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Versteckerlspiel in Toronto

Ist Rob Ford, der berüchtigte Bürgermeister von Toronto, "ein Dämon,
der uns’re Sinne trübt" (Erste Allgemeine Verunsicherung) oder einfach ein gewiefter
player im political game – nur auf Crack? Fest steht: Torontos Stadtoberhaupt
sieht trotz seiner kompromittierenden Beziehungen zur Drogen- und
Ganovenwelt keinen Grund, aus dem Sattel zu steigen.

Von Vasile V. Poenaru
(01. 07. 2014)

...



Vasile V. Poenaru
bardaspoe [at] rogers.com


geboren 1969, zweisprachig
aufgewachsen, Studium der
Germanistik in Bukarest,
darauf Verlagsarbeit und
Übersetzungen. Lebt
in
Toronto.


 

 

 


"Mensch! Haben wir
aber einen Trunkenbold
von einem Bürger-
meister!"

 

 

 

 

 

 

Und unser Herr Bürger-
meister ist auch recht
gebildet: Fluchen kann er
zum Beispiel nicht nur in
seinem angeborenen
Englisch, sondern auch
im jamaikanischen Patois.

 

 

 

 

 

 

"Ich verstecke mich hier,
er versteckt sich da. Ich
bin hier, er ist da. Lässt
mich beschatten, der Depp!
Wisst ihr überhaupt,
wieviel sowas kostet?"

 

 

 

 

 

 

 

Nehmen wir einmal an,
dass Rob Ford und der
kanadische Regierungs-
chef Stephen Harper so
gut befreundet sind, dass
Harper sich 2011 sogar
ohne Weiteres zu einem
Grill bei den Fords einla-
den ließ, um zusammen
mit Gleichgesinnten der
siegreichen politischen
Schlachten der Vergangen-
heit zu gedenken und
Zukunftspläne zu
schmieden.

 

 

 

 

 

 

 

 

"We started cleaning up
the left-wing mess fede-
rally in this area. Rob's
doing it municipally. And
now we've got to complete
the hat trick and do it
provincially as well."

 

 

 

 

 

 

 

Mein Gott, ich zitiere
schon wieder aus Faust.
Tschuldigung. Oder viel-
leicht ist das hier ja gar
kein Fehler. Es geht so
stürmisch vor! So drängisch!
Unser Herr Bürgermeister
war und ist fürwahr ein
wahrhafter Kraftkerl.

 

 

 

 

 

 

 

"Ich brauch fünfzehn
Minuten, um den Kerl
umzubringen! Hör mal
gut zu, der muss dran
glauben. Ich töte ihn mit
meinen eigenen Händen!"

 

 

 

 

 

 

 

Torontos Bürgermeister
sieht trotz seiner kompro-
mittierenden Beziehungen
zur Ganovenwelt keinen
Grund, aus dem Sattel
zu steigen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Anthony Smith (inzwi-
schen ermordet) und
Muhammad Khattak (inzwischen im Gefängnis
erstochen) wurden vor
einer "Drogenhöhle" im
Revier der berüchtigten
Dixon City Bloods Arm
in Arm mit Bürgermeister
Rob Ford fotografiert.

 

 

 

 

 

 

 

 

Jedenfalls hatte der
Bürgermeister im Mai
2013 anscheinend den
Leuten aus seinem
näheren Umfeld gesagt,
er wisse genau, wo sich
das Video (dessen Existenz
er damals noch öffentlich
abstritt) befinde ...

 

 

 

 

 

 

 

 

Die zahlreichen krimi-
nellen Banden in Toronto
liefern sich regelrechte
Schlachten, um ihr Revier,
ihren Spielplatz, kurz "das
Gebiet" zu kontrollieren:
Schusswaffen, Drogen und
Prostitution bestimmen
den Alltag.

 

 

 

 

 

 

 

 

Als er Mitte November
von mehreren Mitgliedern
des Stadtrats wegen
seines fahrlässigen Ver-
haltens zur Rede gestellt
wurde, gab sich Rob
Ford unbeirrt schamlos,
stutzig, angriffslustig,
uneinsichtig.

