicht zugehört habe.

05.01.2006 11:07:39 

EINE ERSCHÖPFTE WESPE


Eine erschöpfte Wespe
im Januar

Sie fährt ihren Flug
im Innenraum des Wagens

Gehemmt von der schmutzigen Front
scheibe

Als wäre ihrem Summen ab
zu lauschen wo sie die Monate verbracht hat

Seit dem letzten


Sommer

10.01.2006 16:41:47 

SYLVIAS LAVENDELSCHLACKE


hier sylvias lavendelschlacke

Vielen Dank Markus:
http://www.marburger-forum.de unter "Gedichte"

13.01.2006 21:24:06 

SWEDENBORG


Als ich tot war, nahm ich auch einen andren Namen an.

Unwichtig, dass ich ihn jetzt vergessen habe. Wichtig ist, dass er mit A. anfing. Vielleicht August, vielleicht auch Januar. August hieße allerdings, denjenigen Recht zu geben, die die ganze Sterberei für einen Sommer halten.

Nicht, dass ich ein besonders Benachteiligter meines Todes gewesen wäre. Im Gegenteil: Zwei oder drei Mal war ich sogar um die Wette glücklich mit mir selber.

Vor allem, weil ich mir alles abnahm, was ich glaubte. Das beschenkte mich so freigiebig mit hellen Straßen, dass ich gleich an der nächsten Weggabelung elf meiner zwölf Finger picknickte.

Nur einer blieb übrig: Daumen nach oben.

Das war nun zweifel
los der beste Aus
gang aller meiner Reisen.

18.01.2006 00:24:58 

DER PLATZ AN DER SONNE


„Da war man schon wer, als Lotse vorn auf dem Kahn, die Sonne schien einem auf die Mütze und blitzte in den Wellen, dass die Leute, die einem vom Wehr aus zuwinkten, die Hände vor die Augen halten mussten.“

Manchmal, wenn die Regengüsse in jähen Schauern gegen die Scheiben der Brücke klatschten, sie blind werden ließen wie Spiegel, dann stand er draußen wie der Käptn selber und schrie durch den Wasserstaub Anweisungen zum Steuermann hinein.

Zuerst stieß er im Sturm noch hart gegen die Tür zur Brücke oder die Reling. Aber nicht lange, und er hatte heraus, die Füße im Wind immer um ein kleines Stück zu verschieben, um nicht aus dem Gleichgewicht zu kommen.

Bald war er richtig eins mit dem Kahn. Sogar das Zittern nahm der ihm ab, in der Kälte und im Regen, so heftig arbeitete die Maschine unter ihm.

Dann wärmte ihn der bärbeißige Respekt des Steuermanns, dass er sich auskannte, obwohl der dichte Regen ihm alles weggenommen hatte, woran er sich sonst hielt:

Die Häuser und Schornsteine am Ufer, den Fluß selber bis auf ein paar wenige Armlängen ringsum...

Anfangs hatte die Angst ihm die Sprache verschlagen. Die Schiffer dachten zum Glück, der Wind hätte ihm die Stimme vom Mund gerissen. So hatte er sich wieder fangen können, und sie durchgebracht, ohne sie auf Grund laufen zu lassen.

„Das war schon was bei so einem Wetter. Nicht wie im Sommer, wo ich den Weg an den flatternden Unterhosen ablesen konnte, die am Ufer zum Trocknen hingen.

Schon lange hatte ich mich nach dem Wasser gesehnt. Schon als Kind, wenn der Wind mir nachts die Flussgeräusche hertrug. Schon damals hat mir der lange Ton aus den Sirenen die Brust zusammengezogen...“

Als er zum ersten Mal an Deck stand, wusste er es: Die Art Leben fehlte ihm. Die mit den Möwen überm Kopf. Ihre starren Flügel noch einmal als Spiegelbild im Wasser.

Alles musste man im Auge haben als Lotse: vor allem die entgegenkommenden Schiffe, dass man Abstand hielt. Im Nebel war das kitzlig, wenn man den Kahn nur nach dem Gehör dirigierte.

Und in allem war Abenteuer, in jedem Blick, im kleinsten Handgriff. Selbst die Eintönigkeit hatte etwas Geladenes. Nur war sie da, die Welt der Flottenkalender, die ihm schon in der Kindheit von Schiffen und Meeren und Helden erzählt hatten.

Es kam ihm vor, als bringe ihn die Schiffsschraube mit jeder ihrer Umdrehungen dem Ort näher, wo er schon immer hin gewollt hatte. Zum „Platz an der Sonne“, von dem der Kaiser gesprochen hatte.

Dann wäre es soweit. Endlich würde er ein Leben führen unter Perlenfischern, Abwrackern, Händlern, Walfischfängern.

So würde er herauskommen aus diesem starren Landrattenland. Und immer weiche Wellen unter seinen Füßen haben.

Nicht mehr die verdammten Bergmannshäuschen und Fördertürme in seinem Blick, sondern Hafenkräne, Plantagen und Pagoden. Der Blick endlich frei: ins Blaue.

