Vasile V.
Poenaru
bardaspoe [at]
rogers.com
geboren
1969, zweisprachig
aufgewachsen, Studium der
Germanistik in Bukarest,
darauf Verlagsarbeit und
Übersetzungen. Lebt
in Toronto.

Ioana Crăciun.
Die Dekonstruktion des
Bürgerlichen im Stumm-
film der Weimarer Republik.
Reihe: Beiträge Zur Neueren
Literaturgeschichte, Dritte
Folge, Band 337), Universitäts-
verlag Winter,
2015, 337 S.
ISBN:
9783825364168
"Seine stumme Botschaft
erreicht uns heute wie eine
Flaschenpost von einem
zeitlich zwar fernen, psych-
ologisch jedoch nahen Ufer
und fordert uns heraus, sie
in die Sprache unserer
eigenen Gegenwart zu
übersetzen."
Schon auf dem Vorderum-
schlag wird vergegenwär-
tigt, wie ein Begriff hinter-
fragt, untersucht, abgebaut,
demontiert, weggetragen
wird, um den Durchbruch
in eine neue Epoche zu
ermöglichen. Es handelt
sich um den im Deutschen
so ungemein wichtigen,
Begriff des Bürgerlichen.
Der Stummfilm macht
ihm den Garaus.
Es geht um Versinnbild-
lichung. Es geht um eine
Erscheinungsform, der sich
zur Zeit der Weimarer
Republik täglich schätz-
ungsweise zwei Millionen
Deutsche hingaben. Es geht
um Einfühlung. Und um
narrative Projektion.
Der Rezipient wird reich-
lich mit Hintergrundinfor-
mationen versorgt – und er
kann sich leicht in die Wei-
marer Zeit versetzen und
sich wenn schon nicht die
besprochenen Filme, so
doch wenigstens die von
der Autorin zweckmäßig
aufgetriebenen Abbildungen
in aller Muße anschauen.
"Jedes Kapitel der vorlie-
genden Untersuchung
ist
thematisch strukturiert und
setzt sich mit der Dekons-
truktion des Bürgerlichen
in den Stummfilmen der
Weimarer Republik aus
einer jeweils anderen
Perspektive auseinander"
Die in der Danksagung her-
vorgehobenen Auslands-
aufenthalte und die damit
verbundene mühsame Forschungsarbeit der
Autorin haben in der
Tat wo hin geführt.
Hier liegt ein nützliches
Handbuch für Fachleute
vor. Man findet sich darin
problemlos zurecht und
gewinnt je nach dem
jeweils spezifischen Inte-
ressenschwerpunkt leicht
einen entsprechenden
Überblick.
Das erste Kapitel dreht
sich um "Die Großstadt und
ihre Psychopathologie",
das zweite um "Die Darstel-
lung der männlichen
Homosexualität".
Dass in Crăciuns Studie
vieles eingeblendet wird,
was der Gesamtperspektive
des mehr oder weniger
beflissenen Lesers bisher
möglicherweise entgangen
war, macht einen wesen-
tlichen Verdienst dieser
Arbeit aus.
|
So
weit entfernt und doch so nah – oder um den Klappentext (und zugleich den
letzten Satz der hier besprochenen "Dekonstruktion" vorwegzunehmen): "aus
naher Zeitferne". Die Weimarer Republik. Genauer gesagt, der Stummfilm der
Weimarer Republik. Akademisch aufgetischt. Szenisch abrufbar. Stets mit
einem wachsamen, interdisziplinär geschulten Blick auf den breiteren
Zusammenhang der Handlung vereinnahmt.
Im jüngsten wissenschaftlichen Band der
Bukarester Germanistik-Professorin Ioana Crăciun wird anhand einer
tiefgründigen Erfassung der Bedeutungsstruktur des Bürgerlichen ein
mannigfaltiges, aus der Analyse des in der bedachten Epoche zum Begriff
gewordenen Massenphänomens namens Stummfilm heraus umrissenes Bild der
Weimarer Republik gezeichnet, das unter einer gelungenen Aufmachung die
intensiven einschlägigen Recherchen der Autorin in Frankfurt am Main, im
Deutschen Literaturarchiv Marbach, in Wiesbaden und in Berlin dokumentiert
und dabei einen im Kontext sinnvollen, dem Stand der Forschung zur Genüge
reichenden Beitrag leisten will – in neuartiger Form, so wie er bisher
noch nicht am Horizont der Filmwissenschaft sichtbar war. Ein hohes Ziel.
