Vasile V.
Poenaru
bardaspoe [at]
rogers.com
geboren
1969, zweisprachig
aufgewachsen, Studium der
Germanistik in Bukarest,
darauf Verlagsarbeit und
Übersetzungen. Lebt
in Toronto.
"Mensch!
Haben wir
aber einen Trunkenbold
von einem Bürger-
meister!"
Und unser Herr Bürger-
meister ist auch recht
gebildet: Fluchen kann er
zum Beispiel nicht nur in
seinem angeborenen
Englisch, sondern auch
im jamaikanischen Patois.
"Ich verstecke mich hier,
er versteckt sich da. Ich
bin hier, er ist da. Lässt
mich beschatten, der Depp!
Wisst ihr überhaupt,
wieviel sowas kostet?"
Nehmen wir einmal an,
dass Rob Ford und der
kanadische Regierungs-
chef Stephen Harper so
gut befreundet sind, dass
Harper sich 2011 sogar
ohne Weiteres zu einem
Grill bei den Fords einla-
den ließ, um zusammen
mit Gleichgesinnten der
siegreichen politischen
Schlachten der Vergangen-
heit zu gedenken und
Zukunftspläne zu
schmieden.
"We started cleaning up
the left-wing mess fede-
rally in this area. Rob's
doing it municipally. And
now we've got to complete
the hat trick and do it
provincially as well."
Mein Gott, ich zitiere
schon wieder aus Faust.
Tschuldigung. Oder viel-
leicht ist das hier ja gar
kein Fehler. Es geht so
stürmisch vor! So drängisch!
Unser Herr Bürgermeister
war und ist fürwahr ein
wahrhafter Kraftkerl.
"Ich brauch fünfzehn
Minuten, um den Kerl
umzubringen! Hör mal
gut zu, der muss dran
glauben. Ich töte ihn mit
meinen
eigenen Händen!"
Torontos Bürgermeister
sieht trotz seiner kompro-
mittierenden Beziehungen
zur Ganovenwelt keinen
Grund, aus dem Sattel
zu steigen.
Anthony Smith (inzwi-
schen ermordet) und
Muhammad Khattak (inzwischen im Gefängnis
erstochen) wurden vor
einer "Drogenhöhle" im
Revier der berüchtigten
Dixon City Bloods Arm
in Arm mit Bürgermeister
Rob Ford fotografiert.
Jedenfalls hatte der
Bürgermeister im Mai
2013 anscheinend den
Leuten aus seinem
näheren Umfeld gesagt,
er wisse genau, wo sich
das Video (dessen Existenz
er damals noch öffentlich
abstritt) befinde ...
Die zahlreichen krimi-
nellen Banden in Toronto
liefern sich regelrechte
Schlachten, um ihr Revier,
ihren Spielplatz, kurz "das
Gebiet" zu kontrollieren:
Schusswaffen, Drogen und
Prostitution bestimmen
den Alltag.
Als er Mitte November
von mehreren Mitgliedern
des Stadtrats wegen
seines fahrlässigen Ver-
haltens zur Rede gestellt
wurde, gab sich Rob
Ford unbeirrt schamlos,
stutzig, angriffslustig,
uneinsichtig.
Bei der Eröffnung des
großen Toronto-Aquariums
Ende 2013 gab Ford tatsäch-
lich bekannt, dass ihm
die Haie am allerliebsten
seien; warum? "Großer
Mund, scharfe Zähne" ...
|
"D er
Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er schielt", sagt der Schwabe – oder doch
jedenfalls sowas Ähnliches, wer wird das denn jetzt so genau wissen wollen.
Also wie gesagt, der Mensch ist nur da … der Mensch ist nur … "Führ mich
heim, du stolzer Droschkenmann, wo ich wohn’, weiß ich nicht mehr." Der
trübe Schein der Wirklichkeit, gefiltert durch den schönen Rausch der
Poesie: a true Canadian rhapsody.
