Über die Aurora

Aktuelle Ausgabe

Frühere Ausgaben

Suche

   Schwerpunkte    Theater     Kulturphilosophie     Belletristik      Literatur     Film     Forschung    Atelier     Musik  

......
Mangas und Michelin-Männchen

Ende Januar herrscht fast schon frühlingshaftes Wetter auf den Straßen
von Udine. Ähnlich geht es im Theatersaal zu, wie zumindest der Titel
verspricht. Marzo heißt die Performance, die vom jungen italienischen
Künstlerkollektiv Dewey Dell gezeigt wird.

Von Irina Wolf
(01. 03. 2015)

...



Irina Wolf
irinawolf10 [at] gmail.com

Irina Wolf wurde in
Bukarest geboren. Nach
Abschluss ihres Informatik-
studiums und mehreren
Jobs im Telekommunikations- und Forschungsbereich
wechselte sie 1993 in den
Außenhandelsdienst. Seit
2007 schreibt sie freiberuflich
für mehrere rumänische und
deutschsprachige Kultur-
zeitschriften.

 






(c) cssudine.it



Dewey Dell ist eine
Hommage an das
gleichnamige junge
Mädchen in William
Faulkners Roman "Als
ich im Sterben lag".


 

Linktipp
www.cssudine.it

   Durch ein kluges Zusammenspiel von Choreografie, Kostümen, Licht und Musik entwickeln Eugenio Resta, Agata, Demetrio und Teodora Castellucci letztere drei sind Sprösslinge von Romeo Castellucci und Chiara Guidi seit 2007 aufsehenerregende Tanzarbeiten. Ihre Projekte entstehen in einem kollektiven Gestaltungsprozess.

Für Marzo haben sie sich außerdem mit dem Theatermacher und Dramatiker Kuro Tanino sowie mit dem japanischen Manga-Künstler Yuichi Yokoyama zusammengetan. Wo Dewey Dell in ihren Arbeiten "vom Körper und dessen Bewegungen ausgehen und erst später das Licht und das Bühnenbild hinzufügen", wie Agata Castellucci erklärt, ist Kuro Taninos Verfahrensweise genau umgekehrt. Aus diesen zwei unterschiedlichen Arbeitsweisen entsteht eine äußerst originelle und dynamische Performance.

   Kämpferisch und hochemotional zugleich gestaltet sich die Geschichte, die sich auf der Bühne entfaltet. "Es ist eine an sich einfache Handlung, die sich zwischen menschenähnlichen Gestalten auf einem von der Erde weit entfernten Planeten abspielt", sagt Teodora Castellucci, die für die Choreografie verantwortlich zeichnet. Die Schauspieler treten auf wie animierte Comic-Figuren: ein seltsames Wesen, dessen Kostüm an einen Samurai erinnert, eine außerirdische Gestalt, verkörpert durch einen Skifahrer mit Helm, und ein "Autorennfahrer", auf dessen Kostüm groß eine "2" prangt und die einen Helm mit markantem spitzem Schnabel trägt. Für Erheiterung sorgen ein fetter, mit seinen "Armen" herumfuchtelnder fünfzackiger Stern und drei Michelin-Männchen, die sich später in gefährliche kläffende Hunde verwandeln.

Sie alle befinden sich in einem weißen, zeitlosen Raum. Vereinzelt sind feine Schatten der Gestalten auf der Hinterwand der Bühne zu erkennen (Eugenio Resta zeichnet für Lichteffekte und technische Komponenten verantwortlich).

   Undeutlich ist die Sprache des Samurais. Es hört sich wie Japanisch an. Dabei wird dem Publikum mit englischen Übertiteln geholfen. Denn für Marzo haben Dewey Dell japanische Wörter "in erster Linie wegen ihres Klanges ausgewählt", sagt Demetrio Castellucci, der für die zum Teil dröhnende elektronische musikalische Untermalung sorgt. Minako Matsuishis und Kuro Taninos Stimmen werden wirkungsvoll eingesetzt. Fast wie in einem Sciencefiction-Film hören sich die Worte an: "Seit der Antike war März schon immer der Monat des Krieges. Wenn der Winter verblasst, bringt die Blütezeit des Frühlings eine gewaltsame Kraft und überwältigende Veränderung mit sich".

Überaus passend zum Gruppennamen thematisiert die Produktion auf lebendige und kreative Weise zeitlose Konflikte wie Liebe, Eifersucht, Gewalt und Tod, den Kampf des Guten gegen das Böse. Denn Dewey Dell ist eine Hommage an das gleichnamige junge Mädchen in William Faulkners Roman "Als ich im Sterben lag". Auch die Programmierung des Teatro Contatto in Udine von Marzo in der Saison 2014/15 ist nicht zufällig, ist diese doch der Vielfalt gewidmet. Unter anderem werden "Momentaufnahmen der Richtungen, Formate und Sprachen der darstellenden Künste widergespiegelt" sowie "innovative Inszenierungen, die die Realität und die Fantasie neu gestalten", dargeboten. Mit Marzo landeten die Veranstalter einen Volltreffer. Das Publikum war in Begeisterung, die Aufführung wurde mit Standing Ovations honoriert.


Dieser Bericht war nur Dank der großzügigen Unterstützung des CSS
Teatro stabile di innovazione del Friuli Venezia Giulia möglich.

Ausdrucken?

....

Zurück zur Übersicht