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Von
Kristina Werndl |
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Wird sich der eigenwillige Ton der Prosa-Texte auf einen Theater-Text übertragen lassen? Wird der Humor-Funke ebenfalls zünden? Dinevs "Haut und Himmel" ist die erste Bühnenproduktion der "wiener wortstaetten". So nennt sich das 2005 von Hans Escher und Bernhard Studlar ins Leben gerufene interkulturelle Autorentheaterprojekt, das die Auseinandersetzung und Vernetzung zwischen Autoren fördern möchte. Ausgehend von in Wien lebenden, aus Osteuropa stammenden Autoren soll sich, so ist die Idee, im Lauf der Jahre ein internationales Netzwerk bilden, um einen Austausch zwischen den Kulturen herzustellen und ein Zentrum für zeitgenössische europäische Dramatik in Wien zu etablieren. Dinev lässt sein Stück in jenem Milieu der Kleinkriminellen und Kriegsversehrten spielen, in dem auch seine Erzählungen angesiedelt sind. Der Schauplatz ist allerdings diesmal nicht Wien, sondern ein Schlachtfeld oder Friedhof im ehemaligen Jugoslawien, wo Krieg herrscht und eine Leichenfledderin mit West-Träumen (Sonja Romei) und ein verletzter, desillusionierter Soldat (Heinz Weichselbraun) aufeinander prallen. Die Begegnung verläuft ruppig, zunächst spricht die Pumpgun. Erst allmählich entspinnt sich ein Gespräch zwischen dem Soldaten und dem Mädchen. Es kommt zur beiderseitigen Annäherung. Der gebürtige Bulgare Dinev hat selbst als junger Mann in der Armee dienen müssen. Er hat nach seiner Flucht nach Österreich 1990 die verschiedensten Berufe und Milieus kennen gelernt, Traiskirchen ebenso wie später die Welt der Kulturschickeria. Vom Balkan und einem oral geprägten Erzählstil leben seine Texte, deren Protagonisten vom milden Licht eines aus harter Erfahrung entsprungenen Humors beschienen werden. In "Haut und Himmel" funktioniert dieser sympathetische Zugang zu den Figuren nicht, weil für die Bühne der Erzähler der Story eliminiert wurde und Dinev keine Strategie findet, dieses Manko auszugleichen. Eben dieser Erzähler mit seiner lakonisch-liebevollen Distanz zu den Dingen und seinen mitunter herrlichen platten Wortwitzen ist charakteristisch für Dinevs Prosa, er taucht das Erzählte in ein magisches Licht, das den fragwürdigen, durch ihr Schicksal geprüften Gestalten Wert und Wertschätzung verleiht. In "Haut und Himmel" ist das Magische verschwunden, die bekannten Themen und Motive wirken auf die Bühne gebracht – und nicht durch einen Erzähler vermittelt – unangenehm platt. Die Exotik ist eine aufgesetzte, durch Verkleidung erkämpfte, und keine, die direkt aus den Worten spricht. Kostümbildner Renato Uz lässt den verletzten, mit Hunderten Tattoos übersäten Soldaten in einem zerschlissenen Brautkleid und Pumpgun in der Hand auftreten. Ein starkes Bild, das aber nicht näher motiviert ist. Am ehesten vermittelt sich die Exotik in Koloman Polaks Musik, wo flirrende Pianoklänge mondene Mystik über den Leichenplatz ausschütten. Die zurückhaltende Regie (Hans Escher; Bühne: Erich Sprenger) arbeitet filmisch mit schwarzen Abblenden, um das Vergehen der Zeit zu signalisieren. Wie der Stücktitel nahe legt, ist die Haut darin ein entscheidendes Requisit: Der Soldat ist eine wandelnde Litfasssäule. Seine Haut ist der Spiegel seiner Seele, Topografie seiner Wünsche und Begierden: Auf seinem Rücken finden sich die Freiheitsstatue und ein Paradies ohne Menschen, auf seinem Allerwertesten Engel mit Flügeln, die in besonderen Momenten zu schlagen beginnen, auf seiner Brust die Namen der Verflossenen. "Was dich glücklich macht, kommt von Außen", meint er; die Haut ist die Grenze zum faulenden Unrat im Körperinnern. Warum das Publikum so begeistert klatschte, blieb ein Rätsel. Abgesehen vom Ende, wo ein herrenloser Soldat (Sebastian Wendelin) hinzutritt, der sich durch die nackten Brüste der Frau – auch im wörtlichen Sinne – entwaffnen lässt, plätschert das Stück fade dahin. Das Geschlechterbild, das vermittelt wird, ist im Wesentlichen aus Dinevs Prosa bekannt: die Frau hart und gewieft, aber für Gefühle zugänglich. Soll es das gewesen sein? Die Männer gelingen Dinev deutlich besser; auch in seinen Erzählungen sind sie ja die Hauptfiguren. Ein schwacher
Theaterabend. Die Farce "Austria goes to Ausland" des 1965 in Ex-Jugoslawien
geborenen Laslo Vince, die ebenfalls im Rahmen der "wiener
wortstaetten" entstanden ist und Themen wie Migration, Terrorismus und
Überwachung verhandelt, hätte eine solch große Bühnenproduktion viel eher
verdient. |