Ein tüchtiger Anlauf. Ein stattlicher Zelluloidstreifen-Knäuel.
Um es dementsprechend mit Verweis auf Hugo
Bettauers (in
Crăciuns Studie mitberücksichtigten) Roman "Die freudlose Gasse" griffig
auszudrücken: Was da auf die Akademikerwelt im deutschen Sprachraum und in
transcarpathischen Landen zukommt, ist ein neuer "Stern am Börsenhimmel" der
rumänischen Germanistik, eine klangvolle Studie zur Bildhaftigkeit
vielsagender stummer Szenen und der ihnen beiwohnenden Sprachbilder.
M etaphorisch
sei es denn auch zu verstehen, so die Autorin, wenn sie vom Übersetzen
des Stummfilms der Weimarer Zeit spricht. "Seine stumme Botschaft erreicht
uns heute wie eine Flaschenpost von einem zeitlich zwar fernen,
psychologisch jedoch nahen Ufer und fordert uns heraus, sie in die Sprache
unserer eigenen Gegenwart zu übersetzen. Im Akt dieser metaphorisch zu
verstehenden Übersetzung entdeckt man die unvermutete Aktualität des
Weimarer Stummfilms (...)." Mit so einem "psychologisch nahen Ufer" begibt
sich die Diskussion zwar strenggenommen in begrifflicher Hinsicht aufs
Glatteis, doch dem nahen, fernen Rezensenten kanadischer Ausdrucksweise
soll’s recht sein. Jede kulturwissenschaftliche Flaschenpost wird am
Ontariosee tunlichst aufgefischt, entgegengenommen, beäugelt, entziffert,
kontextuell eingebettet, dekonstruiert, denn ein jedwedes Ufer ist hier
psychologisch nah. Und wenn’s mal ‘ne Flaschenpost über eine Flaschenpost
ist, dann umso besser.
Obige Anweisung ("In Akt dieser metaphorisch zu
verstehenden Übersetzung ...") stellt die Gleise für eine gründliche
Aufarbeitung des großzügigen, hierin mit den Mitteln der akademischen
Darlegung systematisch und kundig vorgestellten Stoffes. Im Laufe der wie in
loser Wechselwirkung zueinander stehenden einzelnen Kapitel, die übrigens
recht gut auch als selbstständige Studien gelesen werden können, wird – ja,
zuviel des Guten – öfters erneut ausdrücklich darauf hingewiesen, dass
die eine oder andere Formulierung metaphorisch (bzw. symbolisch) zu
verstehen sei, was wohl eilfertigen Missverständnissen und
Fehlinterpretationen vorbeugen soll, sich jedoch schon eher als Übermaß an
Erklärungsbedürftigkeit liest. Doch nun zur Handlung, zur Weimarer Zeit, was
jetzt heißen will: zum filmwissenschaftlich-germanistisch festgehaltenen
Wirrwarr der Weimarer Zeit; unmittelbar ins Innerste des Buches.
M an
braucht das Buch eigentlich gar nicht aufzuschlagen, um sachlich drin zu
sein, um sich ein Bild zu machen, ein Bild von der beweglichen Bilderwelt,
um die es hier geht. Schon auf dem Vorderumschlag wird – ein bisschen
oberhalb des in groben Zügen abgebildeten, einen Anflug von geheimnisvoller
Vielseitigkeit ausströmenden Zelluloidstreifens – vergegenwärtigt, wie ein
Begriff auf der schönen Baustelle der Geisteswissenschaften hinterfragt,
untersucht, abgebaut, demontiert, weggetragen wird, um den Durchbruch in
eine neue Epoche zu ermöglichen. Es handelt sich um den im Deutschen so
ungemein wichtigen, erbaulichen, ja identitätsstiftenden Begriff des
Bürgerlichen. Der Stummfilm macht ihm den Garaus.
Dass das Prinzip der Dekonstruktion, in dem
sozusagen sowohl ein Hin als auch ein Zurück waltet, dieser Studie in ihrer
vollen Ambivalenz obliegt, widerspiegelt dabei die asymmetrische
Anordnungsweise des Titel-Syntagmas, dessen vier Zeilen (nur auf dem
Vorderumschlag, denn auf dem Rücken und sonstwo bleibt der Titel in einem
Zustand der Prä-Dekonstruktion verankert, gleichsam jenseits des mutigen
Griffs der Germanistin entrückt, in einer schön konventionellen, linearen
Perspektive aufgehoben) in jeweils unterschiedlichem Abstand eingerückt
sind. Konstruktive Unordnung – oder noch besser: dekonstruktive Ordnung.