Der Mann ist nur leicht angetrunken. Sobald er
wieder ganz bei Sinnen ist, geht’s weiter. Das sagen viele Unterstützer des
skandalträchtigsten Bürgermeisters der Welt, des Mannes, der seine stark
mediatisierten Spielchen mit der Öffentlichkeit gerissener treibt, als einer
so auf Anhieb meinen würde. Total verunsichernd ausgedrückt: Herr Rob Ford
kommt aus dem Stammlokal.
Der Staatsmann ist nur beim Pokerspielchen ganz
Mann – und beim political game. Das ist so eine Art Würfeln. Und da
dürfen wir alle getrost mitmachen. Wir: die mehr oder weniger ahnungslosen
Wähler im Dickicht der Städte, jederzeit dazu bereit, hinter dem erstbesten
Erwählten, hinter dem erstbesten mehr oder weniger ahnungslosen Demagogen in
Reih’ und Glied einher zu marschieren, solange er nur verspricht, die
Steuern zu senken. Baal im Schauspielhaus der kanadischen Wirklichkeit. Ein
Schauspiel, aber ach! ... Verdammt, fast will ich schon glauben, da kommt
noch was hinterm Ach! Naja, wie dem auch sei: Game on.
"M ensch!
Haben wir aber einen Trunkenbold von einem Bürgermeister!", jodelt der
brave Durchschnittsbürger von Toronto, den wir hier mal dem Prinzip der
Bequemlichkeit zuliebe Toronto Dude nennen wollen, feuertrunken (was
natürlich heißen will: total berauscht) vom Drehrestaurant des CN-Turms
hernieder. Denn Hand aufs Herz: Spaß ist doch rar (sagt der Bayer). Der Herr
Bürgermeister höchstpersönlich – schon wieder in den Schlagzeilen: "Hier,
Bro, nimm scho’, hier, noch an Tschick, a bisserl Crack, a Kartenspielchen,
a fesche Frau (da bin I goanz Mann), und an Stadtplan, just in case, wenn
aner net mehr woas, wo er zu Hause ist. Howdy, moa friend, du edler
Chauffeur, fahr mi guat! Irgendwos wird scho’ san, wenn i wieda bei mir bin.
Tomorrow is another day! " So wird eine Stadt regiert.
Die Hauptstadt der Provinz Ontario. Die größte
und nach allen Maßstäben wichtigste Stadt nördlich der Großen Seen. Eine
Stadt, in der ein Machthaber tun und lassen kann, was immer er auch will,
denn schließlich wurde man ja demokratisch gewählt,
right? Ein paar Ausrutscher hier,
ein paar Ausrutscher da … So what? Everybody makes mistakes (beep)!
J a,
natürlich schielt unser Herr Bürgermeister! Wir würden auch schielen, wenn
wir so nichtsahnend-anmaßend-rücksichtslos-grobianisch durch die politische
Kulturlandschaft am Ontario-See herumkriechen würden, b’soff’n wia a
Heisltschick, wie der Dichter es einst so poetisch ausdrückte. Ja, stimmt.
Schon wieder die EAV im Sinn: "Der Franz kommt aus dem Stammlokal, und er
ist nudelfett." Passt doch. Bis auf den Namen.
Spielchen gefällig? Nehmen wir mal an, dass
Buffalo Bill und Billy the Kid bei beautiful Burlington (nahe Toronto)
Billiard spielen. Alliteration: Dem schlauen Leser kann nichts entgehen. Wie
im Hildebrandslied, das wir hoffentlich alle im Original auswendig können.
No kidding: Der deutsche Erfolgsautor Uwe Tellkamp zitiert tatsächlich in
seinem Turm, dem gehaltvollen und dementsprechend gefeierten
Erfolgsroman der Wende (besser: in seinem erfolgreichen Wenderoman), den ich
als Strafe dafür übersetzen musste, in meinen jungen Jahren einmal geprahlt
zu haben, dass sich zwischen Goethe, Schiller und mir auf dem schöngeistigen
Gebiet der deitschsprachigen Literatur strenggenommen gar nicht so
viel getan habe, nur so, zum Spaß, aus dem Hildebrandslied. Jawohl. Auf
Althochdeutsch. Habachtstellung, bitte! Hiltibrant gimahalta, Heribrantes
sunu.
