Kristina Werndl
.kristina.werndl [at] gmail.com
ist Redakteurin des
Aurora-Magazins.
Web-Tipps

Volkstheater /
Hundsturm
www.volkstheater.at

Ukrainische Literaturtage
bzw. Kulturwochen
www.kulturkontakt.or.at

(c) Diogenes
Andrej Kurkov
www.kunsthallewien.at

(c) Droschl
Oksana Sabuschko
www.droschl.com

wiener wortstaetten
www.wienerwortstaetten.at
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Theaterbesprechungen
in der Aurora
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In
Wien kommt man nicht umhin zu bemerken, dass es in Österreich mehrere
nebeneinander existierende Literaturen bzw. Literaturszenen gibt. Vom 19.
bis 21. Oktober liefen in der Kunsthalle am Karlsplatz die Ukrainischen
Literaturtage: Sieben ukrainische SchriftstellerInnen lasen aus ihren
Werken, darunter Speerspitzen wie der auf Russisch schreibende Kiewer Autor
Andrej Kurkow und Oksana Sabuschko, deren unlängst bei Droschl erschienene
"Feldstudien über Ukrainischen Sex" auch hierzulande große Beachtung
gefunden haben.
Im Hundsturm, einer
Nebenspielstätte des Volkstheaters mit Berliner-Alternativszene-Schick,
waren am 21. und 22. Oktober die wiener wortstaetten zu Gast. Dieses
interkulturelle Autorentheaterprojekt wurde 2005 von Hans Escher und
Bernhard Studlar ins Leben gerufen, um die Auseinandersetzung und Vernetzung
zwischen Autoren und Autorinnen zu fördern. Ausgehend von in Wien lebenden,
aus Osteuropa stammenden Autoren soll sich im Lauf der Jahre ein
internationales Netzwerk bilden, um so einen Austausch zwischen den Kulturen
herzustellen und ein Zentrum für zeitgenössische europäische Dramatik in
Wien zu etablieren.
Unter Anleitung von Hans
Escher und Bernhard Studlar schrieben die unterschiedlich bekannten
AutorInnen ihr jeweils erstes Theaterstück – auf Deutsch. Die Ergebnisse
wurden in szenischen Lesungen präsentiert.
Der 1982 geborene
Anwar Kashlan ließ mit der Adoleszenz-Posse "Tausche Herkunft" aufhorchen,
wo der arabisch-israelische Konflikt den Frieden in einem Tiroler Bergdorf
zu vergiften droht. Das Stück ist angenehm direkt, nennt Dinge und Personen
beim Namen und flüchtet sich nicht in jenes metaphysische Dunkel, das in
einigen Stücken der jungen Erfolgsdramatiker Bärfuss und Schimmelpfennig
dominiert. Hervorragend Sebastian Wendelin als Herr Kalauwi, der erst nach
einem persönlichen Unglücksfall über den Schatten seiner Vorurteile springen
kann. Das Stück hat volksstückhafte Züge, Sprache und Handlung sind
holzschnittartig, innerhalb des Bekannten, was in Kombination mit dem comic-
und tarantinoinspirierten Ende einen ganz eigenen Reiz entfaltet. Ingesamt
profitiert es ungemein vom Provisorischen der Inszenierung (Einrichtung:
Katrin Hiller).
Weniger ergiebig "Das
Stück" der Bosnierin Alma Hadzibeganovic, die das Machotum und Frauenbild
halbseidener Männer und die "freiwillige" Selbstaufgabe der Frau in so
mancher interkulturellen Beziehung ausstellt. Über gelungene
Milieuschilderungen Ottakrings hinaus, für die das beherzt spielende
Ensemble (Katharina Strasser, Raphael von Bargen, Michael Smulik, Claudia
Sabitzer und Rainer Doppler) mitverantwortlich zeichnete, bewegt sich
Hadzibeganovics Beitrag auf vom Fernsehen schon zu ausgetretenen Pfaden und
ist in seinem oberflächlichen Realismus allzu leicht konsumierbar.
Die
den Abend beschließende Lesung (Sonja Romei, Heinz Weichselbraun) aus
Dimitré Dinevs Deuticke-Bucherfolgen "Engelszungen" und "Ein Licht über dem
Kopf" gipfelte in einem allgemeinen Gurkensuppefassen. Die kalte Suppe, die
Dinev zu den heißen Klängen einer Balkanmusik-Combo servierte, verwandelte
den schöpfkelleschwingenden Dichter vorübergehend in einen Hohepriester
Bulgarischer Esskultur. Der Abendmahlgemeinde mundete es sichtlich. Dinevs
wortstätten-Produkt "Haut und Himmel" hat am 5. Dezember im Theater Rabenhof
Premiere. Im April 2007 folgt die Burgtheater-Auftragsarbeit
"Das Haus des Richters".
Am folgenden Tag stellten
sich die Autoren der Saison 2006/07 vor (unter anderem Michal Hvorecky,
dessen Theaterfassung seines viel besprochenen Romans "City" im Jänner 2007
in Bratislava uraufgeführt wird). Außerdem las man die Farce "Austria goes
to Ausland" des 1965 in Ex-Jugoslawien geborenen Laslo Vince: Durch einen
interstellaren Zwischenfall ist Österreich für 24 Jahre in Dunkelheit
getaucht. Eine kleine Gruppe österreichischer Flüchtlinge macht sich
daraufhin auf den Weg auf die Sonnenseite des Planeten zurück ins Licht. Die
Parabel, die in vielem an Nestroy erinnert, verhandelt Themen wie Migration,
Terrorismus und Überwachung, aber auf so eigenständige, witzige und
geglückte Weise, dass man nur hoffen kann, dass dieses Stück schleunigst das
Licht der Bühnenwelt erblickt!
Eine aufregende, rundweg
gelungene Veranstaltung. Das zweite Autorenwochenende im Jänner gilt Polen,
im März folgt Frankreich. |
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