Darunter ein Schnappschuss, ein Einblick, ein wenn noch so winziger Teil des
Streifens "Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens" (1921/1922) von F. W.
Murnau, in den man sich nach Belieben hineinlesen darf, ohne unbedingt
gleich in die eine oder die andere Interpretations-Einbahngasse gezwungen zu
werden. Es klingt da so manches an, wenn einer nach einem munteren Ritt
durch den Inhalt der Studie eine Pause zwischen zwei Filmen einlegt und
seinen Blick wieder auf den Umschlag richtet, um womöglich im Rahmen der
linear ansetzenden Lektüre anhand eines sinngemäß inszenierten
paradigmatischen Zusammenbruchs das Wort, Bild und Schweigen ordnende
Prinzip der Perspektivenvielfalt zu erhaschen.
Z u
den Anfängen: Das erste Kapitel dieser Studie ist bereits 2013 unter
dem Titel "Die Dekonstruktion des Bürgerlichen in den Stummfilmen der
Weimarer Republik am Beispiel des Films "Asphalt" (1929) von Joe May" als
Beitrag zur VI. Fachtagung der Konrad-Adenauer-Stiftung (zum Thema "Bürger
und Bürgerlichkeit in der europäischen Literatur") erschienen. Aus den
Stummfilmen der Weimarer Republik wurde der Stummfilm der Weimarer Republik,
was wohl kein Zufall ist, denn dieser Griff lenkt die Aufmerksamkeit des
Rezipienten auf eine Gesamtperspektive, auf eine Gesamtinterpretation, auf
eine in sich zusammenhängende Flaschenpost – und auf den Geist der Weimarer
Republik, den man da womöglich immer noch rauslassen kann.
Aus den vielen verschiedenartigen im Plural
aufgehobenen zeitgemäßen Sichtweisen (bzw. aus den sozusagen wie im
behutsamen Kundschafterstil leisetreterisch-wissenschaftlich gewährleisteten
Sichtungen der einschlägigen Denkweisen) wird ein übergeordneter Bilddiskurs
herauskristallisiert, dem sich die einzelnen Filme unterordnen, so dass aus
vielen Streifen ein Kontinuum, aus vielen Ideen ein Gedanke, aus vielen
divergierenden Verpackungsmöglichkeiten einer auf Zelluloid festgehaltenen
Epoche ein schlüssiges Konzept zutage tritt.
E s
geht hier, wie die Autorin durchgehend deutlich werden lässt, um einen
"symbolisch befrachteten Bilddiskurs". Es geht um Versinnbildlichung. Es
geht um eine Erscheinungsform, der sich zur Zeit der Weimarer Republik
täglich schätzungsweise zwei Millionen Deutsche hingaben. Es geht um
Einfühlung. Und um narrative Projektion, um die Projektion einer Narrative.
Bisweilen zwingt der Satzbau den Leser in eine andersartige, unwillkürliche
Dekonstruktion. Dadurch wird die Wahrnehmung der narrativen Folgerichtigkeit
des Diskurses einigermaßen beeinträchtigt. "In der Zeit der Weimarer
Republik, als nach zeitgenössischen Schätzungen täglich zwei Millionen
Menschen ins Kino gingen, galt vielen deutschen Intellektuellen der Film als
die 'Kokotte' unter den Künsten", lässt die Autorin etwa ihre Studie
lossausen – und macht es sich damit noch schwerer, als es eigentlich hätte
sein sollen. Irgendwas, soweit steht schon bei einem ersten, flüchtigen
Leseversuch fest, hinkt an diesem Satz, an diesem Ansatz. Irgendwas beraubt
ihn seiner intendierten Schärfe, seiner erwünschten Tragweite, seiner in
derartigen einleitenden Standortbestimmungen doch stets so bitter nötigen
begrifflichen Schlagfertigkeit. "Zur Zeit der Weimarer Republik" wäre eine
glücklichere Wendung gewesen, eine Wendung, in der eine gewisse situative
Kontinuierlichkeit sowie auch der iterative Charakter der Erscheinungsform
Kinobesuch besser zum Ausdruck gebracht worden wäre. Und die umständlichere,
unzweckmäßige Formulierung "galt vielen deutschen Intellektuellen der Film
als die 'Kokotte' unter den Künsten" (anstelle von "betrachteten viele
deutsche Intellektuelle den Film als 'Kokotte' unter den Künsten") muss
ebenfalls befremden. Doch wir sind jetzt schon beim Sprachgebrauch
angelangt, wobei es uns erst einmal darum geht, die filmwissenschaftlich
bedachte inwendige Sequenzialität der Weimarer Republik in Augenschein zu
nehmen.