Und unser Herr Bürgermeister ist auch recht
gebildet: Fluchen kann er zum Beispiel nicht nur in seinem angeborenen
Englisch, sondern auch im jamaikanischen Patois, das sich des zweifelhaften
Ruhms erfreut, die lingua franca der Toronto-Ganovenwelt zu sein. Cha!
Patois! Hiltibrant gimahalta!
A ls
Versteckerlspiel mit dem Toronto Chief of Police, Billy Blair, definiert Rob
Ford (wie üblich a bisserl angetrunken, versteht sich) sein Tun und Treiben
in den Grauzonen der Gesetzlichkeit. "Ich verstecke mich hier, er versteckt
sich da. Ich bin hier, er ist da. Lässt mich beschatten, der Depp! Wisst ihr
überhaupt, wieviel sowas kostet?" Dabei rudert, tänzelt und rotiert er im
wörtlichen Sinne des Wortes – "als ob er Fred Astaire wär". Macht
Ausfallschritte, Seitensteps, genau wie der berühmte Franz aus Wien, flucht,
stellt Überlegungen in Bezug auf die mutmaßlichen Kosten seiner Überwachung
vonseiten der Polizei an. "Bro, do you know? …" Ja, den Spaß lassen wir uns
schon was kosten. Sogar ein Hubschrauber kam wenigstens ein Mal zum Einsatz,
um Ford bei seinen längst international berüchtigten Machenschaften auf
Schritt und Tritt zu überwachen.
Das Spiel läuft, es wird getänzelt, geflucht,
dementiert und auch mal mit der Faust argumentiert; dem schlausten
Bürgermeister auf Erden kann man nichts anhaben. Der ist halt zu gut beim
Versteckerlspiel. Und falls mal zufälligerweise eine Arbeitshypothese
erlaubt sein sollte: Vitamin B hinzugefügt?
N ehmen
wir etwa an, dass dieser zweifelhafte Bürgermeister und der kanadische
Regierungschef Stephen Harper so gut befreundet sind, dass Harper sich 2011
sogar ohne Weiteres zu einem Grill bei den Fords einladen ließ, um zusammen
mit Gleichgesinnten der siegreichen politischen Schlachten der Vergangenheit
zu gedenken und Zukunftspläne zu schmieden. Und jetzt versuchen wir unsere
Arbeitshypothese auf die Probe zu stellen: Sieh einer an! Sie lässt sich
durch eine Videoaufzeichnung belegen: Harper beschwört darin "the great
Conservative political dynasty that we have here with the Fords". Da haben
wir die Bescherung. Ja, dieses Unglückswort kommt von Kanadas
Regierungschef. Rob Ford prahlt auch gleich mal damit, dass die beiden
("He’s my new fishing partner") gemeinsam "up north" in Sachen Fischfang
ihren Mann standen, wobei er, Rob, den größten Fisch fing, was sein Freund
Stephen prompt vor laufender Kamera bestätigt. Außerdem habe Rob Ford der
(konservativen) Partei bei den Wahlen sehr geholfen, so Harper. Guter Mann.
Mistet Toronto nach der Abwählung der Neuen Demokraten (New Democratic
Party) aus. Jetzt müsse nur noch auf Provinzebene ausgemistet werden (In
Ontario hatten zur Zeit – wie auch jetzt – nicht die Konservativen, sondern
die Liberalen das Sagen): "We started cleaning up the left-wing mess
federally in this area. Rob's doing it municipally. And now we've got to
complete the hat trick and do it provincially as well."
"Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er
trickst", sagt der Schwabe. Das kommt: Konservativer Schulterschluss
nördlich der Großen Seen. "Crackmayor" Rob Ford und Prime Minister Stephen
Harper wollen als gute Parteifreunde in die Geschichte eingehen (Ford ist
freilich formal unabhängig, doch das folgenschwere Harper-Wort in Sachen
"Conservative political dynasty" spricht Bände), weswegen der Regierungschef
vorerst keinerlei Kritik am Verhalten des Skandalbürgermeisters laut werden
ließ. Und seine dann schließlich im November 2013 eher vage formulierte
Stellungnahme entartete im Nu zu einem Seitenhieb gegen Oppositionsführer
Justin Trudeau. Mit Ford wolle Harper weiterhin gerne zusammenarbeiten. Ja,
der ist halt sein "fishing partner".
W as
das denn genau für ein Freund sei, mit dem der stärkste Mann im Land seine
Spielchen treibt? "Ich bin’s! Bin Rob! Bin deinesgleichen!" – Mein Gott, ich
zitiere schon wieder aus Faust. Tschuldigung. Oder vielleicht ist das
hier ja gar kein Fehler. Es geht so stürmisch vor! So drängisch! Unser Herr
Bürgermeister war und ist fürwahr ein wahrhafter Kraftkerl – nein, nicht im
Goetheschen Sinne, das nicht, natürlich nicht, dafür aber ganz bestimmt im
ganovenschen Sinne des Wortes. Ein Mann fürs Handgemenge war dieser
zweifelhafte Geselle wohl schon immer. Und heutzutage ist eine schlichte
Ellböglerphilosophie weit über die Landesgrenzen sprichwörtlich. Crack on
with the show. Eins steht fest: Bald wird ein Klassiker draus.
"Ich brauch fünfzehn Minuten, um den Kerl
umzubringen! Hör mal gut zu, der muss dran glauben. Ich töte ihn mit meinen
eigenen Händen! Nein, fünf Minuten reichen nicht, ich brauch fünfzehn
Minuten, bis er tot ist!" Und so weiter und so Ford. Ein Kraftkerl der
Sorte Rob in action:
Morddrohungen, die ja eigentlich schon an sich selbst Anlass genug zu einer
strafrechtlichen Ermittlung sein dürften (genauer gesagt: sollten). Doch
nein! War ja alles nur im Spiel gesagt. Klartext: im Vollrausch. "We’re
going to crack on with the show now", hatten schon The Rolling Stones im Mai
2013 im Air Canada Centre in Toronto nur so, zum Spaß, als Anspielung auf
die gerade in all ihrer Gewalt anklingende kanadische Drogen-Rhapsodie
innerhalb und außerhalb der City Hall verlautbart. Freilich war und bleibt
der von ihnen mit den feinen Mitteln der (sprachschöpfenden) Ironie
angegangene Sachverhalt ein todernster.
"Erst
kommt das Fressen, dann kommt die Moral." Torontos Bürgermeister sieht trotz
seiner kompromittierenden Beziehungen zur Ganovenwelt keinen Grund, aus dem
Sattel zu steigen. Die Verhältnisse in der bedeutendsten kanadischen
Metropole, die sind eben nicht so, würde der Dichter weiter – mit seinen
schönen dichterischen Sprachbildern – argumentieren. The show must go on.
Das Spiel läuft. Und es gibt davon mittlerweile so viele Videoaufzeichnungen
im Internet und so viele tausend volle Seiten in Tausenden Zeitungen aller
Damen und Herren Länder, dass wir jetzt mal unbedingt große Literatur daraus
machen müssen. Versuchen wir’s also mit einer Moritat (die Protagonisten
scheinen ja allesamt in bester Spiellaune zu sein):
"Anthony war darunter und Rob Ford war dabei
Und Mohammed ist Drogenhändler geworden,
Doch die Polizei fragt keinen, wer er sei
Und ob’s Rob ernst meint mit dem Morden."
