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Cruise America
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Ein Gespräch mit dem Fotografen Godehard Erichlandwehr anlässlich
seines neuen Buchs "Cruise America".

Von Reinhard Winkler
(09. 11. 2010)

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Godehard Erichlandwehr
ge [at] godehard-erich
land wehr.de

geboren 1963 in Gütersloh.
1984 bis 1990 Studium der
Freien Kunst in Hannover
bei Prof. Heinrich Riebesehl.
Lebt und arbeitet in
Gütersloh.


Homepage

www.godehard-erich
landwehr.de





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Alle Bilder aus dem Buch:

Godehard Erichlandwehr.
Cruise America.
blurb.com, 2010.

 


Reinhard Winkler
winkler.hawelka [at] aon.at

geboren 1965, Studium der
Germanistik und Geschichte
in Salzburg. Lebt und arbeitet
als Pressefotograf in Linz.
Freier Mitarbeiter der Ober-
österreichischen Nachrichten
und des Spotz-Magazins. Redaktionsmitglied der
Aurora.

Winkler: Die amerikanische Fotografie hat eine lange Tradition. Amerika hat nicht nur viele gute Fotografen hervorgebracht, auch das Land selbst ist ein klassischer Topos. Was gibt’s Neues in Amerika?

Erichlandwehr: Jemand hat mal auf die Frage "Was gibt’s Neues in der Kunst?" mit "Velazquez" geantwortet. Schade, dass du nicht diese Frage gestellt hast, die Antwort hätte ich geklaut. Ich finde, das Thema "Neues" spielt in der Fotografie eine faszinierende Rolle. Würde Eugene Atget heute von den Toten auferstehen und wieder Paris fotografieren, mit der gleichen Geisteshaltung und Technik wie zu Lebzeiten, es wären trotzdem völlig andere Parisfotos als die, die wir kennen. Fotografie wird sich also immer schon deshalb verändern, weil sich die Welt, die abgebildet wird, verändert.

Winkler: Welchen amerikanischen Fotografen fühlst du dich verbunden?

Erichlandwehr: Da steht natürlich ganz weit oben Walker Evans und sein Buch "American Photographs". Aber auch Fotografen wie William Eggleston, Stephen Shore und Lewis Baltz.

Winkler: Welches Konzept hattest Du im Kopf, bevor Du mit der Arbeit begonnen hast?

Erichlandwehr: Eigentlich ein Amateur-Konzept: Sehen was mich anspricht und versuchen es zu fotografieren. Als formalen Rahmen hatte ich von Anfang an die Buchform im Hinterkopf. Das erste Foto im Band, dieser Pfeil auf seinen staksigen Beinen, habe ich auch ganz bewusst schon als Foto für die erste Seite aufgenommen. Ich wollte, dass das Buch einen Anfang und ein Ende hat. Nicht im erzählerischen Sinne, eher wie manche Musikstücke einen deutlichen Anfang und ein deutliches Ende haben.

Winkler: Nehmen wir mal an, ich würde die Bilder von "Cruise America" noch nicht gesehen haben. Wie würdest du sie mir beschreiben? Was erwartet mich da?

Erichlandwehr: Dich erwarten Fotos aus Amerika, weit übers Land verteilt zwischen Chicago und San Francisco. Bilder von unterwegs, meist Landschaft, meist am Highway oder in Highway-Nähe aufgenommen.

Winkler: Wie hast du Deine Motive gefunden? Hast du danach gesucht oder bist du auf der Reise gewissermaßen darüber gestolpert?

Erichlandwehr: Gestolpert klingt gut. Um das bekannte Picasso-Zitat mal abzuwandeln: "Ich suche nicht, ich stolpere". Ich bin einfach ab und zu vom Highway abgefahren und dann in diese oder jene Straße abgebogen, mal bin ich ausgestiegen und zu Fuß weiter, mal habe ich direkt aus dem Auto fotografiert.

Winkler: Was sieht man auf deinen Bildern nicht – oder: Aus welchem Gestrüpp musstest du deine Motive herauslösen?

Erichlandwehr: Da die Strecke, die ich gefahren bin, zum Teil die alte Route 66 ist, gab es viel von dem nostalgischen "Route 66"-Kitsch. Da fühlt man sich zeitweise wie in einem riesigen Freilichtmuseum, in dem alles für einen arrangiert wurde. Nicht meine Fotowelt. Zu Beginn hatte ich noch vor, eine Serie über die Rückwände der Schilder an den Highways zu machen. Die sind ja oft ziemlich abenteuerlich zusammengehauen, das hat mich formal sehr angesprochen. Mit dem Projekt bin ich in kürzester Zeit gescheitert, aber es erklärt, weshalb doch viele Rückseiten von Schildern auf den Fotos zu sehen sind. Allerdings immer nur als Bestandteil der Landschaft, nicht als eigenständige Objekte.

