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Von
Reinhard
Winkler |
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Der
Augenblick, die Epiphanie, die Erscheinung:
Augenblicke beziehen sich zunächst auf ein äußeres Erscheinungsbild. Augenblicke sind keine Erkenntnisform, sie passen in kein hermeneutisches Regelwerk, sie bewegen sich nicht von Außen nach Innen, suchen keinen Bedeutungskern für die Symptomatik der Alltagsgestik. Ihr Ursprung und ihr Austragungsort ist die Spielform reiner Äußerlichkeit. Pilar registriert Oberflächen. Was er in einem bestimmten, konzentrierten Moment wahrnimmt, nimmt in kleinen Erlebnisaufsätzen, Essays, Gedichten, Miniaturen und nicht zuletzt Zeichnungen Umrisse an. In diesem Transkribieren wird die Epiphanie als wahrgenommener Moment Erscheinung, Vision: Melancholisch-elegische Gestimmtheiten stellen sich ein,
Seine Erlebnisse auf Reisen durchs Südböhmische, nach Litauen, Kreta, ins Salzkammergut, seine Zeitsprünge hinter und vor den eisernen Vorhang, seine Besichtigungen, sein Gefängnisaufenthalt, Flüge, Taxi- und Zugfahrten, erste oder wiederaufgenommene Kontakte, Besuche, Gespräche und Briefe, Tagebuchaufzeichnungen, schließlich seine Heimreisen ins immer wieder "zwangsnormale Österreich" – alles rundet sich, "um sich schließlich zum Exorbitanten zu steigern". Achsen des Augenblicks: In die horizontale Ebene des Sehens ritzt Pilar vertikale Wahrnehmungskerben aus Erinnerungen und Erwartungen. Oder, mit anderen Unbekannten, aber im selben Koordinatensystem gedacht: Auf der Horizontalen seines grundsätzlichen Einverständnisses mit der Welt leuchten Pilars Idiosynkrasien wie Wahrnehmungswiderhaken. Pilar, das schreibende und zeichnende Ich, das nichts von der Stelle bewegen muss, sich keine Zusammenhänge aufbürdet, schrittweise nach vorn geht oder springt, unterbricht, alles berührt und wieder lässt. Und dennoch hat In
Krumau & anderswo: Achsen des Augenblicks etwas Imperatives. Durch
Pilars Beschreibungen, sein Interesse für die sang- und klanglose
Wirklichkeit, für das Vertraute, für Unverständlichkeiten und Eigenheiten
entsteht im Leser ein Zwang, der einen dazu bringt, die Welt beiläufig so
und nicht anders zu sehen. |