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Volksoper Wien

Frauen sind trügerisch
...

Duca ist ein Zyniker. Die unschuldige Gilda opfert ihr Leben für ihn, während
er im Schlafzimmer einer anderen singt. La donna e mobile ...?

V
on Martha Schlickenrieder
(25. 11. 2009)

...



Martha Schlickenrieder
dirulihu [at] web.de

geb. 1988 in Aichach,
verbrachte ihre Kindheit in
Bayern und machte dort auch
ihr Abitur. Seit Oktober 2008
studiert sie Kultur- und Sozial-
anthropologie in Wien und
engagiert sich in NGOs für
Entwicklungs- und
Schwellenländer.



 


(c) Volksoper Wien
 

Schon die Vorlage zu
Rigoletto, "Le rois´
amuse", hatte 1832
einen gesellschaftlichen
Skandal ausgelöst. Ein
König als Frauenheld –
was für ein Fauxpas!
 


(c) Volksoper Wien


Am Ende opfert sich
das Mädchen für ihren
Geliebten. Der Auftrags-
killer, den ihr Vater ange-
heuert hat, hält sie für
einen Bettler und tötet
sie anstatt des Duca.



(c) Volksoper Wien

   Mit schnippischem Blick steht der "Duca" (Oliver Kook) auf der Bühne der Wiener Volksoper. Den selbstgefälligen Filmstar nimmt man ihm leicht ab. Die Idee des Regisseurs, den Schauplatz in ein turbulentes Filmset zu verwandeln, erweist sich als kluge Entscheidung. Stephen Langridge versteht den historischen Hof des Herzogs von Mantua zeitgemäß zu adaptieren. Hier wird gedreht, intrigiert und gefeiert: Hofnarr Rigoletto wird zum Garderobier gemacht, die Gräfin gerät zur Hure des Films, der mit seinem Titel "La Maledizione" an die erste und unzensierte Version der Oper erinnert.

Bis die Uraufführung 1851 endlich stattfinden konnte, musste Verdi hart um seinen "Rigoletto" kämpfen. Die Zensur des venezianischen Teatro La Fenice sträubte sich aufs Äußerste gegen seine Darstellung des Königs. Zudem sei Francesco Piaves Libretto zu obszön, Victor Hugos Stoff zu unmoralisch. Schon die Vorlage "Le roi s´amuse" hatte 1832 einen gesellschaftlichen Skandal ausgelöst. Ein König als Frauenheld was für ein Fauxpas! Zwanzig Jahre später ändert Verdi einige Namen, macht den König zum Herzog, gibt dessem buckligen Gehilfen Rigoletto die Hauptrolle und freut sich über sein gelungenes Meisterstück.

   Das Thema bleibt dabei erstaunlich aktuell: Die Dekadenz der Gesellschaft, die ihre Hierarchien auf Geld und Macht begründet und sich dann "exklusiv" nennt. Wer dazugehören will, muss etwas bieten können, vorzugsweise Berühmtheit, Reichtum oder Beziehungen. Regisseur und Dirigent (Manlio Benzi) gehen der Geschichte auf den Grund. Der Duca, ein berühmter Schauspieler, verführt jede seiner Frauen in einer anderen Rolle. Er wechselt sie schnell und gekonnt, wie eine Dame ihr Schuhwerk. Passend zum Outfit ändert er Taktik und Charakter, den Mädchen entsprechend. Wenn nötig, wird er zum unschlagbaren Romantiker. Doch jede Emotion, jeder liebevolle Satz ist verpackt in eine Figur, die das Scheinwerferlicht sucht. Dabei verliert er sich mehr und mehr selbst.

Rigoletto muss zusehen, wie auch seine gutmütige, warmherzige Tochter dem Duca verfällt. Obwohl er Gilda (Jennifer O´Loughlin) strikt von der Außenwelt fern, im Grunde fast gefangen hält, um sie vor diesem Schicksal zu bewahren, trifft sie den Duca dort, wo man ihre Unschuld am wenigsten in Gefahr glaubt: in der Kirche. Sie vertraut dem Charmeur fast wie ihrem Vater. Dieser wiederum ist, neben ihrem Glauben, ihr ganzer Lebensinhalt. Denn obwohl Rigoletto vom Tod ihrer Mutter nichts Genaues wissen will und er Gilda sogar seinen eigenen Namen verheimlicht, lebt seine Tochter nur für ihn. Sie ersetzt ihm die Liebe und Geborgenheit einer Gattin, bietet ihm Zuflucht vor den endlosen Sticheleien seiner Arbeitskollegen. Zum ewigen Narr verflucht bei Langridge aufgrund eines Gehfehlers, in der klassischen Version eines Buckels wegen , ist er das Gespött der Leute. In der High Society, die er eine "zynische Gesellschaft" schimpft, steht er nur am Rand.

   Gilda ist sein wahres Zuhause. Sie lebt voll Unschuld im stillen Glück, bei ihr darf er Mensch sein. Zudem singt sie lupenreine, sehnsuchtsvolle Koloraturen, mit denen sie nicht nur ihren Vater, sondern auch das Publikum verzaubert. Die Oper strotzt vor Tonmalerei. In nur wenigen Werken wird man die Schnüre zwischen Text und Musik so eindeutig verknüpfen können. Die Melodieführungen der Duette sind, je nach Stimmung, wunderbar ergänzend oder kontrastreich. Ein immer wiederkehrendes "c" verkörpert den Fluch, der auf eine subtile Weise allgegenwärtig bleibt, "des-moll" ist die Tonart der Klage.

Das abgeschiedene Leben, zu dem der Vater sie bestimmt hat, ist dem Mädchen auf Dauer freilich nicht genug. In dem Gefühl unerträglicher Enge, das sie umgibt, wirft sie sich in die Arme des Duca. Für ihn, ihren Geliebten, wird sie sich am Ende auch opfern: Der Auftragskiller, den ihr Vater angeheuert hat, hält sie für einen Bettler und tötet sie anstatt des Duca. So stirbt am Ende die mit dem größten Herzen. Sie, die von der selbstgefälligen Gesellschaft am wenigsten eingenommen ist, fällt ihr zum Opfer. Für Rigoletto bricht damit eine Welt zusammen. Der Fluch, den ihm der Graf von Monterone auferlegt hat, erfüllt sich im tragischsten Ausmaß: "Alles ist nun vernichtet!"

   Die moderne Inszenierung will nicht gezwungen revolutionär sein. Sie muss sich nicht um Aktualität bemühen und weiß das auch. Selbstbewusst stellt sie die Dinge dar, wie sie eben sind. Zeitgemäß und klar zu verstehen: "Wenn ich boshaft bin, habt ihr die Schuld zu tragen". 

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