Eine gewisse Unschärfe der methodologischen
Herangehensweise des überaus anspruchsvollen, anregenden und
vielversprechenden interdisziplinären kulturwissenschaftlichen Unterfangens
der Bukarester Germanistin wird u. a. vermittels des Conjunctivus
potentialis reflektiert: "Unschwer ließe sich diese Dekonstruktion des
Bürgerlichen im Sinne einer Hermeneutik der auf Eigentum basierenden
Industriegesellschaft (...) anhand einer Fülle von unterschiedlichsten
Stummfilmen demonstrieren, die sich thematisch und ästhetisch wenig berühren
und lediglich durch ihre schwarz-weiße Stummheit ein und demselben
Kulturphänomen angehören."
D er
Rezipient wird reichlich mit Hintergrundinformationen versorgt – und
er kann sich leicht in die Weimarer Zeit versetzen und sich wenn schon nicht
die besprochenen Filme, so doch wenigstens die von der Autorin zweckmäßig
aufgetriebenen Abbildungen in aller Muße anschauen. Es fehlt dem über
dreihundert Seiten starken Band nämlich ganz gewiss nicht an
Anschaulichkeit, und schon gar nicht an Weltanschauungen.
"Jedes Kapitel der vorliegenden Untersuchung
ist thematisch strukturiert und setzt sich mit
der Dekonstruktion des Bürgerlichen in den Stummfilmen der Weimarer
Republik aus einer jeweils anderen Perspektive auseinander", erläutert Ioana
Crăciun schon in der Einleitung, ohne vorerst zu verraten, was für eine
Bewandtnis es denn mit diesen jeweils anderen Perspektiven habe. Und ehe
man’s sich versieht, starren einen hundert schwarzweiße Figuren aus einem
unendlichen, in sich zusammenhängenden Streifen von einer anderen Zeit
her an: aus der Weimarer Republik.
Man merkt schon, die in der Danksagung
hervorgehobenen Auslandsaufenthalte und die damit verbundene mühsame
Forschungsarbeit der Autorin haben in der Tat wo hin geführt. Zwar fällt es
am Anfang verhältnismäßig schwer, das dekonstruierbare Gestell und die
begriffliche Argumentationslinie aus der in all ihrer zumutbaren Zündkraft
in Angriff genommenen komplexen Struktur des Begriffs des Bürgerlichen bzw.
des Begriffs "Dekonstruktion des Bürgerlichen" zu erschließen, doch die
unverkennbare Folgerichtigkeit zahlreicher einzelner Gedankenzüge und
Darstellungen tut ihre Schuldigkeit. Eine Welt ist wieder da, so richtig da:
eine Welt, die nicht mehr da ist.
Hier liegt ein nützliches
Handbuch für Fachleute vor. Man findet sich darin problemlos zurecht und
gewinnt je nach dem jeweils spezifischen Interessenschwerpunkt leicht einen
entsprechenden Überblick. Die Kontextualisierung im derzeitigen
Forschungsstand zum Film der Weimarer Republik hätte denkbar überzeugender
ausfallen können, nur, dass eine solche hochgelahrte Studie ein bisschen zu
metaphorisch-poetisch und erzählerisch-inventarisierend gerät, ist nun mal
in rumänischen (und in deutschen) Landen wirklich keine so große Ausnahme.
Und wie um dieser unserer sich nun im Keim regenden Kritik der
unzufriedenstellenden wissenschaftlichen Verortung vorzubeugen, dringt aus
dem fernen zeitlosen Hollywood ein zeitgemäß wie sinngemäß angebrachter
relativer Imperativ bis zu uns, zu uns Kanadiern, zu uns Rumänen, zu uns
Österreichern und sonstigen deutschsprachigen Leuten, bis zu unserer
Weimarer Republik, so wie wir sie uns mit gierigen Augen vergegenwärtigen,
wenn wir flugs in den Fluss der Handlung reinspringen, den uns eine
tatkräftige, belesene Germanistin wissenschaftlich-fürsorglich
einbetten will: Tell a simple story.