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei der Eröffnung des
großen Toronto-Aquariums
Ende 2013 gab Ford tatsäch-
lich bekannt, dass ihm
die Haie am allerliebsten
seien; warum? "Großer
Mund, scharfe Zähne" ...

 

 

   "Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er schielt", sagt der Schwabe – oder doch jedenfalls sowas Ähnliches, wer wird das denn jetzt so genau wissen wollen. Also wie gesagt, der Mensch ist nur da … der Mensch ist nur … "Führ mich heim, du stolzer Droschkenmann, wo ich wohn’, weiß ich nicht mehr." Der trübe Schein der Wirklichkeit, gefiltert durch den schönen Rausch der Poesie: a true Canadian rhapsody.

Der Mann ist nur leicht angetrunken. Sobald er wieder ganz bei Sinnen ist, geht’s weiter. Das sagen viele Unterstützer des skandalträchtigsten Bürgermeisters der Welt, des Mannes, der seine stark mediatisierten Spielchen mit der Öffentlichkeit gerissener treibt, als einer so auf Anhieb meinen würde. Total verunsichernd ausgedrückt: Herr Rob Ford kommt aus dem Stammlokal.

Der Staatsmann ist nur beim Pokerspielchen ganz Mann – und beim political game. Das ist so eine Art Würfeln. Und da dürfen wir alle getrost mitmachen. Wir: die mehr oder weniger ahnungslosen Wähler im Dickicht der Städte, jederzeit dazu bereit, hinter dem erstbesten Erwählten, hinter dem erstbesten mehr oder weniger ahnungslosen Demagogen in Reih’ und Glied einher zu marschieren, solange er nur verspricht, die Steuern zu senken. Baal im Schauspielhaus der kanadischen Wirklichkeit. Ein Schauspiel, aber ach! ... Verdammt, fast will ich schon glauben, da kommt noch was hinterm Ach! Naja, wie dem auch sei: Game on.

   "Mensch! Haben wir aber einen Trunkenbold von einem Bürgermeister!", jodelt der brave Durchschnittsbürger von Toronto, den wir hier mal dem Prinzip der Bequemlichkeit zuliebe Toronto Dude nennen wollen, feuertrunken (was natürlich heißen will: total berauscht) vom Drehrestaurant des CN-Turms hernieder. Denn Hand aufs Herz: Spaß ist doch rar (sagt der Bayer). Der Herr Bürgermeister höchstpersönlich – schon wieder in den Schlagzeilen: "Hier, Bro, nimm scho’, hier, noch an Tschick, a bisserl Crack, a Kartenspielchen, a fesche Frau (da bin I goanz Mann), und an Stadtplan, just in case, wenn aner net mehr woas, wo er zu Hause ist. Howdy, moa friend, du edler Chauffeur, fahr mi guat! Irgendwos wird scho’ san, wenn i wieda bei mir bin. Tomorrow is another day! " So wird eine Stadt regiert.

Die Hauptstadt der Provinz Ontario. Die größte und nach allen Maßstäben wichtigste Stadt nördlich der Großen Seen. Eine Stadt, in der ein Machthaber tun und lassen kann, was immer er auch will, denn schließlich wurde man ja demokratisch gewählt, right? Ein paar Ausrutscher hier, ein paar Ausrutscher da … So what? Everybody makes mistakes (beep)!

   Ja, natürlich schielt unser Herr Bürgermeister! Wir würden auch schielen, wenn wir so nichtsahnend-anmaßend-rücksichtslos-grobianisch durch die politische Kulturlandschaft am Ontario-See herumkriechen würden, b’soff’n wia a Heisltschick, wie der Dichter es einst so poetisch ausdrückte. Ja, stimmt. Schon wieder die EAV im Sinn: "Der Franz kommt aus dem Stammlokal, und er ist nudelfett." Passt doch. Bis auf den Namen.

