Kristina Werndl
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ist Redakteurin des
Aurora-Magazins.

(c) Burgtheater

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Theaterbesprechungen
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Vor hundert Jahren hätte
"Some girl(s)" vielleicht noch die Gemüter erregt: Ein eitler, sich
beruflich und privat im Aufwärtstaumel befindlicher Geck gefällt sich in der
Vorstellung, reinen Tisch zu machen, und besucht eine Shortlist seiner
Jugendlieben. Er dringt in ihr Leben ein, in dem sie sich ohne ihn trefflich
eingerichtet haben. Ein ähnlicher Kotzbrocken wie Gregers Werle in Ibsens
"Wildente", vermag er in seinem Aufrichtigkeitsprojekt die Frauen für kurze
Zeit wieder zu großen Gefühlen zu bewegen. Denn angesichts des
gockelhaften Mannes werden sie schwach und vergessen ihren anfänglichen, die
gemeinsame Vergangenheit betreffenden Grundsatz: "Ich will darüber nicht
einmal nachdenken."
Dieser Umstand ist
symptomatisch für das zutiefst männliche Stück, in dem der Yuppie in Anzug
und Hornbrille (Christian Nickel) in einem chauvinistischen Schulterschluss
mit dem Autor letztlich als Sieger hervorgeht. Er darf tatsächlich die Hosen
anbehalten, wenn die Frau schon nackt ist. Die Frauen sind simple
Figurationen von Weiblichkeit: Die Mutter (Sylvie Rohrer), die Göre (Johanna
Wokalek), die Businessfrau (Petra Morzé), das Girl (Mareike Sedl). Sie leben
in unterschiedlichen amerikanischen Städten, die mit ihrem Beruf bzw. ihrer
Natur korrelieren. Alle wurden sie von dem Mann sitzen gelassen.
D ass
LaBute die Fragwürdigkeit dieses Mannes letztlich nicht angreift, ist das
große Ärgernis von "Some girl(s)". Dabei ist der Mann zweifellos die
interessanteste Figur in diesem Boulevardstück. Er teilt aus, wo er
Aussprache will, und verletzt seine Ex-Freundinnen unter der Maske der
Beichte. Das Spannende und von Christian Nickel souverän zur Darstellung
gebrachte ist, dass dieser feige Typ gar nicht zu bemerken scheint, wie er,
sobald er in die Defensive gerät, von seinem Standpunkt abkommt. Er
erschafft sich im Reden neu und scheint seine eruptiv vorgebrachten
Bekenntnisse jeweils wirklich zu glauben. Die Verflossenen stilisiert er bei
Bedarf zu Idealbildern. Ihn bei dieser poetischen Tätigkeit zu beobachten
ist spannend. Wenig überraschend erhielt Nickel auch die meisten Lacher. Sie
ergeben sich aus der Diskrepanz von geäußerter Ungeheuerlichkeit und der
Unfähigkeit, seinen Wankelmut zu durchschauen.
Der Mann steht für einen
Typ Mensch, der die Kommerzialisierung der Gefühle, die Selbstausbeutung des
Privaten für eine nach Privatheit gierende Öffentlichkeit betreibt. Die auf
seinem Aufrichtigkeitstrip angesammelten Eindrücke wird er an eine Zeitung
verkaufen, so wie er es bereits in der Vergangenheit gemacht hat.
An LaButes kritisches
Zeitstück "Das Maß der Dinge", das von einer Kunststudentin handelt, die
einen ihr hörigen Lover zum Gegenstand ihres künstlerischen
Gestaltungswillens und ihrer Abschlussarbeit macht, kann "Some girl(s)" in
der deutschsprachigen Erstaufführung am Akademietheater nicht anschließen.
Die Inszenierung (Dieter Giesing) ist ohne Ecken und Kanten, abgeschleckt
und unaufregend. Das ist bei einem sprachlich so uninspirierten Stück
tödlich. Es hätte einer Regie bedurft, die den Zuschauer intellektuell
fordert, etwa indem sie die vier Frauenrollen an eine einzige Schauspielerin
vergibt und so die im Titel mittels der Klammern angedeutete
Bedeutungsdimension herauskitzelt.
Stattdessen ist eine brave
Nummerrevue zu sehen, die mit einigen schauspielerischen Höhepunkten dem
vorhersehbaren Ende entgegensteuert. Weder baut Dieter Giesing konsequent
auf inszenatorische Parallelen noch kommt es im Stückverlauf zu einer
nennenswerten Zuspitzung. Die Bühne (Erich Wonder) ist zweckdienlich, aber
einfallslos. Yasmina Reza ("Kunst") beherrscht den verbalen Schlagabtausch
besser. Das Stück als Doku-Soap im TV zu sehen, wäre interessant gewesen; am
Theater entsteht nicht viel mehr als gepflegte Langeweile. |
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