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Er behält die Hose an
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Neil LaButes Stück über einen Yuppie, der ausfährt und seine Verflossenen aufsucht,
bevor er in den Hafen der Ehe einläuft, bewegt sich hinsichtlich Sprache und
Regie in sattsam bekannten Gewässern. (Akademietheater Wien)

Von Kristina Werndl
(03. 12. 2006)

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Kristina Werndl
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kristina.werndl [at] gmail.com

ist Redakteurin des
Aurora-Magazins.

 

 


(c) Burgtheater

 

 

 


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Theaterbesprechungen

   Vor hundert Jahren hätte "Some girl(s)" vielleicht noch die Gemüter erregt: Ein eitler, sich beruflich und privat im Aufwärtstaumel befindlicher Geck gefällt sich in der Vorstellung, reinen Tisch zu machen, und besucht eine Shortlist seiner Jugendlieben. Er dringt in ihr Leben ein, in dem sie sich ohne ihn trefflich eingerichtet haben. Ein ähnlicher Kotzbrocken wie Gregers Werle in Ibsens "Wildente", vermag er in seinem Aufrichtigkeitsprojekt die Frauen für kurze Zeit wieder zu großen Gefühlen zu bewegen. Denn angesichts des gockelhaften Mannes werden sie schwach und vergessen ihren anfänglichen, die gemeinsame Vergangenheit betreffenden Grundsatz: "Ich will darüber nicht einmal nachdenken."

Dieser Umstand ist symptomatisch für das zutiefst männliche Stück, in dem der Yuppie in Anzug und Hornbrille (Christian Nickel) in einem chauvinistischen Schulterschluss mit dem Autor letztlich als Sieger hervorgeht. Er darf tatsächlich die Hosen anbehalten, wenn die Frau schon nackt ist. Die Frauen sind simple Figurationen von Weiblichkeit: Die Mutter (Sylvie Rohrer), die Göre (Johanna Wokalek), die Businessfrau (Petra Morzé), das Girl (Mareike Sedl). Sie leben in unterschiedlichen amerikanischen Städten, die mit ihrem Beruf bzw. ihrer Natur korrelieren. Alle wurden sie von dem Mann sitzen gelassen.

   Dass LaBute die Fragwürdigkeit dieses Mannes letztlich nicht angreift, ist das große Ärgernis von "Some girl(s)". Dabei ist der Mann zweifellos die interessanteste Figur in diesem Boulevardstück. Er teilt aus, wo er Aussprache will, und verletzt seine Ex-Freundinnen unter der Maske der Beichte. Das Spannende und von Christian Nickel souverän zur Darstellung gebrachte ist, dass dieser feige Typ gar nicht zu bemerken scheint, wie er, sobald er in die Defensive gerät, von seinem Standpunkt abkommt. Er erschafft sich im Reden neu und scheint seine eruptiv vorgebrachten Bekenntnisse jeweils wirklich zu glauben. Die Verflossenen stilisiert er bei Bedarf zu Idealbildern. Ihn bei dieser poetischen Tätigkeit zu beobachten ist spannend. Wenig überraschend erhielt Nickel auch die meisten Lacher. Sie ergeben sich aus der Diskrepanz von geäußerter Ungeheuerlichkeit und der Unfähigkeit, seinen Wankelmut zu durchschauen.

Der Mann steht für einen Typ Mensch, der die Kommerzialisierung der Gefühle, die Selbstausbeutung des Privaten für eine nach Privatheit gierende Öffentlichkeit betreibt. Die auf seinem Aufrichtigkeitstrip angesammelten Eindrücke wird er an eine Zeitung verkaufen, so wie er es bereits in der Vergangenheit gemacht hat.

   An LaButes kritisches Zeitstück "Das Maß der Dinge", das von einer Kunststudentin handelt, die einen ihr hörigen Lover zum Gegenstand ihres künstlerischen Gestaltungswillens und ihrer Abschlussarbeit macht, kann "Some girl(s)" in der deutschsprachigen Erstaufführung am Akademietheater nicht anschließen. Die Inszenierung (Dieter Giesing) ist ohne Ecken und Kanten, abgeschleckt und unaufregend. Das ist bei einem sprachlich so uninspirierten Stück tödlich. Es hätte einer Regie bedurft, die den Zuschauer intellektuell fordert, etwa indem sie die vier Frauenrollen an eine einzige Schauspielerin vergibt und so die im Titel mittels der Klammern angedeutete Bedeutungsdimension herauskitzelt.

Stattdessen ist eine brave Nummerrevue zu sehen, die mit einigen schauspielerischen Höhepunkten dem vorhersehbaren Ende entgegensteuert. Weder baut Dieter Giesing konsequent auf inszenatorische Parallelen noch kommt es im Stückverlauf zu einer nennenswerten Zuspitzung. Die Bühne (Erich Wonder) ist zweckdienlich, aber einfallslos. Yasmina Reza ("Kunst") beherrscht den verbalen Schlagabtausch besser. Das Stück als Doku-Soap im TV zu sehen, wäre interessant gewesen; am Theater entsteht nicht viel mehr als gepflegte Langeweile.

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