Über die Aurora

Aktuelle Ausgabe

Frühere Ausgaben

Suche

   Schwerpunkte    Theater     Kulturphilosophie     Belletristik      Literatur     Film     Forschung    Atelier     Musik  

......
Politische Kochshow
...

Österreichische Erstaufführung von Feridun Zaimoglus und Günter Senkels Islam-
Stück "Schwarze Jungfrauen". (Kasino am Schwarzenbergplatz, Wien)

Von Kristina Werndl
(08. 10. 2007)

...



Kristina Werndl
kristina.werndl [at] gmail.com

ist Redakteurin des
Aurora-Magazins.
 



(c) Reinhard Werner
 


(c) Reinhard Werner
 


(c) Reinhard Werner
 

 

Weitere
Theaterbesprechungen

   Hat man sich in eine Ausstellungshalle für Designküchen oder in ein Fernsehstudio verirrt? Eine modernistische Alu-Küchenzeile zieht sich quer über die Bühne, die erwartbaren Accessoires sind zu sehen: Siebe, Schüsseln, dampfende Töpfe, darüber ein Flachbildschirm, in dem eine trendige Kochshow läuft (Ausstattung: Nina Wetzel). Abgetrennt vom Zuschauerbereich und gleichzeitig in den Fokus gerückt ist dieser Lebensraum durch einen Vorhang aus Schnüren, der einen leicht verstellten Blick ins Innere, ins traditionelle Zentrum weiblichen Lebens: die Küche gewährt.

Dort, wo Gerüche wie Gerüchte ihre Heimstätte haben, haben sich fünf schicke Muslimas (Sachiko Hara, Dorothee Hartinger, Pauline Knof, Adina Vetter, Michael Masula) zum gemeinsamen Tagine-Kochen versammelt. Der Geruch kitzelt den Zuschauer im Stückverlauf immer stärker in der Nase und lässt ihn hungrig zurück, während die Figuren am Schluss ihr Mahl einnehmen – eigenartigerweise mit Wein, was nicht ganz zur muslimischen Tradition passen will. Stimmig dagegen die chillige Musik Tomek Kolczynskis, wo sich die Klänge des Donauwalzers in orientalischen Tönen verlieren und aus diesen wiederum Anklänge an die zutiefst österreichische Melodie erwachsen.

   Regisseur Lars-Ole Walburg hat die Positions-Monologe, welche aus den Äußerungen junger orthodoxer Muslimas aus Deutschland entstanden sind, auf fünf gekürzt; hinter jeder Figur steht eine Frau. Dass eine Rolle von einem Mann gegeben wird, ist nicht weiter irritierend, da Haltungen deklamiert, nicht eigentlich identifikatorisch vorgespielt werden. Bühnentechnisch sind diese Monologe überzeugend gelöst: Die bewegliche Küchenzeile, um 90 Grad gedreht, dient als Laufsteg, auf dem die Figuren vor den Vorhang treten, sich in Positur bringen und ordentlich Dampf ablassen. Nicht zuletzt durch die suggestiven, musikalisch begleiteten Videoprojektionen (Sebastian Dupouey) fühlt man sich an Nikolas Stemans Jelinek-Inszenierungen erinnert. Man ist mit Bildern konfrontiert, deren symbolische Aufladung ihre konkrete Bedeutung völlig überlagert. So sind in einem Video ganzkörperverschleierte Frauen zu sehen, die sich unverwandt auf den Zuschauer zubewegen – Kanak Attack kann man assoziieren, so der Titel von Lars Beckers Verfilmung von Zaimoglus Roman "Abschaum".

Ähnlich wie in Jelineks jüngsten Stücken kotzen die Figuren ihren Textschwall förmlich heraus; ihre Botschaft ist deutlich: "Ich bin schwer für Dschihad", oder: "Es lebe der Gottesstaat!" Es geht um Alltagserfahrungen, Jungfräulichkeits-, Glaubens- und Garderobefragen.

"Diese Frauen sind Teil einer 'popkulturellen Hardcore-Bewegung'", erklärt Zaimoglu im Standard-Interview. "Die 'schwarzen Jungfrauen' sind nicht bloß Geschöpfe ihrer Fantasie, sie bedienen sich auch eines reichen Bildervorrats: Denken Sie an die 'schwarzen Witwen', vergast im Moskauer Theater." Die am meisten auf religiöse Reinheit bedachten Fanatikerinnen seien eben Teil und Produkt der vorgeblich "schmutzigen" Westkultur.

   Dass Zaimoglu nicht schwarz-weiß zeichnet, kein Lager-Denken verfolgt, dass er sich problematische Botschafterinnen sucht, die im öffentlichen Diskurs nicht zu Wort kommen, macht das Stück spannend und aktuell – nicht nur jetzt im Ramadan.

Ausdrucken?

....

Zurück zur Übersicht