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Ein Amerikaner in Berlin
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Michael Schottenberg inszeniert das Musical "Cabaret". (Volkstheater Wien)
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V
on Kristina Werndl
(01. 04. 2007)

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Kristina Werndl
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kristina.werndl [at] gmail.com

ist Redakteurin des
Aurora-Magazins.




(c) Lalo Jodlbauer

 


(c) Lalo Jodlbauer

 


(c) Lalo Jodlbauer


Linktipp

www.volkstheater.at
 

Aurora-Tipp

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Theaterbesprechungen

   Schottenberg ist ein Verfechter von Symbolen: Seit seiner mittlerweile eineinhalbjährigen Intendanz prangt ein roter Stern am Dach des Volkstheaters, sind die verschiedenen Nebenspielstätten in Rot getaucht. Seine vorletzte Arbeit, Nestroys Revolutionsposse "Freiheit in Krähwinkel", war in stark stilisierter, mitunter schon simplistischer Manier ausgeführt. Anders als etwa Martin Kušej, der zusammen mit seinem Bühnenbilder Martin Zehetgruber ebenfalls den starken Bildern nachjagt, aber zu eigenwilligeren und komplexeren Lösungen gelangt, bedient sich Schottenberg bevorzugt des historischen, fix verankerten Formelarsenals. In "Cabaret" liegt er damit goldrichtig.

Es ist eine stilsichere und passgenaue Inszenierung. Ihre Qualität liegt zum einen in der handwerklichen Perfektion (Choreographie: Susa Meyer), zum anderen in der Deutlichkeit das Aussage. Nichts wird verschlüsselt: Ein Hakenkreuz ist ein Hakenkreuz, ein Judenstern ein Judenstern.

   Handlungsschauplatz ist die dekadente Metropole Berlin um 1930 (Bühne: Hans Kudlich, Kostüme: Erika Navas), in der sich der junge amerikanische Schriftsteller Clifford Bradshaw (Raphael von Bargen) in das dreiste englische Showgirl Sally (Maria Bill) verliebt. Inmitten der Gesellschaft, die es nicht wahrhaben will, beginnt sich die braune Ideologie zu formieren und bahnt sich ihren durch die Geschichte bekannten Weg. Auf der Strecke bleibt die aufkeimende Liebe zwischen der Pensionsbesitzerin Fräulein Schneider (hervorragend und stimmfest: Hilde Sochor) und dem jüdischen Delikatessenhändler Herrn Schulz (berührend: Heinz Petters). In einer köstlichen Arie auf die Ananas gelangt dieses hochbetagte Paar zu ganz eigenen Ekstasen.

Wie alle Figuren im Stück sind sie nicht schwarz-weiß gezeichnet, sondern haben Fehler und Macken. So siegt Fräulein Schneiders vorauseilende "Vernunft" über ihre Regungen, erweist sich Clifford als ein kulturblinder Kindskopf mit Männlichkeitsattitüden, der Sally gegen ihren Willen "home" in die USA führen will. Maria Bill spielt diese Sally sehr überzeugend. In jugendlichem Elan flitzt sie über die Bühne, und wenn sie ihre koketten Variete-Nummern darbietet, dann gesellt sich zu ihrer tollen, erotischen Präsenz eine phänomenale Stimme. Raphael von Bargen ist stimmlich blass, gibt aber ein nettes Saxophon-Solo zum Besten.

   Das ganze Ensemble überzeugt: der Nazi Ernst Ludwig (Peter Becker), die ordinäre, matrosenfressende Mieterin Fräulein Kost (Heike Kretschmer), die Girls des Kit-Kat-Klubs (Rita Sereinig, Katarina Hartmann, Katharina Straßer, Doris Weiner, Annette Isabelle Holzmann, Andy Hallwaxx), die Bühnenmusiker. Gesanglich und pantomimisch herausragend ist Marcello de Nardo als Conférencier. Vor der Pause schrill und androgyn, steht er am Ende des Stückes wie nackt auf der leergeräumten Bühne mit einem schwarzen Judenstern auf der weißen Brust. Bilder wie dieses – oder jene letzte Einstellung vor der Pause, als das Publikum plötzlich von den Stimmen und Symbolen der neue Machthaber umzingelt ist – heben diese Inszenierung auf ein Niveau, dem mit dem Terminus "Unterhaltungstheater" nicht Genüge getan ist.

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