OC:
Sie haben zunächst Architektur an der Universität "Ion Mincu" in
Bukarest studiert. Dann folgte der Abschluss des Masterstudiums
Bühnenbild an der Nationalen Universität für Theater und Filmkunst
(UNATC). Theater ist eine vergängliche Kunst. Bühnenbild und Kostüme
bleiben bestehen, nachdem die Produktion vom Spielplan genommen wird.
Warum Bühnenbild?
Irina
Moscu: Ich habe mich für das
Theater aus einem sehr persönlichen Grund entschieden. Es war der starke
Wunsch, mit einem geliebten Menschen, der mein Leben während meiner
Kindheit verlassen hat, in Kontakt zu bleiben. Diese unbewusste Geste
der Versöhnung mit meiner Vergangenheit fiel mir sehr spät auf. Mein
Vater war ebenfalls Architekt und Bühnenbildner. In Wahrheit hatte ich
kein Interesse an Bühne und Theater, als ich um Zulassung zum Studium bei
der UNATC ansuchte. Ich war überzeugt, dass ich mich der Filmarbeit
widmen werde. Der Kontakt mit dem "lebendigen" Schöpfungsprozess
faszinierte und ermutigte mich. Ich halte es für vorteilhaft, Theater
und Leben keinen zeitlichen Maßstäben zu unterwerfen. Die Fähigkeit des Theaters, im
Gedächtnis des Zuschauers lebendig zu bleiben, selbst nach Ausklang der
künstlerischen Erfahrung, schätze ich sehr. Das Theater lebt in der
Erinnerung.
OC:
Welche Personen haben Sie geprägt? Ich meine damit nicht nur
Professoren, auch die Menschen, mit denen Sie an Projekten
zusammengearbeitet haben oder deren Arbeit Sie verfolgen.
Irina
Moscu: Dorel Zaica, mein
Zeichen- und Mallehrer am Gymnasium "Nicolae Tonitza", hat meine
Fantasie mit den leidenschaftlichsten und interessantesten
Kreativitätsübungen beflügelt. Von ihm habe ich gelernt, Objekte auf
alle möglichen Arten zu betrachten und Bedeutungen zu entdecken, die die
meisten nicht sehen. Von Dragoş Buhagiar habe ich den Beruf gelernt. Als
seine Assistentin hatte ich die Gelegenheit, ihn Bühnenbilder zeichnen
zu sehen, die Zusammenarbeit mit der Werkstatt, der Bühnentechnik, den
Schauspielern und dem Regisseur zu erlernen. An der Universität habe
ich mit Helmut Stürmers Album am Zeichenbrett gearbeitet. Dann wäre noch
die Fakultät für Architektur mit ihrer Disziplin und Präzision, und
meine Mutter, die sehr schwer zu befriedigen ist (auch sie ist
Architektin). Es gibt viele Künstler, die ich bewundere, die zu meiner
Arbeit beigetragen haben und weiterhin dazu beitragen: Zaha Hadid, Es
Devlin, Dimitris Papaioannou, Jan Pappelbaum, Le Corbusier, Ives Klein,
usw.
OC:
Ihre Vorschläge basieren auf der Idee der Bühnendynamik, auf
Ausstattungen mit beweglichen Elementen. Das Bühnenbild "spielt" in der
Produktion mit. Wie arbeiten Sie mit dem Regisseur, der immer noch eine
zentrale Rolle in der rumänischen Theaterszene einnimmt?
Irina
Moscu: Der kreative Prozess
ist bei jedem Regisseur anders. Es hängt sehr vom gegenseitigen
Vertrauen ab. Ich hege den inneren Wunsch, meine künstlerischen
Bedürfnisse mit denen meiner Mitarbeiter in Einklang zu bringen. Ich bin
zum Beispiel sehr zufrieden mit der kreativen Freiheit, die ich in der
Zusammenarbeit mit Radu Afrim wiederfinde. Wir kreieren beide nach
Belieben, organisch, Schritt für Schritt. Es ist ein intuitiver und
herausfordernder Prozess. Es ist die Art der glücklichen Begegnung, die
ich mit möglichst vielen Regisseuren erleben möchte. Es gibt einige, die
aus dem Bauch heraus arbeiten... Darin liegt auch ein Gewinn. Zu viel
Rationalisierung des kreativen Prozesses kann die Gefühle töten, und
genau diese suchen wir doch auf der Bühne, oder? Einige haben das
Vorurteil, dass wir im Theater von geschönten Wirklichkeiten
(fake products) umgeben sind. Ich bin anderer Meinung.
OC:
Sie haben mit einigen der herausragendsten Regisseure
zusammengearbeitet. Haben Sie einen Regisseur-Typus, den Sie bevorzugen?
Irina
Moscu: Für mich ist ein
ausgewogenes Tandem wichtig. Bei langen Arbeitsbeziehungen mit
demselben Regisseur besteht die Gefahr von Manieriertheit. Ich versuche
dies zu vermeiden, obwohl man nie weiß, wann man Opfer seiner eigenen
Bequemlichkeit wird. Für mich ist die Vielfalt der kreativen Prozesse
wichtig. Das Treffen mit verschiedenen Künstlern ist notwendig, um immer
offen für Neues zu bleiben, um unsere Vorstellungskraft lebendig,
neugierig und experimentell zu erhalten.
