So
sind etwa die ungeheuren Haufen an
Plastikmüll kaum zu übersehen. Überall Plastiktüten und -becher. Wo man
hinschaut, Unmengen an Flaschenresten.
Traditionsgemäß
gehört eine freie Parade mit einer bunten Schar an Vereinen und Gruppen zu solch
einer Festivität. "Solltet ihr daran teilnehmen wollen, zieht bitte altes
Gewand an, denn es wird viel Sangria fließen", warnte uns Tage zuvor
die Spanischlehrerin. Wer konnte da schon ahnen, dass wir im Rebensaft
wortwörtlich gebadet würden? Karawanen von karnevalmäßig bekleideten
Jugendlichen, "bewaffnet" mit Weinkanistern, durchschwärmten das
Stadtzentrum. Den Feierbegeisterten war nicht zu entkommen. Bei Temperaturen
von bis zu 40 Grad ließ die Abkühlung nicht lange auf sich warten: Justament
an der ersten Straßenecke tauchte ein Feuerwehrauto auf und übergoss die von
Alkoholdunst umnebelten Feierlustigen mit erfrischendem Wasser. Zweifelsohne
erschwerte dies die Bemühungen der Reinigungskräfte, die Aufräumarbeiten
noch während der Nacht zu beenden.
Eine Woche lang
dauerten die Festlichkeiten. Sportwettbewerbe, Kinderspiele, Straßentheater,
Ausstellungen, Konzerte, Feuerwerke, Tanzabende im Freien für Jung und Alt,
dazu reichlich Tapas, Bier
und Wein. Das Angebot war
schier unüberschaubar! Dass die Spanier andere Essgewohnheiten pflegen als
wir Mitteleuropäer, ist allgemein bekannt. Bis in die frühen Morgenstunden
wurde geschmaust, getrunken und getanzt.
Weit entfernt
vom Tumult des Stadtzentrums spielte sich in der Stierkampfarena ein
anderes, nicht weniger aufsehenerregendes Spektakel ab: "Der Stierkampf ist das Ergebnis eines sich zum Takt einer
ruhigen Musik abspielenden kosmischen Tanzes zwischen dem dunklen Stern des
Stiers und dem hellen Planeten des Matadors"
– mit diesen einprägenden Worten
hatte ich einen Tag zuvor das Museum der "Stierkultur" in Valladolid
verlassen. Unmittelbar an einer Seite der Arena platziert, gab es
überraschende Informationen über die Geschichte des Stierkampfes preis, von den
Ursprüngen im Mittelalter bis ins heutige Jahrhundert. Vor allem beeindruckte mich die
immer wiederkehrende Zahl Drei, als Symbol der Synthese und Vollkommenheit, um die
sich der Kampf offensichtlich dreht. Das zentrale architektonische Motiv
bilden drei konzentrische Kreise, um die herum die
Arenen errichtet werden. Die Kreise enthalten jeweils ihrerseits ein gleichschenkeliges
Dreieck, das an drei Kardinalspunkten ausgerichtet ist. Jeder Matador
verwendet drei Tücher und ist begleitet von jeweils drei Helfern. In einer
Abendshow gibt es in der Regel drei Stierkämpfer und sechs Stiere.
Die Sonne stand
immer noch hoch am Himmel, als ein einäugiger Matador die Arena betrat. "Vor
vielen Jahren durchbohrte ein Stier den Oberkiefer dieses
Mannes. Dabei verlor er das eine Auge", flüsterte mir einer der älteren
Zuschauer mit heiserer Stimme zu. Während Verkäufer Getränke im Publikum
verteilten, bemühten sich die Helfer des Stierkämpfers, das Tier zu
verwunden. Mit häufigen Pfiffen und Buhrufen begleiteten die Zuschauer die
Arbeit der Gehilfen, wenn diese ihrer Aufgaben nur mittelmäßig gerecht
wurden. Allein der Matador parierte mit sicheren Gesten die Angriffe des
Stiers. Als er den Degen für den letzten, tödlichen Stich hob, wurde es
augenblicklich mäuschenstill. Bald war es vorbei. Das Tier lag unbeweglich
am Boden.
Wie auf Kommando erhoben sich die Zuschauer und schwenkten
ihre weißen Taschentücher. Als besondere Trophäe durfte der Matador ein Ohr
und den Schwanz des Stieres abschneiden. Ein Blick ins Programmheft
bestätigte den Erfolg: Mit der neuen Belohnung erhöhte der in der 2014
erstellten Gesamtwertung der Stierkämpfer Erstplatzierte seine
Auszeichnungen auf 60 Ohren und sechs Schwänze. Zu den Klängen des
Blasorchesters drehte der Sieger eine Ehrenrunde. Männer warfen demjenigen,
der den "dunklen Stern nun erhellt hatte", ihre Hüte zu, die Kinder ihre
Kuscheltiere. Mit eleganten Gesten hob der umjubelte Stierkämpfer die
Sachen vom sandigen Boden auf und warf sie den glücklichen Besitzern zurück.
So endete die
von Federico García Lorca als "poetischste und vitalste von allen
Veranstaltungen der vielfältigen spanischen Kultur" bezeichnete Darbietung.
Nach der turbulenten Woche kehrte in Valladolid wieder Ruhe ein. Und damit
nahm auch meine aufregende Urlaubswoche in der Stadt, die als Regierungssitz
der autonomen Region Kastilien und León fungiert, ein Ende.