......
Von
Tina Karolina Stauner |
... |
I n der Reihe Lyrik Kabinett München ist im heurigen Frühjahr der Gedichtband "Scheunen im Gelände" von Jürgen Becker erschienen. Ein weißes Buch, das in Karton aus zwei Farbfeldern, blau und rot, gebunden ist. Darauf silbrigweiße Typografie.In seinem Nachwort dazu erinnert Michael Krüger, bezogen auf Beckers Lyrik, an Hugo von Hofmannsthals Vortrag "Poesie und Leben" aus dem Jahr 1896 und dabei an dessen Satz: "Eine neue und kühne Verbindung von Worten ist das wundervollste Geschenk für die Seele." "Scheunen im Gelände" dokumentiert autobiografisch Gefärbtes des 80-jährigen Becker, der über 40-jährige Erfahrung im Umgang mit Lyrik hat. Und die künstlerische Avantgarde der 50er Jahre mit Stockhausen, Kagel, Vostell und anderen kannte und in den 60ern zur Gruppe 47 eingeladen wurde. Becker war auch zeitweilig Lektor, Verlags- und Hörspielleiter. H insichtlich der Bedeutung der Vergangenheit hält Becker das Schreiben für einen "archäologischen" Vorgang. Es gehe darum, verschüttete Erinnerungen hervorzuholen. Eigene und beim Leser. Eine der Stärken dieses Lyrikers beschreibt Krüger aber so: Seine Gedichte "bleiben über die Zeit hinweg offen". Genau in der Fähigkeit, im Bewusstseinsvorgang Schreiben eine Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft herzustellen und zu präsentieren, liegt eine Qualität.Die Gedichte in dem Buch sind inspiriert und ergänzt durch Collagen von Rango Bohne, Beckers Ehefrau. Man kann es ein Korrespondenz-Buch nennen. Becker schätzt die Impulse, die aus Bohnes visueller Arbeit kommen. In ihren Bildern entstehe ein unmittelbarer, authentischer Ausdruck, der nichts mit der vorgefundenen Bilderwelt zu tun habe, "vergleichbar mit meinem Arbeiten", so teilt Becker dem Neuen Evangelischen Kirchenverband Köln kürzlich anlässlich einer Lesung und Ausstellung in der Trinitatiskirche im Gespräch mit.D ass es den Wert der Natur gibt. Einer unzerstörten Natur. Klar zu spüren in den Gedichten von "Scheunen im Gelände". Aber auch, dass dies wenig selbstverständlich sein kann und ist, dass man möglichst präzise darauf aufmerksam machen muss.Auch dass diese Naturerfahrung eine Grenzerfahrung ist oder werden kann in gefährdetem Terrain und Leben, das angreifbar ist und angegriffen ist. So wirken auch die Collagen von Rango Bohne, die mit den Gedichten korrespondieren. Bilder, die Naturstücke sind. Realismus, in dem man dann aber verschobene Teilstücke wahrnimmt. Nicht zusammenstimmende Kanten, plötzliche, leichte oder starke Farbbrüche. Gerade noch im Stimmigen. Aber eben keine Spur romantisch, sondern poetisch gebrochen. O hne Brüche ist auch bei Becker nichts. Manche Figuren in den Gedichten leben damit, manchen gelingt dies nicht. Menschen, in deren Natur etwas eingedrungen ist, das bis an die Grenzen des Ertragbaren strapaziert. Auch bis zu einem worst case, wie etwa Krieg, und danach ganz am Leben scheitern. Oder in der Kunst mit allem umgehen.Ironisch Gebrochenes meint Becker nicht. Kein "naturgemäß" in einem Thomas Bernhardschen Sinn. Sondern Klarheit, Ruhe, Reinheit, in der der Mensch noch natürlich oder ungeblendet eine Chance haben sollte. Sollte. Denn Beckers Gedichte handeln davon, dass eben genau dies nicht selbstverständlich oder unmöglich ist. "Der rasanten Veränderung der Welt hält Becker trotzig sein stilles Bild der Welt entgegen", ergänzt Krüger.
Was man liegen läßt, im Vorbeigehen, später [...] weiße Flächen berühren den Waldrand [...] Nach ihrer Zeit mit den Surrealisten Der Waldrand steht still. |