"Es
war schon immer mein Traum, dass diese große Region – Bayern, Österreich,
Ungarn, Kroatien, Serbien, Rumänien und Bulgarien – sich zu einer
gemeinsamen wirtschaftlichen und politischen Region entwickelt".
Von wem stammt dieser Satz? Nein,
nicht von einem rumänischen,
bulgarischen oder ungarischen
Staatspräsidenten, die sonst immer
gern nach Westen schauen. Er stammt vom
früheren österreichischen
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Noch
interessanter klingt dessen Nachsatz: "... und
dies fängt an, sich zu bewahrheiten. Ich habe es immer als eine Investition
in unsere Zukunft betrachtet." Österreich hat also erklärtermaßen Interessen
an der Region der Unteren Donau.
Die Geschichte kommt Österreichern
entgegen
Die Rumänen betrachten
solche Aussagen mit Freude. Sie wissen, dass
Siebenbürgen (Transsilvanien) – jener Teil Rumäniens, der über viele Jahre
in die Einflusssphäre Wiens fiel – eine der
am besten entwickelten Regionen des Landes darstellt.
Dort verbindet man mit den Österreichern die Idee von Ordnung und Disziplin
und jedermann wünscht sich heute, mit
"Deutschen" (die populäre rumänische
Vorstellung bringt Deutsche und Österreicher unter demselben Oberbegriff
zusammen) zusammenzuarbeiten. Der Begriff der
"Deutschen" ist zu einer Entsprechung für seriöse,
gut ausgeführte und langfristig haltbare Arbeit geworden. Vielleicht ist das
der Grund, warum in Hermannstadt (Sibiu) –
das 2007 gemeinsam mit Luxemburg "europäische
Kulturhauptstadt" ist – Bürgermeister Klaus Johannis, Vertreter des
Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, 2004 schon in der ersten
Wahlrunde mit dem höchsten jemals
in Rumänien erreichten Stimmenanteil gewählt
wurde. Und das, obwohl es – selbst in Hermannstadt –
nur noch wenige Deutsche gibt.
Die Investoren kommen!
Tatsächlich haben die
österreichischen Investoren nicht auf das politische Signal ihres Kanzlers
gewartet, sondern sind gleich in den ersten Jahren nach dem Fall des
Kommunismus, im Dezember 1989, nach Rumänien gekommen. Und es sind sehr
viele gekommen! Sie investierten zunächst
in die Zuckerindustrie (heute beherrscht die Agrana Gruppe 25% des
Marktes). Danach kamen die bevorzugten Sektoren der Banken, Versicherungen
und Erdöl. Die nächsten Zielobjekte scheinen die Holzindustrie und
die Landwirtschaft zu sein.
Auch das Unternehmen, in
dem ich arbeite, S&T, die größte österreichische IT-Firma, kam vor vielen
Jahren – 1994 – nach Rumänien, angezogen vom Potenzial des lokalen Marktes
und dem Professionalismus der Experten hier. S&T
hat seinen Standort über die Jahre aber nicht nur
beibehalten, das Unternehmen entschied sich,
auch, außerhalb Bukarests zu
expandieren. Es hat ein bedeutendes Software-Team entwickelt und wurde zu
einem der Marktführer im IT- und professionellen Dienstleistungssektor.
Es ist interessant
festzustellen, dass durchschnittlich jeder Österreicher fast 1.000 Euro in
Rumänien investiert hat. Investitionen im Wert von 8 Milliarden Euro für
eine Bevölkerung, wie die von Österreich, von 8 Millionen Einwohnern. Wenig
ist das nicht! Diese Ziffer stellt Österreich an die Spitze der
ausländischen Investoren in Rumänien. Die "Erfolgsgeschichten"
sind zahlreich: unter den österreichischen Firmen in Rumänien zählen
gewichtige Namen der Bank- und Finanzbranche aus Österreich wie
OMV, Raiffeisen, Erste Bank
und viele andere.
Warum ist Rumänien attraktiv?
Jenseits der Botschaft des
ehemaligen Bundeskanzlers Schüssel können wir uns die Frage stellen, was die
Österreicher in Rumänien anzieht? Weshalb sind hier – bis März 2006 – nicht
weniger als 3.500 Gesellschaften mit österreichischem Kapital entstanden, in
denen über 150.000 Rumänen arbeiten? Der erste Grund, der jedem einfällt,
sind die niedrigen Arbeitskosten. Es ist aber nicht
die einzige Erklärung. Noch wichtiger sind die Dimensionen des rumänischen
Marktes: 22 Millionen Einwohner (fast dreimal soviel
wie die österreichische Bevölkerung; dies entspricht dem
zweitgrößten Markt in
der Region nach dem polnischen), deren durchschnittliches Einkommen in den
letzten Jahren bedeutend angestiegen ist, und das nicht zuletzt wegen der
Einführung des Pauschalbesteuerungssatzes (flat rate) von 16%. Dies hatte
auch eine bedeutende Steigerung des Konsums zur Folge, und ein gestiegener
Konsum ist ein unwiderstehlicher Magnet für jeden Investor! In einem Bericht
der Österreichischen Kontrollbank (OeKB) wird die weitere Steigerung der
österreichischen Investitionen in Mittel- und Südeuropa vorausgesagt; mehr
als ein Fünftel davon wird nach Rumänien gehen.
Wohin gehen die Österreicher?
