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Headbutt im Walde
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Überzeugend: Vom Gesamtkonzept und in den szenischen Details – der "Sommernachts-
traum" in der Regie des Niederländers Theu Boermans an der Burg.

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V
on Kristina Werndl
(01. 04. 2007)

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Kristina Werndl
kristina.werndl [at] gmail.com

ist Redakteurin des
Aurora-Magazins.


 


(c) Reinhard Werner

 




(c) Reinhard Werner



 



(c) Reinhard Werner

 


Linktipp

www.burgtheater.at
 

 

Aurora-Tipp

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Theaterbesprechungen

   Was Theu Boermans mit seiner Inszenierung macht, lässt sich gut wie folgt beschreiben: realistisches Theater mit Überwältigungsästhetik. Theater, das einen ganz im Inneren packt und, getragen durch ein begeistert spielendes Ensemble, die Energie der Liebe, aber auch die Schrecken der Isolation erleben – und eben nicht nur: wahrnehmen – lässt.

Das Bühnenbild (Bernhard Hammer) ist atemberaubend. Zunächst ist da das Festzelt, in dem Hochzeit gefeiert werden soll: zwischen Hippolyta, der besiegten Amazonen-Königin, und Theseus, dem Herzog von Athen. Festlich stehen sie da, die cremefarben drapierten Tische und Stühle, der Zeremonienmeister – eine Eventkoordinatorin (Maria Happel) – legt letzte Hand an. Es ist der Abend vor dem Ereignis, und in dieser Nacht wird noch allerhand passieren.

   Ein heftiger Sturm zieht auf. Puck (ebenfalls dargestellt von Maria Happel) breitet beschwörend die Arme aus da klappt das Festzelt zusammen und begräbt die Einrichtung unter sich Es regnet Korken. Aber was heißt regnen? Es prasselt nur so auf die Plastikfolie des Festzeltes, die sich knietief füllt und den Boden jenes Waldes formt, auf dem sich in dieser verrückten Vorhochzeitsnacht die Elementargeister und Menschenpaare ihr Stelldichein geben: Oberon und Titania, Lysander und Hermia, Demetrius und Helena.

Diese Bühnenlösung, in der die Dachfolie zum Waldboden wird, der über den Tischen und Stühlen als Fundament entsteht, ist genial. Sie legt nahe, dass Shakespeares Wald, wo manch rechtliche Ordnung aufgelöst ist – die Gewalt zwischen den Kreaturen allerdings verschärft fortexistiert –, kein Ort fernab der Zivilisation ist. Er ist, im Gegenteil, fixer Bestandteil der Zivilisation, die Kehrseite der repräsentativen Außenwelt. Folgerichtig, dass er auf dem Dach jenes Festzeltes entsteht, das später die Hochzeit zwischen den drei Paaren beherbergt.

   Diese Aufspaltung in eine höfisch-repräsentative Tagwelt und jene verhexte Welt der Nacht, die beide Teil eines Ganzen sind, wird durch eine teilweise Doppelbesetzung der Schauspieler sinnfällig. Doppelrollen – oder eben: eine Rolle in verschiedenen Sphären – spielen: Theseus/Oberon (machistisch: Peter Simonischek), Hippolyta/Titania (groß in ihrem Stolz: Andrea Clausen) und Philostrat/Puck (phantastisch: Maria Happel). Beim abschließenden Hochzeitsmahl schleichen sich Elfen durch das Tischgewirr, ist der Boden zwischen den cremefarbenen Stühlen mit gleichfarbenen Korkenstücken übersät – Reste einer Nachtverwirrung, Bruchstücke einer Welt in Feierlaune, die in ihren Fundamenten, in ihren Sicherheiten (Liebe, Zuneigung, Begehren) immer schon fragwürdig ist und bleibt.

Kostümbildnerin Marion Münch hat Titanias Altweiber-Elfen-Entourage in Queen-Elisabeth-inspirierte Kostümchen gesteckt – köstlich Bibiana Zeller als singender Elf mit Schirmchen in der Hand und Gitarre am Rücken. Ein weiteres Highlight: die Handwerkertruppe, die zum Glück nicht als Freakshow daherkommt. Sorgfältig gezeichnet, laufen die verqueren Charaktere Squenz (Johannes Therne), Flaut (Markus Meyer), Schnock (Jürgen Maurer), Schlucker (Hans Dieter Knebel) und Zettel (phänomenal: Udo Samel) zur Höchstform auf.

   Ein Lob an die Technik, ans Licht (Friedrich Rom) und die Dramaturgie (Rezy Schumacher, Sebastian Huber). Die Übersetzung von Frank Günther entfaltet trotz des mitunter etwas steifen Spiels der jugendlichen Akteure (Philipp Hauß als Lysander, Pauline Knof als Hermia, Adina Vetter als Helena, Patrick O. Beck als Demetrius) ihren ganzen Witz. Irgendwann spät in der Nacht wird’s richtig physisch: Lysander verpasst seinem Konkurrenten Demetrius einen Headbutt Zidane’schen Zuschnitts.

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