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Eine Ode ans Chlorophyll
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Der österreichischen Erstaufführung von Händl Klaus’ Stück mit dem klangvollen Namen
"Dunkel lockende Welt" scheinen einige Probleme vorangegangen zu sein. (Burgtheater Wien)

Von Kristina Werndl
(05. 12. 2006)

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Kristina Werndl
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kristina.werndl [at] gmail.com

ist Redakteurin des
Aurora-Magazins.

 

 


(c) Burgtheater

 

 


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www.burgtheater.at

 

 

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Theaterbesprechungen

   Erst wird die Premiere verschoben, dann finden sich weder der Name des Regisseurs Tom Kühnel noch der Bühnenbildnerin Etienne Pluss oder der Kostümbildnerin Nina Wetzel im Programmheft. Dem Zuschauer konnte es egal sein: Er bekam eine merkwürdig schwebende, dem Bizarren nachfühlende Aufführung zu sehen, mit Figuren, deren gedämpfte Exaltiertheit auf unbekannte Tiefenschichten schließen lässt.

Ein etwas linkischer Junggeselle (Johann Adam Oest) kehrt nach einjähriger Abwesenheit in seine Wohnung zurück. Die Dielen sind blank, die Wände klinisch weiß, die Frau Doktor (Regina Fritsch), die die Wohnung zwischenzeitlich belebte und sich nun nach Peru vertschüsst, hat sauber gemacht. Nicht zuletzt seit Frischs "Andorra" wissen wir aber, dass weiße Wände für den Kulturanstrich stehen können, der bedenkliche Affekte des Menschen übertüncht. Das ist in "Dunkel lockende Welt" nicht anders.

   Doktor Corinna Schneider, die in einem perfiden westlichen Hilfswahn das Heil der Peruaner in blitzend weißen Zahnreihen sieht, die sich zu einem A-cappella-Chor formieren, verliert im Beisein ihrer Mutter die Dominanz, die sie gegenüber ihrem belesenen, aber sozial niedriger stehenden Vermieter Joachim Hufschmied auszuspielen wusste. Im Beisein ihrer von photosynthetischen Prozessen berückten Mutter (Libgart Schwarz) wird sie zum aufmerksamkeitsheischenden Kind, dessen Beichten ins Leere gehen.

Wenn Libgart Schwarz in einem untergründig dahinplätschernden Monolog ihrer Tochter (sehr gut: Regina Fritsch) davon kündet, wie sich aus anorganischen Stoffen Leben generiert, dabei mit federnden Schritten und energischer Stimme auf und ab geht, ist man geneigt, in ihr eine Schwester des Fräulein von Zahnd aus Dürrenmatts "Physikern" zu erkennen. Anders als bei Bernhard hat hier einmal eine Frau einen Monstermonolog zu bewältigen; Libgart Schwarz macht das gut, mit "sanftem Wahnsinn", wie es in Trakls Gedicht "Angela" heißt.

   Hinreißend Johann Adam Oest, der die Ambivalenz seiner Figur überzeugend zur Schau stellt: Man weiß nicht, ob der sanfte Mutterbub, der am Tod der Mutter knabbert, die sozusagen noch als Leiche im Schaukelstuhl sitzt, nur scheinbar Tölpel ist und in Wahrheit mehr mitkriegt und mitmacht, als man zuerst annehmen möchte.

Die Mutter ist chlorophyllgrün, die Tochter in falsches Rosa gewandet. Alles hat einen zweiten Boden, eine versteckte Bedeutung: die Figuren, das silberne Doktorköfferchen, der Boden des Hauses. Man sucht nach Masken, man redet vom Tod, man schweigt von den Toten, man bespricht Foucault und das Erfrieren, und dazu lockt die Musik sirenenhaft fremd und dann wieder in Dschungelrhythmen durchs geöffnete Fenster.

Ein feiner Text, der sprachlich viel differenzierter und anspruchsvoller ist als etwa Roland Schimmelpfennigs jüngstes Werk "Ende und Anfang", wo ebenfalls eine Anthropologie versucht wird. Die Dunkelheit deckt alle Gewissheit zu. Bei Händl Klaus ist das ein Gewinn.

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