Hat man sich in eine
Ausstellungshalle für Designküchen oder in ein Fernsehstudio verirrt? Eine
modernistische Alu-Küchenzeile zieht sich quer über die Bühne, die
erwartbaren Accessoires sind zu sehen: Siebe, Schüsseln, dampfende Töpfe,
darüber ein Flachbildschirm, in dem eine trendige Kochshow läuft
(Ausstattung: Nina Wetzel). Abgetrennt vom Zuschauerbereich und gleichzeitig
in den Fokus gerückt ist dieser Lebensraum durch einen Vorhang aus Schnüren,
der einen leicht verstellten Blick ins Innere, ins traditionelle Zentrum
weiblichen Lebens: die Küche gewährt.
Dort, wo Gerüche wie
Gerüchte ihre Heimstätte haben, haben sich fünf schicke Muslimas (Sachiko
Hara, Dorothee Hartinger, Pauline Knof, Adina Vetter, Michael Masula) zum
gemeinsamen Tagine-Kochen versammelt. Der Geruch kitzelt den Zuschauer im
Stückverlauf immer stärker in der Nase und lässt ihn hungrig zurück, während
die Figuren am Schluss ihr Mahl einnehmen – eigenartigerweise mit Wein, was
nicht ganz zur muslimischen Tradition passen will. Stimmig dagegen die
chillige Musik Tomek Kolczynskis, wo sich die Klänge des Donauwalzers in
orientalischen Tönen verlieren und aus diesen wiederum Anklänge an die
zutiefst österreichische Melodie erwachsen.
Regisseur Lars-Ole Walburg
hat die Positions-Monologe, welche aus den Äußerungen junger orthodoxer
Muslimas aus Deutschland entstanden sind, auf fünf gekürzt; hinter jeder
Figur steht eine Frau. Dass eine Rolle von einem Mann gegeben wird, ist
nicht weiter irritierend, da Haltungen deklamiert, nicht eigentlich
identifikatorisch vorgespielt werden. Bühnentechnisch sind diese Monologe
überzeugend gelöst: Die bewegliche Küchenzeile, um 90 Grad gedreht, dient
als Laufsteg, auf dem die Figuren vor den Vorhang treten, sich in Positur
bringen und ordentlich Dampf ablassen. Nicht zuletzt durch die suggestiven,
musikalisch begleiteten Videoprojektionen (Sebastian Dupouey) fühlt man sich
an Nikolas Stemans Jelinek-Inszenierungen erinnert. Man ist mit Bildern
konfrontiert, deren symbolische Aufladung ihre konkrete Bedeutung völlig
überlagert. So sind in einem Video ganzkörperverschleierte Frauen zu sehen,
die sich unverwandt auf den Zuschauer zubewegen – Kanak Attack kann man
assoziieren, so der Titel von Lars Beckers Verfilmung von Zaimoglus Roman
"Abschaum".
Ähnlich wie in Jelineks
jüngsten Stücken kotzen die Figuren ihren Textschwall förmlich heraus; ihre
Botschaft ist deutlich: "Ich bin schwer für Dschihad", oder:
"Es lebe der Gottesstaat!" Es geht um Alltagserfahrungen,
Jungfräulichkeits-, Glaubens- und Garderobefragen.
"Diese
Frauen sind Teil einer 'popkulturellen
Hardcore-Bewegung'", erklärt Zaimoglu im
Standard-Interview. "Die 'schwarzen Jungfrauen' sind
nicht bloß Geschöpfe ihrer Fantasie, sie bedienen sich auch eines reichen
Bildervorrats: Denken Sie an die 'schwarzen Witwen',
vergast im Moskauer Theater." Die am meisten auf religiöse Reinheit
bedachten Fanatikerinnen seien eben Teil und Produkt der vorgeblich
"schmutzigen" Westkultur.
Dass Zaimoglu nicht
schwarz-weiß zeichnet, kein Lager-Denken verfolgt, dass er sich
problematische Botschafterinnen sucht, die im öffentlichen Diskurs nicht zu
Wort kommen, macht das Stück spannend und aktuell – nicht nur jetzt im
Ramadan. |