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Von
Susanne Alt |
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"Wie heißt die Lösung?" – Was ist das Geheimrezept für ein glückliches und erfolgreiches Leben? Diese Frage beherrscht das Dasein Willy Lomans, der Hauptfigur von Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden", das in einer Inszenierung von Eva Hosemann im Salzburger Schauspielhaus gezeigt wird, und treibt ihn schließlich zur Verzweiflung. Die große Karriere, die er sich immer erträumte, hat er nie gemacht. Nach 36 Jahren harter Arbeit für die gleiche Firma, folgte nicht der erwartete Aufstieg, sondern die Kürzung seines Gehalts und schließlich sogar die Kündigung, da allein der Profit zählt und jegliche Menschlichkeit in der Geschäftswelt schon lange verloren gegangen ist. "Tod eines Handlungsreisenden" ist ein Stück, das aktueller nicht sein könnte. Auch ohne große Änderungen am Originaltext trifft es genau die Kernprobleme unserer Gesellschaft, wie die immer härtere und zunehmend unsichere Situation am Arbeitsmarkt und den sich stetig zuspitzenden Wettbewerb und Leistungsdruck, der nicht nur die Wirtschaft, sondern alle Bereiche des Lebens durchdringt. Willy Loman ist ein Opfer dieses Leistungimperativs des Kapitalismus. Jeder muss Erfolg haben, wer es nicht "zu etwas bringt", hat die Schuld allein bei sich selbst zu suchen. Mit einem einfachen Leben, wie es sich sein Sohn Biff auf einer Farm erträumt, kann er sich nicht zufriedengeben, es muss die glänzende Karriere sein, der Aufstieg vom kleinen Mann zum Millionär, nach dem Vorbild seines Bruders Ben, der als Verkörperung des "American Dream" im Cowboy-Hut durch das Haus geistert. Als absolut perfekt für das Stück erwies sich die geniale Konstruktion von Stephan Bruckmeier, dem es gelang, mit Hilfe von dünnen Seilen, die als durchsichtige Wände dienten, das gesamte Haus der Lomans auf die Bühne zu bringen und jedes Zimmer, vom Eingangsbereich bis zu den Schlafräumen im hinteren Teil der Wohnung, gleichzeitig einsehbar zu machen. Man kam sich als ZuseherIn vor, als würde man wirklich durch das Fenster in den Alltag einer Familie sehen. Vor den Augen des Publikums füllte sich das Haus mit Leben und gab seine verborgensten Geheimnisse preis. Gezeigt wurden jedoch nicht nur die aktuellen Handlungen der Lomans, sondern auch die Vergangenheit der Familie, ihre Hoffnungen und Träume, die mit der trostlosen Realität des Hier und Jetzt verschmolzen. Die starren Formen der Zimmer und die standardmäßige Einrichtung, der kein persönlicher Charakter der BewohnerInnen anhaftete, erinnerten an die Austauschbarkeit der Familie Loman und zeigten, dass es sich bei ihrem Schicksal nicht um einen Einzelfall handelt. Wie in einem Container, eingepfercht in Einheitsformen, verbringen die Lomans ihr eingeengtes Leben, im Garten nur eine verdorrte Pflanze, sinnbildlich für die Erfolglosigkeit ihres Daseins. Die enge Verflechtung von Vergangenheit und Gegenwart verlangte den SchauspielerInnen einiges ab. In Windeseile verwandelten sie sich von deprimierten, vom Leben gezeichneten Erwachsenen, in hoffnungsvolle junge Menschen mit Mickey-Mouse-Shirt und Baseballcap. Neben der hohen Geschwindigkeit forderte die Inszenierung vom Ensemble auch stark belastbare Stimmbänder. Ständig gellten ihre Schreie durch den Saal und ließen das Publikum immer wieder zusammenzucken. Ihr Schreien wurde an manchen Stellen sehr gekonnt eingesetzt, sodass einem die Verzweiflung der Figuren durch Mark und Bein ging, manchmal wäre etwas weniger Lautstärke jedoch angenehm gewesen. Besonders ausgeprägte Stimmungswechsel musste dabei Marcus Marotte als Hauptfigur Willy Loman auf sich nehmen. Von einem Moment auf den anderen wechselte er vom erschöpften und trostlosen Vertreter, der langsam verrückt wird, zum optimistischen und stolzen Familienvater, der bis zum Schluss die Hoffnung auf den Erfolg seiner Söhne nicht aufgibt. Hervorragend wie immer war auch Florian Eisner in seiner Rolle als Biff, sei es als jugendliche Footballhoffnung, als verzweifelter Sohn, der seinen Vater beim Seitensprung erwischt oder als wütender Erwachsener, der sein Leben nicht in den Griff bekommt. Ein amüsantes Highlight in der ansonsten eher melancholischen Aufführung war Philip Leenders als Firmenchef Howard Wagner. Mit Anzug, gegelten Haaren, seinem herablassenden Betragen und seiner Besessenheit vom neuen "Nokia N95", stellte er eine äußerst treffende Parodie eines typischen Businessmenschen dar und bewirkte immer wieder Gelächter. Er schaffte es, Willy Loman eiskalt abzuservieren und sich dabei gleichzeitig noch als "guter Kerl" zu präsentieren.
Dass Eva Hosemann in ihrer Inszenierung auf
die letzte Szene des Stückes, die Beerdigung Willys verzichtete, sorgte
dafür, dass die melancholische Grundstimmung des Stückes auch nach dessen
Ende beim Publikum noch lange nachwirkte. Der abrupte Schluss mit dem Klang
des wegfahrenden Autos, gemeinsam mit den Schreien der Familie, im Wissen,
dass Willy dabei ist, sich umzubringen, wirkte um ein Vielfaches tragischer
und intensiver als der Schluss des Originaltextes und ließ die ZuseherInnen
betroffen und erschüttert zurück. |