Klickt
sich einer mal bei Gelegenheit durch die noblen Seiten des Grazer
Feuilletonmagazins schreibkraft hindurch, so blicken ihm vier
offensichtlich zu allem entschlossene Männer entgegen, die von der
Kulturabteilung des Landes Steiermark, dem Kulturamt der Stadt Graz und dem
Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur an die Wand gestellt
wurden: Hannes Luxbacher (Literatur und Gewissen), Werner Schandor
(Herausgeber/Generalsekretär), Andreas R. Peternell (Organisation und
Kritik), Hermann Götz (QM und Leitartikel). Mittäter, Mitverschwörer,
Mitverantwortliche der "langsamsten Redaktion der Welt". Nichtsdestoweniger
schnelle Haudegen auf dem seit je mit erbaulicher Gewissheit wie mit
verunsichernden Fragezeichen durchsäten Schlachtfeld der
Gegenwartsliteratur.
Im Zweifelsfall
weitermachen, hatten sich die paar schreibfreudigen Textmenschen an der Mur
gedacht, die bekanntlich immer wieder mit allerletzten Kräften die Angel des
stilisierenden Schöpfungsdrangs, der feuilletonistischen Sprachgewalt, der
schneidigen Kurzrezension schwingen, um in der Stadt am Plabutsch und rund
um die gute alte Steiermark bunte Sprachereignisse im Netz wie in print
zappeln zu lassen. Sie meinen es ernst, sie meinen es aufrichtig, sie meinen
es im erkenntnistheoretischen, im unterhaltsamen, im diskursiven, im
dialogischen Sinne (das folgende Heft wurde übrigens zum Thema "wie meinen"
ausgeschrieben) – und sie sind mit ihrem Worthandel im Frühjahr 2015 bei
einer magischen Zahl angelangt: drei hoch drei.
Zweifelhaft,
so das Thema der 27. Ausgabe des Grazer Feuilletonmagazins. No doubt: Es
geht darin "von zweifelnder Selbstsuche über unangebrachtes Misstrauen bis
hin zu den philosophischen Kniffen des gehobenen Zweifelns, festgemacht am
guten alten Neffentrick", so Herausgeber Werner Schandor in seinem
Leseratte-Editorial ("Nagende Gewissheiten"). Essays, Feuilletons und
Literatur, Kurzrezensionen: alles wie immer ansprechend und schicklich für
die hochverehrte Leserschaft verewigt, gleichsam aus der Perspektive eines
übergeordneten themengebundenen Konzepts so gut wie nur immer möglich
eingerenkt und im ästhetischen Urteil des Rezipienten beyond a reasonable
doubt festgehalten. Das geht mal besser, mal so und so – aber jedenfalls
geht’s.
"Mich plagen keine Skrupel
noch Zweifel", hatte vor geraumer Zeit ein Doktor aus deutschen Landen in
seinem weit in die Welt getragenen Monolog verkündet. Die schreibkraft-Autoren
hingegen werden in ihrer (sagen wir mal: carthesianischen) Ausgabe geradezu
programmatisch von Zweifeln geplagt (built-in doubt würde sowas im
Englischen heißen), ja in Stefanie Lehrners "Geschichten vom Drachendreck"
ist der Zweifel (in einem erkenntnistheoretisch-organischen und – Hand aufs
Herz – ein klein bisschen schauerlichen Akt der Personifizierung) ein
Schleimpilz, der uns mal allesamt verdauen könnte. Schmackhaft?
Eine
derartige Infragestellung des Prinzips der Infragestellung an sich und für
die Einbettung des menschlichen Wissensdrangs rüttelt an unserem
Selbstbewusstsein als nicht-schleimpilzartige community reflektierender,
lesender, schreibender Lebewesen, an unserer kollektiven Identität. Aber wer
da seine Zweifel hat, muss ja nicht weiterlesen – oder ganz im Gegenteil.
Wollen wir deswegen sicherheitshalber gleich den auf dem Vorderumschlag
schlicht und wirkungsvoll abgebildeten Hammer in die Hand nehmen und ein
vorläufiges Urteil fällen: Alles in Ordnung (um’s schön übersichtlich zu
halten) – und es wird uns sogar eine sehr angenehme Überraschung beschert,
ein hervorragender Text, ein Text, der hervorragt. Helwig Brunner ist unter
dem auf Anhieb sozusagen in der Tat ein klein bisschen zweifelhaften Titel
"Leere Hände" und dem in allen Dingen entsprechenden Untertitel "Über
Dichtung und Wahrheit – und den Zweifel an beidem" ein durchaus
bemerkenswertes Stück allerlebendigster Literaturtheorie gelungen.
Kurz-Poetologie könnte man das nennen. Kurz-Philosophie. Kurz, was uns da so
ungefähr aus der Mitte der schreibkraft zuwinkt, mutet wie ein
unaufdringlicher crash course in creative writing, in Komparatistik, wie
eine längere, wiewohl lediglich in ein paar wenigen Zügen wiedergegebene
Reise in das erhabene Reich der Poesie an, in das Reich der Dichterwelt, der
Leserwelt.
Es ist ein gut
geschriebener zyklischer Exkurs rund um die Fragen der Schreibkraft an und
für sich, der Schreibkraft par excellance. Da steht auch der brav
mitzweifelnde schreibkraft-Rezensent leicht ebenfalls mit (fast)
leeren Händen da, nur den naturgemäß im Akt des Lesens gezogenen Hut in der
Hand. Der letzte Absatz sinnvoll und zielgerecht entleerter "Hände", der
freilich ruhig auch als erster Absatz hätte herhalten können:
"Was wären Gedichte
ohne Zweifel? Aber auch: Was wären Zweifel ohne Gedichte? Das eben noch
gefühlte Gewicht einer Wahrheit, eines Wahrheit enthaltenen
Sprachgebildes, verflüchtigt sich und ich stehe mit leeren Händen da –
wohl die beste Voraussetzung dafür, wieder ein Gedicht zu lesen und
eines zu schreiben."
Wer
sich Gewissheit verschaffen will, wer auf Absolutheit aus ist, wer mit
zwanzig Händen in die Welt der Worte hineinfahren will, wird vor diesen
Textereignissen kehrtmachen. "Wir stehen auf unsere Zweifel", so das schon
im Editorial von Herausgeber Werner Schandor verkündete Credo. Und dass sich
bei der Lektüre dieser methodologisch zweifelhaften Leseerlebnisse
tatsächlich in mancher Hinsicht gut zweifeln lässt, gehört zur Sache. Und um
vielleicht doch noch alle Zweifel ein für alle Mal loszuwerden, schreib’n ma
amol wos, hatten sich ganz bestimmt alle Beiträger des Heftes gesagt. Aber
schee kräftig – und so durch und durch zweifelhaft – soll’s sein.