Dan Lungus Buch "Klasse
Typen" (2007) besteht aus elf Kurzgeschichten. Die Personen sind Menschen
aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten Rumäniens. Wir begegnen unter
anderem einer Frau ohne Arme (deren Hobby die Malerei ist), einem "Räudigen"
(ein Zigeuner oder Arbeiter, der während des Kommunismus von gleichaltrigen
Kindern verachtet und geschlagen wurde, sich aber nach der Wende zu einem
erfolgreichen Geschäftsmann entwickelte), einer Professorin (die von einem
ihrer ehemaligen Schüler aufgesucht wird, um ihm einen Ratschlag zu seiner
bevorstehenden Hochzeit zu geben).
In einer Sprache reich an
Jargon skizziert Dan Lungu je eine Szene aus dem Leben von jeweils zwei
Hauptpersonen in der kapitalistischen Gegenwart mit Rückblick auf die
kommunistische Vergangenheit. Dabei verlassen die Ereignisse manchmal
Rumänien und spielen in Lille oder Wien. Die Geschehnisse ereignen sich –
unabhängig vom Ort – immer unvorhergesehen und wirken überzeugend, sind aber
voll von Traurigkeit.
Der Autor variiert zwischen
Monolog und Dialog, womit ihm spannende Schilderungen gelingen. Letzterer
wirkt spritzig und verleiht den Geschichten Tempo. Die jargonreiche Sprache,
auch wenn sie gelegentlich zu simpel ist, schafft witzige, teilweise
reizvolle Personenbeschreibungen und verfällt nicht ins Vulgäre.
Auf den ersten Blick
wirken die Kurzgeschichten unabhängig voneinander. Bei einer genaueren
Lektüre merkt man jedoch feine Verbindungen und Übergänge zwischen diesen,
sei es durch gleiche Personentypen (z. B. Professoren) oder ähnliche
inhaltliche oder formale Muster (z. B. Dialog mit dem besten Freund). Der
Rückblick auf die Kindheit und ihre Freundschaften, das Eltern-Kinder- und
insbesondere Mutter-Kind-Verhältnis sowie Erotik und Sex sind einige der
Themen, die wichtige Rollen in den meisten Geschichten spielen.
Die längste Geschichte, die
dem Buch den Titel verleiht, ist die einzige, in der zahlreiche Personen
zusammenkommen. Mehrere Burschen namens "Bohne", "Paganel", "Vetter",
"Bastârca", "Weißkopf" und "der Stupide" erzählen Streiche, die sie in ihrer
Clique während der Schulzeit verübten. Voller Humor geht Dan Lungu von einer
Anekdote der Gaunergruppe zur anderen und gibt die Atmosphäre der achtziger
Jahre in Rumänien (Lehrstuhlverlust wegen Parteibeitrittablehnung,
Schlangestehen vor dem Lebensmittelgeschäft) anschaulich wieder.
Allein die letzte,
autobiografische Geschichte über die Reisen des Autors ins Ausland und seine
Träume, Eindrücke und Gefühle unterscheidet sich von den anderen, indem sie
sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Der Multikulturalismus dieser
Geschichte knüpft an die einleitende Erzählung des Bandes an, in der eine in
Italien geborene, aber in England aufgewachsene Belgierin, letztendlich
einen Rumänen heiratete. Dadurch schließt sich gewissermaßen der Kreis.
Der eher unbefriedigende
Eindruck, den das Buch, trotz seiner Konsistenz, hinterlässt, leitet sich
einerseits von der bloßen Beschreibung ohne irgendeiner Analyse der
achtziger Jahre, ab. Andererseits wird der Kapitalismus nur als Gewinner und
Verlierer dargestellt. Durch seine hervorragende Beobachtungsgabe gelingt es
Dan Lungu gute Bilder der kommunistischen Achtziger zu erzeugen. Es stellt
sich aber die Frage der Aktualität einer Expedition in einer Epoche, die
seit fast zwei Jahrzehnten der Vergangenheit angehört. Auch geht aus dem
Band nicht hervor, welche Relevanz diese Epoche für die heutige
kapitalistische Gegenwart in Rumänien darstellt.
Dem rumänischsprachigen
Leser sei verraten, dass im Original die Kurzgeschichten anders gereiht
sind. Die autobiografische Erzählung ist in der rumänischen Version gar
nicht vorhanden. Stattdessen gibt es eine äußerst gelungene Geschichte über
das "Gespräch" eines Mädchens mit ihrer Zeichnung, dem Spiel "Tempelhupfen",
die einen tieferen Einblick in die Probleme der rumänischen Gegenwart
erlaubt. Schade, dass diese nicht ins Deutsche übersetzt wurde. Die
ausgezeichnete Übersetzerin Aranca Munteanu hätte das ohne weiteres zu Wege
gebracht. |