In welche Gebiete Rumäniens
sind die Österreicher gegangen? Man könnte vermuten, nachdem
wir Siebenbürgen als ehemalige österreichische Provinz erwähnt haben, dass
sich die österreichischen Firmen
hauptsächlich dort angesiedelt haben. Keineswegs! Iaşi und Suceava –
beides Städte in der Region Moldau,
im nordöstlichen Teil Rumäniens
–
sind weitere von den Österreichern bevorzugte Standorte (wie z. B. der
Unternehmen Egger und Schweighofer). Bisher nicht vorgewagt
haben sich die Österreicher in den Südosten, in die
Dobrudscha (Dobrogea) am Schwarzen Meer, da Österreich als
Binnenstaat nicht über eine Tradition im Bereich Schifffahrt und
Hafenbetrieb verfügt (zumindest nicht seit dem Ende der k.k.
Monarchie). Da aber die Donau
gerade in der
Dobrudscha (Dobrogea)
ins Meer mündet, würde
eine Wiederbelebung der Donauschifffahrt den Österreichern den heiß
begehrten Meeresausgang schenken. In den 90er Jahren aufgrund des
jugoslawischen Konflikts in Verzug geraten, stellt diese
Verbindung heute eine noch nicht genutzte Gelegenheit
dar.
Zu erwähnen wäre auch noch
die Tatsache, dass die rumänisch-österreichischen Handelsbeziehungen eine
doppelte Laufrichtung aufweisen: 2005 standen dem Import aus Österreich im
Wert von 1,1 Milliarden Euro ein rumänischer Export im Wert von 637
Millionen Euro gegenüber. Dies bedeutet selbstverständlich noch immer ein
Ungleichgewicht, aber ein viel kleineres als jenes, das
die rumänische Wirtschaft mit anderen Ländern hat.
Obwohl die Österreichische
Außenhandelsstelle sehr viel für die Förderung mancher Wirtschaftszweige in
Österreich getan hat, gibt es
noch viel zu tun!
Rumänien ist
für sein großes Potenzial auf
dem Gebiet des Weinanbaus bekannt.
Eine
Annäherung zwischen Geschäftsleuten aus beiden Ländern wäre,
meiner Ansicht nach, von
gegenseitigem Vorteil, vor allem was die
Qualitätserzeugnisse, die aus kleinen Flächen stammen, betrifft. Man könnte
hervorragende Resultate erwarten, würden Pichler, Tement, Knoll, Tribaumer,
Sabathi, Hirzberger und viele andere gewichtige Namen des österreichischen
Weinbaus rumänischen Winzern näher kommen. Auch haben
der österreichische und der rumänische Tourismus gemeinsam viel zu tun.
Jenseits der Wirtschaft
Wir haben bis jetzt nur
über Investitionen und ökonomische Faktoren gesprochen.
Doch auch jenseits des wirtschaftlichen Sektors hat Rumänien viele
Schnittpunkte mit Österreich, zum Beispiel in der
Kultur oder im Sport. Sehr oft erweisen sich diese Beziehungen als
ausgesprochen ergiebig, sogar für die Entwicklung wirtschaftlicher
Beziehungen. Ich kann nicht abschätzen, wie viele
österreichische Investoren die langjährige Anwesenheit des Rumänen Ioan
Holender an der Spitze der Wiener Oper nach Rumänien gebracht hat. Aber ich
bin überzeugt davon, dass das Beispiel dieses Rumänen, dem es gelungen ist,
sich in Wien durchzusetzen, den Investoren Rumänien
näherbringen kann. Und er ist nicht der Einzige!
So ließe
sich noch Professor Michael Radulescu vom Wiener Konservatorium
erwähnen, ein hervorragender Organist und Komponist. Und die Beispiele
lassen sich fortsetzen, etwa
mit zahlreichen Musikern der Wiener Oper oder der Wiener Philharmonie, aber
auch mit jenen Rumäninnen, die in der
Handball-Mannschaft der Hypobank – führend in der österreichischen
Hauptstadt –
sind oder waren.
Rumänien, als eine Insel
der Latinität, die von Völkern umringt ist, deren große Mehrheit slawischen
Ursprungs ist, hat seinen besonderen Reiz. Mit offenen und gastfreundlichen
Menschen, mit den einmaligen Klöstern im Norden von Moldau,
mit dem Vögel- und Fischparadies des Donaudeltas, mit seiner urigen
Folklore, ist Rumänien ein anziehendes Land.
Wenige wissen, dass bei
der Verzierung des Peles-Schlosses aus Sinaia, der Sommerresidenz der
rumänischen Könige, Gustav Klimt und Franz Matsch mitgewirkt und dabei
bedeutungsvolle Werke hinterlassen haben, und dass
in Rumänien
Mozart und Strauß im höchsten Maß geschätzt
werden.
Wien, das Tor Rumäniens nach Westen
Österreich war für
all jene Rumänen, die in den kommunistischen Jahren
mit dem Zug oder mit dem Auto nach Westen reisten, das Tor, durch das sie in
die "freie Welt" gelangten. Die erste westliche
Stadt, die sie
–
glücklich, dass es endlich gelungen war, "drüben"
anzukommen –
betraten, war keine andere als Wien. Und manchmal
(eigentlich immer öfter gegen Ende der 80er Jahre) beantragten
sie dort auch politisches Asyl. Vielleicht ist das auch ein Grund
dafür, weshalb die rumänisch-österreichischen Beziehungen einen besonderen
Charakter haben.
Heute hat Rumänien ein
zusätzliches Motiv, warum es sich mit Österreich verbunden fühlt: Anfang
2006 hat sich Österreich für die Ratifizierung des Beitrittsabkommens von
Rumänien in die EU entschieden, ohne erst noch länger auf den Bericht des
Europäischen Ausschusses zu warten. Es gibt Dinge,
die man nie vergisst. In der Tat, es stimmt: "A
friend in need is a friend indeed"!
Übersetzung: Ioana Grafenhorst-Dinescu
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