Besonders wer etwas für das so facettenreiche,
an sich eigenartige und im Rahmen (nicht nur) der deutschen Kulturgeschichte
wesentliche Moment der Weimarer Republik und der aus ihr hervorgegangenen
mutierenden Mentalität und Begrifflichkeit übrig hat, wird sich in einem
solchen Büchlein (um es unvermittelt mit Goethe zu sagen) ein
fundiertes, erzähltechnisch und metaphorisch dekonstruierbares Zuhause
zusammenbasteln wollen. Der Stummfilm der Weimarer Republik, der stumme Film
einer Zeit, in der man noch hundertprozentig hinblicken musste, um die
Handlung mitzubekommen, um in Erfahrung zu bringen, was so alles innerhalb
des Bürgerlichen liegt: Hier kommt er zur Sprache.
I nhaltlich
tut sich recht viel im Rahmen dieser Dekonstruktion. Das erste Kapitel
dreht sich um "Die Großstadt und ihre Psychopathologie", das zweite um "Die
Darstellung der männlichen Homosexualität". Darauf folgen
Auseinandersetzungen mit der Gestalt des Doppelgängers bzw. mit
Kindergestalten und Kinderschicksalen, und das letzte Kapitel ist dem Thema
Verbrechen und Verbrecher gewidmet. Sehr aufschlussreich. Sehr detailliert.
Wohldokumentiert.
Da im Buch selbst kaum hinreichend belegt
wird, ob bzw. inwiefern im Rahmen der jeweiligen Ausführungen der sechs
Kapitel in der Sekundärliteratur vorliegenden einschlägigen Studien Rechnung
getragen wird, darf sich der Rezensent allerdings selber bemühen, das zu
beurteilen, soweit er den nötigen Überblick hat. Freilich: Auf den engen
Gassen der tradierten Germanistik wie auf den moderneren Schnellstraßen der
"German Studies" gibt es so viele, ja sagen wir mal ruhig zu viele Schilder,
auf denen in riesengroßen Lettern immer das Eine zu lesen ist: "Lücken
füllen!" Und dann muss der jüngere wie der ältere Gelehrte angeben, er habe
gerade (mit links) die vielen Schlaglöcher "gefixt", die sich vor den
kulturwissenschaftlichen Scheinwerfern der Forschung, unserer Forschung, der
germanistischen Forschung auftun. Dass in Crăciuns Studie vieles gemächlich
eingeblendet wird, was der Gesamtperspektive des Durchschnittsgermanisten
bzw. des mehr oder weniger beflissenen Lesers in dieser Form bisher
möglicherweise zum Teil entgangen war, wenn er mal nur so, bei sich, oder
eben auf Kongressen und/oder im Seminarsaal "unsere" Weimarer Republik, ihre
stumme Sequenzialität und ihre mutmaßlich dekonstruierbaren Sinnbilder Revue
passieren ließ, macht einen wesentlichen, unter Anwendung der herkömmlichen
Werkzeuge und Messinstrumente der Kritik keineswegs so leicht
quantifizierbaren Verdienst dieser Arbeit aus.
A lles
in allem sind lediglich die in der Einleitung und in den "Abschließenden
Bemerkungen" versprengten Angaben zur strukturellen Einheit und zur
interdisziplinären Zweckmäßigkeit dieser Studie in ihrer begrifflichen
Beweisführung eher vage verankert, dabei immerhin in ihrer metaphorischen
Ausgewogenheit sehr ansprechend geraten. Die mehr oder weniger geheime
Intention, etwa durch ein sprachlich ausgeklügeltes Finis coronat opus der
breit ausgerichteten Untersuchung mehr Schwung zu verleihen (nicht dass sie
das bräuchte), ist und bleibt lobenswert, selbst wenn das Versprechen einer
potenzierten Wirkung in Hinblick auf die Erfassung der zentralen These und
der methodologischen Folgerichtigkeit der einzelnen Kapitel am abschließend
rückblickenden Erwartungshorizont der Bedeutungsstruktur der
"Dekonstruktion" nur zum Teil eingelöst wird. |
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