Allein die Namen der Städte. Der Kopf konnte einem schwirren, wenn man hörte: Kalkutta, Tobruk, Katmandu. Schon die machten ihm das Gesicht heiss.

So war er nur wie ein Anfang, der Binnenhafen.


(Gruß an Britta)

25.01.2006 09:57:11 

ÜBER UNTER PALMEN


unter palmen

26.01.2006 16:46:01 

AKROBAT


Auf dem Platz vor dem „Schmalen Handtuch“ hatten sie das blaurot gestreifte Zelt aufgebaut, in dem die lungenkranken Akrobaten ihre Kunststücke aufführten. Karbidlampen beleuchteten das schmale Oval und der Geruch von Sägemehl und fremden Tieren stieg ihr in die Nase, dass ihr der Kopf schwirrte davon.

Vielleicht war es aber auch der Geruch des steifen jungen Mannes, der da auf einmal neben ihr stand und mit dem Nachbarsmädchen sprach. Er gefiel ihr – und machte ihr doch ein ungutes Gefühl.

Sie hätte ihn gern öfter angesehen, deshalb zog alles wie hinter einem Vorhang an ihr vorbei: die Clowns, die Messerwerfer, die Geißen, die in die Hufe klatschten.

Erst als der dünne Mann mit der Stange kam, sah sie die Manege wieder.

Der Akrobat im hautengen Matrosenanzug war als Hauptattraktion angekündigt und ging erst einmal steif ein paar Runden um die Stange herum, die in der Mitte der Manege aufgestellt war. Ein blasser Mann, einer, der erst einmal gar nicht so aussah, als sei etwas Besonderes von ihm zu erwarten. Schon gar nicht, als er die Paillettenjacke abstreifte und man seine knochigen Schultern sah.

Aber dann die Ruhe, die Sicherheit, mit der er sich mit Armen und Beinen an der Stange festklammerte und ganz langsam nach oben stieg. Das Pendeln dann, wie das begann! Es kam ihr vor, als ginge der Mast direkt durch sie durch, so pendelte sie mit vor Angst um ihn. Und plötzlich war dieser kleine, blasse Hungerleider da oben das einzige, wofür sie noch einen Blick hatte.

02.02.2006 11:04:55 

BALANCE


Balance

02.02.2006 11:11:07 

PIETRO ARETINO


pietroaretinokleiner

Auch nach meiner Wiedergeburt lachte ich noch über das päpstliche Begräbnis des Elefanten. Aber der Vatikan war Humor nicht mehr gewöhnt. Deshalb setzte mich der Inquisitor auf einer Schaluppe aus und ließ mich treiben. Wütend rief er: "Dein Gelächter soll die Segel blähen." Daran hielt ich mich. Vor lauter Begeisterung am Segelpusten hatte ich aber die Untiefe übersehen und war – noch kurz vor meinem Eiand – eben mal auf Grund gelaufen. Natürlich ließ mir mein Jubilieren keine Zeit, auch nur nach Süßwasser zu suchen. Hätten mich die Korsaren nicht aufgebracht und mir durch mein entzücktes Gezeter hindruch ein weihwassergetränktes Skapulier als Knebel in den Mund gesteckt, ich wäre wahrscheinlich verdurstet.

18.02.2006 10:22:37 

UNTER KEINEM (THRESCH)


schrebers löwenmann

Unter keinem
der einem keinem halb
gefiel
als Zeitungs
bild als
Aus
gerissenes

Ist das
so schlecht verwahrt

Wertvoller nie
als eine Verseferse

Oft
denkst du das nicht mehr

Mehr wäre
gescheiter

Er
innert sich wer er
erinnert sich
an diese Zu
kunft

Zu ist das
hat sich kein X aus diesem Y gespreizt

Nochnoch
kehrt das
ein
ins Knie
und nie
mehr
aus

Das Lachen zwischen
Haut
und Haut
und doch die Handangst
Handvoll Angst

Das grosse
pfeffersüße Schweben
Erstickt im Kram
Zwangloser Zwang
Und dann
mit Verve aber
Wer

Das fehlt schon nicht mehr
das nicht mehr
und bleibt das Gegenteil
eines
Cocons

(Einladung zu THRESCH siehe unter "Landgang".)

21.02.2006 01:50:56 

AJGI


Noch einmal Armut
kurz vor deinem Tod

Jäh

Auch ich habe
dir nicht geholfen

23.02.2006 18:29:52 

HERODOTS HEIMWEH NACH DEN DAUNEN


Danach musste ich durch diesen Raum voller schwebender Federn, die mich bis zur Atemlosigkeit kitzelten. Bis zur Atemlosigkeit und über die Atemlosigkeit hinaus. Noch während ich in einer vorläufigen Ohnmacht lang hinschlug, dachte ich bei mir: „Selten habe ich bei Federn diese Einmütigkeit erlebt.“ Leise gackernd dachte ich mir das und sah so ein, dass ich meine Daunen vor drei Tagen nicht alle auf einmal hätte abwerfen dürfen.

(Willkommen Hans Thill.)

02.03.2006 22:57:30 

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