Spielchen gefällig? Nehmen wir mal an, dass Buffalo Bill und Billy the Kid bei beautiful Burlington (nahe Toronto) Billiard spielen. Alliteration: Dem schlauen Leser kann nichts entgehen. Wie im Hildebrandslied, das wir hoffentlich alle im Original auswendig können. No kidding: Der deutsche Erfolgsautor Uwe Tellkamp zitiert tatsächlich in seinem Turm, dem gehaltvollen und dementsprechend gefeierten Erfolgsroman der Wende (besser: in seinem erfolgreichen Wenderoman), den ich als Strafe dafür übersetzen musste, in meinen jungen Jahren einmal geprahlt zu haben, dass sich zwischen Goethe, Schiller und mir auf dem schöngeistigen Gebiet der deitschsprachigen Literatur strenggenommen gar nicht so viel getan habe, nur so, zum Spaß, aus dem Hildebrandslied. Jawohl. Auf Althochdeutsch. Habachtstellung, bitte! Hiltibrant gimahalta, Heribrantes sunu.

Und unser Herr Bürgermeister ist auch recht gebildet: Fluchen kann er zum Beispiel nicht nur in seinem angeborenen Englisch, sondern auch im jamaikanischen Patois, das sich des zweifelhaften Ruhms erfreut, die lingua franca der Toronto-Ganovenwelt zu sein. Cha! Patois! Hiltibrant gimahalta!

   Als Versteckerlspiel mit dem Toronto Chief of Police, Billy Blair, definiert Rob Ford (wie üblich a bisserl angetrunken, versteht sich) sein Tun und Treiben in den Grauzonen der Gesetzlichkeit. "Ich verstecke mich hier, er versteckt sich da. Ich bin hier, er ist da. Lässt mich beschatten, der Depp! Wisst ihr überhaupt, wieviel sowas kostet?" Dabei rudert, tänzelt und rotiert er im wörtlichen Sinne des Wortes – "als ob er Fred Astaire wär". Macht Ausfallschritte, Seitensteps, genau wie der berühmte Franz aus Wien, flucht, stellt Überlegungen in Bezug auf die mutmaßlichen Kosten seiner Überwachung vonseiten der Polizei an. "Bro, do you know? …" Ja, den Spaß lassen wir uns schon was kosten. Sogar ein Hubschrauber kam wenigstens ein Mal zum Einsatz, um Ford bei seinen längst international berüchtigten Machenschaften auf Schritt und Tritt zu überwachen.

Das Spiel läuft, es wird getänzelt, geflucht, dementiert und auch mal mit der Faust argumentiert; dem schlausten Bürgermeister auf Erden kann man nichts anhaben. Der ist halt zu gut beim Versteckerlspiel. Und falls mal zufälligerweise eine Arbeitshypothese erlaubt sein sollte: Vitamin B hinzugefügt?

   Nehmen wir etwa an, dass dieser zweifelhafte Bürgermeister und der kanadische Regierungschef Stephen Harper so gut befreundet sind, dass Harper sich 2011 sogar ohne Weiteres zu einem Grill bei den Fords einladen ließ, um zusammen mit Gleichgesinnten der siegreichen politischen Schlachten der Vergangenheit zu gedenken und Zukunftspläne zu schmieden. Und jetzt versuchen wir unsere Arbeitshypothese auf die Probe zu stellen: Sieh einer an! Sie lässt sich durch eine Videoaufzeichnung belegen: Harper beschwört darin "the great Conservative political dynasty that we have here with the Fords". Da haben wir die Bescherung. Ja, dieses Unglückswort kommt von Kanadas Regierungschef. Rob Ford prahlt auch gleich mal damit, dass die beiden ("He’s my new fishing partner") gemeinsam "up north" in Sachen Fischfang ihren Mann standen, wobei er, Rob, den größten Fisch fing, was sein Freund Stephen prompt vor laufender Kamera bestätigt. Außerdem habe Rob Ford der (konservativen) Partei bei den Wahlen sehr geholfen, so Harper. Guter Mann. Mistet Toronto nach der Abwählung der Neuen Demokraten (New Democratic Party) aus. Jetzt müsse nur noch auf Provinzebene ausgemistet werden (In Ontario hatten zur Zeit – wie auch jetzt – nicht die Konservativen, sondern die Liberalen das Sagen): "We started cleaning up the left-wing mess federally in this area. Rob's doing it municipally. And now we've got to complete the hat trick and do it provincially as well."

"Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er trickst", sagt der Schwabe. Das kommt: Konservativer Schulterschluss nördlich der Großen Seen. "Crackmayor" Rob Ford und Prime Minister Stephen Harper wollen als gute Parteifreunde in die Geschichte eingehen (Ford ist freilich formal unabhängig, doch das folgenschwere Harper-Wort in Sachen "Conservative political dynasty" spricht Bände), weswegen der Regierungschef vorerst keinerlei Kritik am Verhalten des Skandalbürgermeisters laut werden ließ. Und seine dann schließlich im November 2013 eher vage formulierte Stellungnahme entartete im Nu zu einem Seitenhieb gegen Oppositionsführer Justin Trudeau. Mit Ford wolle Harper weiterhin gerne zusammenarbeiten. Ja, der ist halt sein "fishing partner".

   Was das denn genau für ein Freund sei, mit dem der stärkste Mann im Land seine Spielchen treibt? "Ich bin’s! Bin Rob! Bin deinesgleichen!" – Mein Gott, ich zitiere schon wieder aus Faust. Tschuldigung. Oder vielleicht ist das hier ja gar kein Fehler. Es geht so stürmisch vor! So drängisch! Unser Herr Bürgermeister war und ist fürwahr ein wahrhafter Kraftkerl – nein, nicht im Goetheschen Sinne, das nicht, natürlich nicht, dafür aber ganz bestimmt im ganovenschen Sinne des Wortes. Ein Mann fürs Handgemenge war dieser zweifelhafte Geselle wohl schon immer. Und heutzutage ist eine schlichte Ellböglerphilosophie weit über die Landesgrenzen sprichwörtlich. Crack on with the show. Eins steht fest: Bald wird ein Klassiker draus.

"Ich brauch fünfzehn Minuten, um den Kerl umzubringen! Hör mal gut zu, der muss dran glauben. Ich töte ihn mit meinen eigenen Händen! Nein, fünf Minuten reichen nicht, ich brauch fünfzehn Minuten, bis er tot ist!" Und so weiter und so Ford. Ein Kraftkerl der Sorte Rob in action: Morddrohungen, die ja eigentlich schon an sich selbst Anlass genug zu einer strafrechtlichen Ermittlung sein dürften (genauer gesagt: sollten). Doch nein! War ja alles nur im Spiel gesagt. Klartext: im Vollrausch. "We’re going to crack on with the show now", hatten schon The Rolling Stones im Mai 2013 im Air Canada Centre in Toronto nur so, zum Spaß, als Anspielung auf die gerade in all ihrer Gewalt anklingende kanadische Drogen-Rhapsodie innerhalb und außerhalb der City Hall verlautbart. Freilich war und bleibt der von ihnen mit den feinen Mitteln der (sprachschöpfenden) Ironie angegangene Sachverhalt ein todernster.

   "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral." Torontos Bürgermeister sieht trotz seiner kompromittierenden Beziehungen zur Ganovenwelt keinen Grund, aus dem Sattel zu steigen. Die Verhältnisse in der bedeutendsten kanadischen Metropole, die sind eben nicht so, würde der Dichter weiter – mit seinen schönen dichterischen Sprachbildern – argumentieren. The show must go on. Das Spiel läuft. Und es gibt davon mittlerweile so viele Videoaufzeichnungen im Internet und so viele tausend volle Seiten in Tausenden Zeitungen aller Damen und Herren Länder, dass wir jetzt mal unbedingt große Literatur daraus machen müssen. Versuchen wir’s also mit einer Moritat (die Protagonisten scheinen ja allesamt in bester Spiellaune zu sein):

"Anthony war darunter und Rob Ford war dabei
Und Mohammed ist Drogenhändler geworden,
Doch die Polizei fragt keinen, wer er sei
Und ob’s Rob ernst meint mit dem Morden."