OC:
In welcher Beziehungen stehen
Sie zum Text und dem Dramatiker? Was genau aktiviert Ihre Inspiration?
Irina Moscu:
Es geht immer darum, das Wesentliche hervorzuheben: Schlüsselwörter, die sich in
Arbeitskonzepte verwandeln, Bilder, die die vollständige Bedeutung des
Textes enthalten, visuelle Metaphern. Die Beziehung zum Text ist ein
Suchprozess nach der Wahrheit. Gefühle und Emotionen regen meine
Vorstellungskraft an. Sie werden auf Papier in bewusste und unbewusste
Gesten umgesetzt. Alles inspiriert mich: ein Gemälde, ein Detail in
einem Caféhaus, ein Künstler, ein Spaziergang durch die Stadt usw. Im
kreativen Prozess lässt man sich überraschen. Es gibt leider keine echte
Zusammenarbeit der Regisseure mit den Dramatikern, geschweige denn mit
den Bühnenbildnern. Man arbeitet noch daran.
OC:
Sie haben sich auf Bühnenbild
spezialisiert. Erschaffen Sie ungern Kostüme?
Irina Moscu:
Ich liebe es, Kostüme zu erstellen. Meistens zeichne ich für Bühnenbild
und Kostüme einer Produktion verantwortlich. So wird auf der Bühne ein
einheitliches ästhetisches Bild skizziert. Aus dem Bereich der
Architektur stammend, war es für mich eine echte Herausforderung, mit
Textilmaterialien zu arbeiten. Es ist ein anderer Beruf. Ich lerne immer
noch von den anderen, kann jedoch sagen, dass ich mich besser fühle,
wenn ich nicht alle Spielregeln kenne. Die Tatsache, dass man sich oft
in eine unbehagliche Situation begeben muss, wirkt sich positiv auf die
Kreativität aus.
OC:
Welche Beziehung haben Sie zum
Kostümschöpfer?
Irina Moscu:
In meinem Fall beginnt die Kostümgestaltung meistens nach dem
Vorhandensein eines genau definierten Raumkonzeptes. Aus meiner
bisherigen Erfahrung kann ich sagen, dass wir noch nicht gelernt haben,
ein Team zu bilden. Das künstlerische Ego treibt uns an. Wir wollen alle
freie Meinungsäußerung, die sich aber auch nachteilig auf die
künstlerische Leistung auswirken kann. Überraschender Weise garantiert
Kommunikation nicht die besten Ergebnisse, sondern viel wichtiger
ist, auf derselben Wellenlänge zu sein.
OC:
Das Erstellen einer Produktion
umfasst mehrere Arbeitsphasen. Welche bevorzugen Sie? Fällt es Ihnen
schwer, sich von einem Projekt zu trennen?
Irina Moscu:
Ich mag alle Arbeitsphasen. Der Schöpfungsprozess ist wie ein Fluss, in
den man eintaucht und sich von der Strömung tragen lässt. Der Prozess
endet nicht mit der öffentlichen Präsentation. Oft blicke ich auf die Bühne und
wundere mich über meine Entscheidungen. Ich bewerte mich selbst und
überprüfe den gesamten Raum. Ich bin selten zufrieden mit dem, was ich
getan habe und hoffe, dass ich das nächste Mal weniger Fehler machen
werde. Dann beginne ich über andere Möglichkeiten nachzudenken,
insbesondere über die Projekte, die mich inspirieren und meine Neugier
und Fantasie wecken. Mir gefällt am besten die Entwicklungsfähigkeit
eines Projekts nach dessen Fertigstellung. Manchmal macht sich dies in
den nachfolgenden Projekten bemerkbar – es ist ein iterativer Prozess.
OC:
Sie betreiben auch
Theaterforschung. Sie haben im Bereich "Virtuelles Theater" promoviert. Hatten Sie
das Bedürfnis zu theoretisieren?
Irina Moscu:
"Den Theaterraum im Kontext neuer Technologien neu definieren.
Virtuelles Theater" lautet der Titel meiner Doktorarbeit, die ich vor
drei Jahren geschrieben habe. Aus der Sicht des Architekten war ich
immer an der Interaktion zwischen dem zeitgenössischen Theater und dem
Spielraum interessiert. Mir wurde klar, dass sich mit der
Weiterentwicklung des Theaters auch der Raum und die Beziehung zwischen
Publikum und Schauspieler ändern. Wie diese neue Art von Spielraum
aussieht und wie sie mit den neuen Bühnentechnologien (Video, Augmented
Reality, Virtual Reality, Robotics usw.) verbunden werden kann, ist ein
Thema, das mich immer noch interessiert. Das Theater kann mit der
Gegenwart nur dann mithalten, wenn es alle diese neuen Ausdrucksformen
einbezieht.
Aus dem Rumänischen
von Irina Wolf
(Auszug aus dem Originaltext in rumänischer Sprache,
Teil des
Sammelbandes Teatrul.ro 30-Noi nume/Theatre.ro 30 New Entres)