Nein, ich merke schon, mit diesem Vierzeiler
ist es nicht getan. Deswegen wollen wir sicherheitshalber und aus
privatdetektivischen Gründen gleich mal mit einer sozusagen noch
unerbittlich-poetischeren zweiten Moritat vorlieb nehmen (aus der wir dann
nur so, im Spiel, vielleicht auch mal eine kleine Crackmayor-Oper machen –
nur, es irrt der Mensch, solang’ er spielt):
"Anthony ist gestorben und Rob schwimmt im Kot
und Mohammed ist vermisst und verdorben,
aber Blut ist immer noch rot
und für’n crackmayor wird jetzt wieder geworben! "
A nthony
Smith (inzwischen ermordet) und Muhammad Khattak (erst mal untergetaucht,
inzwischen verhaftet und im Gefängnis erstochen) wurden vor einer
"Drogenhöhle" im Revier der berüchtigten Dixon City Bloods (auch als Dixon
Goonies bekannt) Arm in Arm mit Bürgermeister Rob Ford fotografiert, der
nach dem weltweiten Skandal rund um seine vielseitige Hörigkeit als
Wiedergutmachung lediglich ein bisschen abspecken wollte (draus wurde nicht
viel). An der Bezeichnung "Drogenhöhle" nahm Ford freilich gleich Anstoß.
Denn anständig sei der Mensch, edel und gerecht …
Rob Fords guter Freund, der den Bürgermeister
früher immer auch gerne mal herumchauffierte (und ihm oft verschiedene
dubiose Dienste erwies, wie ein Ende Oktober bekannt gemachter
Polizeibericht detailreich dokumentiert: Die beiden haben u.a. mehrfach –
bei Tag und Nacht – untereinander verschiedene zweifelhafte Päckchen an
verschiedenen zweifelhaften Orten ausgetauscht), kam seinerseits wieder mal
vorübergehend in den Knast; aber der ist ja sowieso die ganze Zeit
in and out, wie es der
Leumund im schönen kanadischen underground weiß, oder,
euphemistisch amtlich ausgedrückt: known to police.
D ass
er als Rob Fords "enforcer" versucht hat, durch Drohungen und Erpressung das
Video aufzutreiben und zu vernichten, ist sehr stark zu vermuten (und wird
in den kanadischen Medien unter Heranziehung verschiedener, zum Teil
durchaus glaubhafter Informationsquellen vielfach besprochen). Jedenfalls
hatte der Bürgermeister im Mai 2013 anscheinend den Leuten aus seinem
näheren Umfeld gesagt, er wisse genau, wo sich das Video (dessen Existenz er
damals noch öffentlich abstritt) befinde und werde sich schon darum kümmern.
Wer nicht hinter seinem Banner marschieren will, möge seinen Abschied
nehmen.
Mehr: Rob Fords (gemeinrechtlichem) Schwager,
der als Hausfriedenstörer eine Haftstrafe absitzen musste, wurde im
Gefängnis ein Bein gebrochen – kleine Gefälligkeit für den Herrn
Bürgermeister von Seiten seiner Kumpel im Knast. Und ein paar Zähne, besser
gesagt ein Haufen Zähne wurden ihm auch gleich mal ausgeschlagen. Dabei hat
sich dann später als wahrscheinlich erwiesen, dass Rob Ford wohl eigentlich
nie den Auftrag dazu erteilt habe. Seine Freunde hinter dem Gitter hatten
einfach angenommen, dass ihm eine derartige "jail justice" recht wäre.
Angesichts der in dem von der Tageszeitung The Toronto Star in Umlauf
gebrachten Rob-Ford-Video aufgezeichneten Fordschen Rachephantasien lässt
sich diese Annahme gut nachvollziehen. Dass Fords Schwester früher
heroinsüchtig war und dass dieser common-low-spouse der Schwester
bzw. dieser in-and-out-boyfriend sich auf den Straßen von Toronto als
Drogenhändler einen Namen gemacht hat, gehört zur Sache.