Nein, ich merke schon, mit diesem Vierzeiler ist es nicht getan. Deswegen wollen wir sicherheitshalber und aus privatdetektivischen Gründen gleich mal mit einer sozusagen noch unerbittlich-poetischeren zweiten Moritat vorlieb nehmen (aus der wir dann nur so, im Spiel, vielleicht auch mal eine kleine Crackmayor-Oper machen – nur, es irrt der Mensch, solang’ er spielt):

"Anthony ist gestorben und Rob schwimmt im Kot
und Mohammed ist vermisst und verdorben,
aber Blut ist immer noch rot
und für’n crackmayor wird jetzt wieder geworben! "

   Anthony Smith (inzwischen ermordet) und Muhammad Khattak (erst mal untergetaucht, inzwischen verhaftet und im Gefängnis erstochen) wurden vor einer "Drogenhöhle" im Revier der berüchtigten Dixon City Bloods (auch als Dixon Goonies bekannt) Arm in Arm mit Bürgermeister Rob Ford fotografiert, der nach dem weltweiten Skandal rund um seine vielseitige Hörigkeit als Wiedergutmachung lediglich ein bisschen abspecken wollte (draus wurde nicht viel). An der Bezeichnung "Drogenhöhle" nahm Ford freilich gleich Anstoß. Denn anständig sei der Mensch, edel und gerecht …

Rob Fords guter Freund, der den Bürgermeister früher immer auch gerne mal herumchauffierte (und ihm oft verschiedene dubiose Dienste erwies, wie ein Ende Oktober bekannt gemachter Polizeibericht detailreich dokumentiert: Die beiden haben u.a. mehrfach – bei Tag und Nacht – untereinander verschiedene zweifelhafte Päckchen an verschiedenen zweifelhaften Orten ausgetauscht), kam seinerseits wieder mal vorübergehend in den Knast; aber der ist ja sowieso die ganze Zeit in and out, wie es der Leumund im schönen kanadischen underground weiß, oder, euphemistisch amtlich ausgedrückt: known to police.

   Dass er als Rob Fords "enforcer" versucht hat, durch Drohungen und Erpressung das Video aufzutreiben und zu vernichten, ist sehr stark zu vermuten (und wird in den kanadischen Medien unter Heranziehung verschiedener, zum Teil durchaus glaubhafter Informationsquellen vielfach besprochen). Jedenfalls hatte der Bürgermeister im Mai 2013 anscheinend den Leuten aus seinem näheren Umfeld gesagt, er wisse genau, wo sich das Video (dessen Existenz er damals noch öffentlich abstritt) befinde und werde sich schon darum kümmern. Wer nicht hinter seinem Banner marschieren will, möge seinen Abschied nehmen.

Mehr: Rob Fords (gemeinrechtlichem) Schwager, der als Hausfriedenstörer eine Haftstrafe absitzen musste, wurde im Gefängnis ein Bein gebrochen – kleine Gefälligkeit für den Herrn Bürgermeister von Seiten seiner Kumpel im Knast. Und ein paar Zähne, besser gesagt ein Haufen Zähne wurden ihm auch gleich mal ausgeschlagen. Dabei hat sich dann später als wahrscheinlich erwiesen, dass Rob Ford wohl eigentlich nie den Auftrag dazu erteilt habe. Seine Freunde hinter dem Gitter hatten einfach angenommen, dass ihm eine derartige "jail justice" recht wäre. Angesichts der in dem von der Tageszeitung The Toronto Star in Umlauf gebrachten Rob-Ford-Video aufgezeichneten Fordschen Rachephantasien lässt sich diese Annahme gut nachvollziehen. Dass Fords Schwester früher heroinsüchtig war und dass dieser common-low-spouse der Schwester bzw. dieser in-and-out-boyfriend sich auf den Straßen von Toronto als Drogenhändler einen Namen gemacht hat, gehört zur Sache.

