Was Theu
Boermans mit seiner Inszenierung macht, lässt sich gut wie folgt
beschreiben: realistisches Theater mit Überwältigungsästhetik. Theater, das
einen ganz im Inneren packt und, getragen durch ein begeistert spielendes
Ensemble, die Energie der Liebe, aber auch die Schrecken der Isolation
erleben – und eben nicht nur: wahrnehmen – lässt.
Das Bühnenbild (Bernhard
Hammer) ist atemberaubend. Zunächst ist da das Festzelt, in dem Hochzeit
gefeiert werden soll: zwischen Hippolyta, der besiegten Amazonen-Königin,
und Theseus, dem Herzog von Athen. Festlich stehen sie da, die cremefarben
drapierten Tische und Stühle, der Zeremonienmeister – eine
Eventkoordinatorin (Maria Happel) – legt letzte Hand an. Es ist der Abend
vor dem Ereignis, und in dieser Nacht wird noch allerhand passieren.
Ein
heftiger Sturm zieht auf. Puck (ebenfalls dargestellt von Maria Happel)
breitet beschwörend die Arme aus
–
da klappt das Festzelt zusammen und begräbt die Einrichtung unter sich Es regnet Korken. Aber was heißt regnen? Es
prasselt nur so auf die Plastikfolie des Festzeltes, die sich knietief füllt
und den Boden jenes Waldes formt, auf dem sich in dieser verrückten
Vorhochzeitsnacht die Elementargeister und Menschenpaare ihr Stelldichein
geben: Oberon und Titania, Lysander und Hermia, Demetrius und Helena.
Diese Bühnenlösung, in der
die Dachfolie zum Waldboden wird, der über den Tischen und Stühlen als
Fundament entsteht, ist genial. Sie legt nahe, dass Shakespeares Wald, wo
manch rechtliche Ordnung aufgelöst ist – die Gewalt zwischen den Kreaturen
allerdings verschärft fortexistiert –, kein Ort fernab der Zivilisation ist.
Er ist, im Gegenteil, fixer Bestandteil der Zivilisation, die Kehrseite der
repräsentativen Außenwelt. Folgerichtig, dass er auf dem
Dach jenes Festzeltes entsteht, das später die Hochzeit zwischen den
drei Paaren beherbergt.
Diese
Aufspaltung in eine höfisch-repräsentative Tagwelt und jene verhexte Welt
der Nacht, die beide Teil eines Ganzen sind, wird durch eine
teilweise Doppelbesetzung der Schauspieler sinnfällig. Doppelrollen – oder
eben: eine Rolle in verschiedenen Sphären – spielen: Theseus/Oberon
(machistisch: Peter Simonischek), Hippolyta/Titania (groß in ihrem Stolz: Andrea
Clausen) und Philostrat/Puck (phantastisch: Maria Happel). Beim
abschließenden Hochzeitsmahl schleichen sich Elfen durch das Tischgewirr,
ist der Boden zwischen den cremefarbenen Stühlen mit gleichfarbenen
Korkenstücken übersät – Reste einer Nachtverwirrung, Bruchstücke einer Welt
in Feierlaune, die in ihren Fundamenten, in ihren Sicherheiten (Liebe,
Zuneigung, Begehren) immer schon fragwürdig ist und bleibt.
Kostümbildnerin Marion Münch hat Titanias
Altweiber-Elfen-Entourage in Queen-Elisabeth-inspirierte Kostümchen gesteckt
– köstlich Bibiana Zeller als singender Elf mit Schirmchen in der Hand und
Gitarre am Rücken. Ein weiteres Highlight: die Handwerkertruppe, die zum
Glück nicht als Freakshow daherkommt. Sorgfältig gezeichnet, laufen die
verqueren Charaktere Squenz (Johannes Therne), Flaut (Markus Meyer), Schnock
(Jürgen Maurer), Schlucker (Hans Dieter Knebel) und Zettel (phänomenal: Udo
Samel) zur Höchstform auf.
Ein Lob
an die Technik, ans Licht (Friedrich Rom) und die Dramaturgie (Rezy
Schumacher, Sebastian Huber). Die Übersetzung von Frank Günther entfaltet
trotz des mitunter etwas steifen Spiels der jugendlichen Akteure (Philipp Hauß als Lysander,
Pauline Knof als Hermia, Adina Vetter als Helena, Patrick O. Beck als
Demetrius) ihren ganzen Witz. Irgendwann spät in der Nacht wird’s richtig
physisch: Lysander verpasst seinem Konkurrenten Demetrius einen Headbutt
Zidane’schen Zuschnitts. |