Winkler: Was ich an "Cruise America" so mag, ist die Ruhe in den Bildern. Als stünden die Schilder immer schon da und würden auch in Zukunft so stehenbleiben. Vielleicht liegt das am Grad der Verwahrlosung, des Stadiums des Verfalls der Dinge. Bild 21 zum Beispiel: Kein Mensch kann sagen, ob diese Wand seit 10 oder schon seit 30 Jahren vor sich hinwittert. Wolltest du den einen, für die Fotografie so wichtigen und viel zitierten "entscheidenen Augenblick" relativieren?

Erichlandwehr: Ich mag die Idee des "entscheidenen Augenblicks" nicht, das ist einfach nicht die Art wie ich denke. Natürlich spielt der Aufnahmezeitpunkt trotzdem eine große Rolle. Welche Uhrzeit, welches Licht. Warte ich, bis ein Auto auf dem Highway zu sehen ist, oder warte ich, bis es aus dem Bild ist usw. Dieses Gefühl, dass auf den Fotos die Zeit stehengeblieben ist, das erzeuge ich nicht bewusst. Zum einen ist das eine Eigenschaft, die Fotografie schon fast automatisch mit sich bringt, zum anderen steigert meine Art zu fotografieren diesen Effekt wohl eher. Aber ich lege es nicht darauf an.

Winkler: Neben Schildern finden sich auch immer wieder Menschen in den Bildern. Meine Formulierung zeigt schon: die Art, wie sie in der Serie auftauchen, ist bemerkenswert, also: Es "finden" sich auch Menschen in den Bildern.

Erichlandwehr: Der Grund, weshalb Menschen nur recht klein auf den Bildern erscheinen, meist jedoch gar nicht, ist einfach: Sie sind nicht das Thema der Fotos, es sind ja in erster Linie Landschaftsfotos. Indirekt spielen Menschen natürlich eine extrem große Rolle, das sind ja Landschaften, die von Menschen stark geprägt sind. Menschen haben in Bildern die Eigenschaft, den Dingen die Show zu stehlen, weshalb ich sehr vorsichtig damit umgehe.

Winkler: Wie unterscheidet sich das Arbeiten mit dem digitalen Fotoapparat vom analogen?

Erichlandwehr: Die ganzen Analog/Digital-Diskussionen finde ich ziemlich uninteressant. Das wäre vielleicht anders, wenn ich die digitalen Möglichkeiten bildrelevanter nutzen würde, ich begnüge mich aber meist mit Minimalretuschen, Farb- und Kontraststeuerung, das war es schon.

Winkler: Du würdest also nicht z.B. ein Haus wegretuschieren, weil es die Bildkomposition stört? Wäre dir das zu "gelogen"?

Erichlandwehr: Zu gelogen wäre mir das nicht, aber ich habe mich dazu entschieden, meine Bilder nicht so extrem zu optimieren und zu bereinigen. Auch weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass eine Fotografie oft "schlauer" ist als ich, und ich Angst hätte, diese "Intelligenz" durch solche Manipulationen zu schwächen. Ich halte es mit dem Satz von Nam June Paik: "When too perfect, lieber Gott böse".

Winkler: Du kommst von der Malerei. Was hat dich dazu bewogen, zur Fotografie zu wechseln?

Erichlandwehr: Ich habe sehr früh angefangen zu fotografieren, Fotolabor im Jugendzentrum, Foto-AG in der Schule, diese Schiene. Aber ich habe die Fotografie künstlerisch nie so richtig ernst genommen. Zu der Zeit haben mich am meisten Fotografen wie Ralph Gibson, Ansel Adams usw. interessiert. Je weniger Realitätsnähe die Fotos hatten, umso besser. Als ich das Buch "Argarlandschaften" von Heinrich Riebesehl entdeckte, habe ich zum ersten Mal gesehen, dass Fotografie auch ganz andere Wege gehen kann, als mit hängender Zunge der Malerei hinterherzuhecheln. Trotzdem habe ich erst mal in Hannover Malerei studiert, mit leichtem Blick auf  Heinrich Riebesehl, der dort eine Professur hatte. Nach dem Grundstudium wollte ich dann eigentlich zweigleisig fahren, Malerei und Fotografie. Aber das hat sich schnell als falscher Weg für mich herausgestellt, ich bin dann komplett in die Riebesehl-Klasse gewechselt und habe das nie bereut.

Winkler: Was hast du von Heinrich Riebesehl mitgenommen?

Erichlandwehr: Ich habe ihm sehr viel zu verdanken, was sich naturgemäß schwer auf den Punkt bringen lässt. Aber natürlich: Beharrlichkeit, Geduld, Disziplin, Genauigkeit.

Winkler: Gibt es ein Bild im Buch, das dir besonders am Herzen liegt?

Erichlandwehr: Das Bild auf Seite 57 mag ich sehr. Wir kamen gerade von einer Tankstelle, als ich diese Straßenlampe zwischen all den Palmen sah.

Winkler: Weißt Du schon beim Fotografieren: Das wird ein gutes Foto?

Erichlandwehr: Wissen nie, spüren manchmal. Es müssen ja immer sehr viele Dinge stimmen, um ein gutes Foto zu bekommen, und es wäre gelogen, würde ich behaupten, dass ich das alles beim Fotografieren immer im Blick habe. Im Gegenteil: Wenn ich den Überblick habe, liege ich meist falsch.

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