   Der Bürgermeister hat sich Ende Oktober für seinen Drogenkonsum entschuldigt. Und dafür, dass er öfters total besoffen aufgetreten ist. Das eigentliche Problem jedoch, das sind seine Freunde. Die zahlreichen kriminellen Banden in Toronto liefern sich regelrechte Schlachten, um ihr Revier, ihren Spielplatz, kurz "das Gebiet" zu kontrollieren: Schusswaffen, Drogen und Prostitution bestimmen den Alltag. Schließlich hat ja die kanadische Polizei das Crackmayor-Video im Rahmen einer massiven Anti-Gang-Operation entdeckt, die vor allem darauf zielte, den lukrativen Waffenschmuggel von Detroit nach Toronto aufzudecken. Das heißt, all diese windigen Gesellen, mit denen sich der Bürgermeister von Toronto umgibt, sind bestens ausgerüstet. Ihre Spielzeuge sind echt.

Also dann: Null Toleranz in Sachen Schusswaffen und Drogen? Aber nicht doch! Das war nur ein Ausdruck im Wahlkampf. Nicht Null, sondern Null Komma … Wie war das denn gleich: Wer noch nie selber als höchster Magistrat von Toronto vollkommen besoffen mal kurz gekifft und Crack geraucht hat (und bis zu achtzehn Mal pro Tag mit Kriminellen telefoniert), möge den ersten Stein werfen. Jeder Mensch macht ja dann und wann mal einen kleinen Fehler.

It’s part of the game: Nach den öffentlich erzwungenen Entschuldigungen kommt bei unsrem Herrn Bürgermeister immer gleich der Gegenangriff. Als er Mitte November von mehreren Mitgliedern des Stadtrats wegen seines fahrlässigen Verhaltens zur Rede gestellt wurde, gab sich Rob Ford unbeirrt schamlos, stutzig, angriffslustig, uneinsichtig. Business as usual. Eine Hetzjagd gegen seinen Bruder sei das, so auch Stadtrat Doug Ford. Was hat der schon getan? Polizeichef Blair sollte abtreten, wenn wir schon mal aufs Abtreten zu sprechen kommen, nicht unser Herr Bürgermeister, der ja ganz klar gesagt hat, dass er für Demokratie steht – und fürs Versteckerlspiel mit seinem Erzfeind Blair, der noch vor wenigen Jahren sein Freund war, damals, in der Fordschen Aufbruchszeit als Bürgermeister der großartigsten Stadt auf Erden, damals, als sie noch beide, Katz’ und Maus, gemeinsam gegen Kriminalität kämpfen wollten. "I’m hiding here, he’s hiding there." Ein Kraftkerl der kanadischen Sorte. Null Komma Null Schurke. He talks the talk, he walks the walk.

   Ja, das Spiel läuft. Ich weiß, das klingt jetzt echt blöd, doch manch einer setzt – nach all dem Kasperle-Getue, nach all dem Mackie-Messer-Gehabe (bei der Eröffnung des großen Toronto-Aquariums Ende 2013 gab der Mann tatsächlich bekannt, dass ihm die Haie am allerliebsten seien; warum? "Großer Mund, scharfe Zähne"...) – immer noch auf Rob Ford, den Skandalbürgermeister, den Kanadas Regierungschef Stephen Harper schließlich als Wahrzeichen einer "großartigen politisch konservativen Dynastie" betrachtet. Und wer was im Ärmel hat, wird sich noch zeigen. Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht. Und im Herbst dürfen wir unseren rückfälligen crackmayor immerhin vielleicht abwählen. Game over. Eins zu null für Stadt und Leute. Oder eben null zu eins.

 

Zuerst erschienen in:
Der Lichtwolf, Nr. 45, Frühling 2014.

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