Uni Schwerpunkt

Der glückliche Bummelstudent und der erfolgreiche Studienabbrecher

Gut zu studieren heißt erfolgreich, schnell und leistungsorientiert zu studieren. Erfolg im Studium verspricht auch persönliches Glück, Misserfolg daher Unglück. Stimmt diese Gleichung? Diese Menschen zeigen uns: Es geht auch anders.

Bei einer Begegnung vor kurzer Zeit wurde mir seit längerem wieder einmal bewusst, was man heutzutage unter einer „guten Studentin“ versteht. Eine Bekannte erzählte mir von ihrer Tochter als eben einer solchen. Was die Bekannte gemeint hatte, war dabei nicht, dass ihre Tochter etwa sich für ihr Fach engagierte, überdurchschnittlich gute Noten hatte oder gar viele bildende, philosophische Erfahrungen gemacht hatte, nein. Sie meint vor allem: Sie ist schnell. Gut zu studieren meint vor allem, kurz zu studieren, möglichst schnell fertig zu sein und wieder weg von der Uni.

Dieses Urteil ist keineswegs überraschend oder neu, aber mich überraschen dabei zwei Dinge, nämlich einerseits, wie unumstritten zu gelten scheint, dass man schnell sein muss, sowie die Beständigkeit dieses scheinbaren Konseses. Gerfried Sperl schrieb in einer Kolumne im Standard: „Die Spitzenpolitik und die Industrie haben sich bei den Eltern und den Studenten mit dem Slogan „Nur wer schnell fertig wird, ist wirklich gut“, durchgesetzt. Kultur ja, aber als Dekoration“. Das war 2008, weiter schrieb er: „ Vielleicht lässt sich die politisch entmündigte studentische Jugend noch lange an der Leine halten. Ein Ausbruch aber wäre erklärbar.“ Der Ausbruch kam, tatsächlich. 2009 „brannte“ die Universität, protestieren war wieder in, aber nur kurz. Der Ausbruch war in diesem Zusammenhang mehr ein laues Lüfterl, denn danach ging es weiter wie zuvor: 2014 absolvierten 40% ihr Studium in Regelstudienzeit, mit zwei Semester Toleranz waren es 77%, bei Master-Studierenden sogar über 90%.

Nun soll das kein Artikel sein, der behauptet, dass „früher alles besser war“, nur weil es früher Menschen wie Josef Cap gab, die für ihr Studium sechzehn Jahre brauchten. Was dieser Artikel möchte ist, das Ideal des „Studenten von der Stange“ (© Gerfried Sperl) zu hinterfragen, und besonders die Dominanz dieses Gedankens. Diese Dominanz drückt sich dadurch aus, dass die Schlagzeile des zitierten Spiegel-Artikels nicht lautete: Juhu, mehr als drei Viertel der Deutschen studieren recht zügig, sondern: „Nur 40 Prozent schaffen Studium wie vorgesehen“. Oder auch, dass sich das verbleibende Viertel für ihre Entscheidung (oder die Umstände), länger zu brauchen, rechtfertigen müssen. Wie lange man studiert, ist längst keine Privatangelegenheit mehr, sondern Gegenstand des öffentlichen Interesses. Das ist insofern absurd, da es ohne die Langsamen gar keine Schnellen gäbe (sondern nur einen Einheitsbrei). Vielfach tritt die Thematisierung der studentischen Trödelei noch dazu mit einer Art Führsorge auf, besonders bei Eltern. Die Frage lautet dann: Geht es dir etwa nicht gut, weil du so lange brauchst? Wie unglücklich bist du, nachdem du dein Studium geschmissen hast?

Aber kann man nicht auch glücklich sein, ohne sich im permanenten Wettkampf unter Beweis gestellt zu haben? Woher kommt die Idee, dass diejenigen unglücklich wären, nur weil sie weniger Energie auf ihr Studium verwenden? Verhalten sich unsere langsamen Kommilitonen sogar nicht viel schlauer, wenn sie sich selbst aus dem permanenten Wettbewerb nehmen, noch dazu, weil es am Arbeitsmarkt ohnehin nicht mehr viel zu holen gibt? Macht vielleicht nicht sogar umgekehrt eine zu starke Fokussierung auf Leistung krank? Dazu wollen wir uns ein paar Gesichter ansehen und ihre Geschichten vom fröhlichen Misserfolg.