D er
Bürgermeister hat sich Ende Oktober für seinen Drogenkonsum entschuldigt.
Und dafür, dass er öfters total besoffen aufgetreten ist. Das eigentliche
Problem jedoch, das sind seine Freunde. Die zahlreichen kriminellen Banden
in Toronto liefern sich regelrechte Schlachten, um ihr Revier, ihren
Spielplatz, kurz "das Gebiet" zu kontrollieren: Schusswaffen, Drogen und
Prostitution bestimmen den Alltag. Schließlich hat ja die kanadische Polizei
das Crackmayor-Video im Rahmen einer massiven Anti-Gang-Operation entdeckt,
die vor allem darauf zielte, den lukrativen Waffenschmuggel von Detroit nach
Toronto aufzudecken. Das heißt, all diese windigen Gesellen, mit denen sich
der Bürgermeister von Toronto umgibt, sind bestens ausgerüstet. Ihre
Spielzeuge sind echt.
Also dann: Null Toleranz in Sachen Schusswaffen
und Drogen? Aber nicht doch! Das war nur ein Ausdruck im Wahlkampf. Nicht
Null, sondern Null Komma … Wie war das denn gleich: Wer noch nie selber als
höchster Magistrat von Toronto vollkommen besoffen mal kurz gekifft und
Crack geraucht hat (und bis zu achtzehn Mal pro Tag mit Kriminellen
telefoniert), möge den ersten Stein werfen. Jeder Mensch macht ja dann und
wann mal einen kleinen Fehler.
It’s part of the game: Nach den öffentlich
erzwungenen Entschuldigungen kommt bei unsrem Herrn Bürgermeister immer
gleich der Gegenangriff. Als er Mitte November von mehreren Mitgliedern des
Stadtrats wegen seines fahrlässigen Verhaltens zur Rede gestellt wurde, gab
sich Rob Ford unbeirrt schamlos, stutzig, angriffslustig, uneinsichtig.
Business as usual. Eine Hetzjagd gegen seinen Bruder sei das, so auch
Stadtrat Doug Ford. Was hat der schon getan? Polizeichef Blair sollte
abtreten, wenn wir schon mal aufs Abtreten zu sprechen kommen, nicht unser
Herr Bürgermeister, der ja ganz klar gesagt hat, dass er für Demokratie
steht – und fürs Versteckerlspiel mit seinem Erzfeind Blair, der noch vor
wenigen Jahren sein Freund war, damals, in der Fordschen Aufbruchszeit als
Bürgermeister der großartigsten Stadt auf Erden, damals, als sie noch beide,
Katz’ und Maus, gemeinsam gegen Kriminalität kämpfen wollten. "I’m hiding
here, he’s hiding there." Ein Kraftkerl der kanadischen Sorte. Null Komma
Null Schurke. He talks the talk, he walks the walk.
J a,
das Spiel läuft. Ich weiß, das klingt jetzt echt blöd, doch manch einer
setzt – nach all dem Kasperle-Getue, nach all dem Mackie-Messer-Gehabe (bei
der Eröffnung des großen Toronto-Aquariums Ende 2013 gab der Mann
tatsächlich bekannt, dass ihm die Haie am allerliebsten seien; warum?
"Großer Mund, scharfe Zähne"...) – immer noch auf Rob Ford, den
Skandalbürgermeister, den Kanadas Regierungschef Stephen Harper schließlich
als Wahrzeichen einer "großartigen politisch konservativen Dynastie"
betrachtet. Und wer was im Ärmel hat, wird sich noch zeigen. Und der
Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht. Und im Herbst dürfen
wir unseren rückfälligen crackmayor immerhin vielleicht abwählen. Game
over. Eins zu null für Stadt und Leute. Oder eben null zu eins.
Zuerst erschienen
in:
Der Lichtwolf, Nr. 45, Frühling 2014. |
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