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Im Zeichen internationaler Begegnungen

Mit einem abwechslungsreichen Festivalprogramm feiert das Deutsche
Staatstheater Temeswar sein 60-jähriges Bestehen.

Von Irina Wolf
(15. 01. 2014)

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Irina Wolf
irinawolf10 [at] gmail.com

Irina Wolf wurde in
Bukarest geboren. Nach
Abschluss ihres Informatik-
studiums und mehreren
Jobs im Telekommunikations- und Forschungsbereich
wechselte sie 1993 in den
Außenhandelsdienst. Seit
2007 schreibt sie freiberuflich
für mehrere rumänische und
deutschsprachige Kultur-
zeitschriften.

 

 

 

 


 

Im Stück "Das Gesetz
der Interaktion oder die
Geschichte der Giraffe,
die (zu viel) Angst macht"
werden in scharfsinniger
und humorvoller Weise die
Regeln der gegenseitigen
Verständigung beleuchtet.

 

 



(c) DSTT

Szenenfoto aus
"Zic Zac"

 

 

Mit dem Stück "I love I"
ergründete die Choreo-
grafin Modjgan Hashemian
die politischen Zusammen-
hänge hinter dem drohen-
den Krieg zwischen
Israel und Iran.


 

 


(c) DSTT

Szenenfoto aus
"Zic Zac"

   Zum dritten Mal fand vom 9. bis 17. November 2013 Eurothalia, das vom Deutschen Staatstheater Temeswar (DSTT) veranstaltete Europäische Theaterfestival, statt. 2008 ins Leben gerufen, definierte sich die Festwoche von Anfang an als "Raum der Begegnungen unter dem Zeichen hochkarätiger Vorstellungen, in dem sprachliche und kulturelle Barrieren überwunden werden". Gleich ein doppeltes Jubiläum wurde zum Auftakt von Eurothalia gefeiert: 255 Jahre deutschsprachige Theatertradition in Temeswar und 60-jähriges Bestehen des Hauses. Als Kultur- und Identitätsträger für die Rumäniendeutschen musste das Theater von den 70er bis 90er Jahren schwere Zeiten überstehen. Aufgrund der massiven Auswanderung verringerte sich die Zahl der Banater Deutschen drastisch. Waren es in den 70er Jahren noch 350.000, so sind es jetzt 40.000. Nach dem politischen Umsturz vom Dezember 1989 kam das Ensemble des DSTT an einen absoluten Tiefpunkt. Es mangelte an männlichen Schauspielern, insbesondere aber an Nachwuchs. Grund dafür war auch die 1979 erfolgte Schließung der deutschen Schauspielabteilung der Bukarester Theaterhochschule. Erst 1992 wurde der Fachbereich Schauspiel in deutscher Sprache an der West-Universität Temeswar neu gegründet. Die Notwendigkeit des Austauschs und der Kommunikation mit den Theaterschaffenden im europäischen Raum stand umso mehr im Mittelpunkt.

Krawatte und Overhead-Projektor – zwei verlässliche Kommunikationspartner

   Auch in der dritten Auflage von Eurothalia verstand es Lucian Vărşăndan, Intendant des Festivals und seit 2007 Direktor des DSTT, "Impulse aus verschiedensten Theaterkulturen kreativ zu verbinden". Denn das Hauptziel der Festwoche ist es, "dem Publikum der Region Tendenzen des rumänischen und europäischen Bühnenschaffens zu präsentieren". Besonders am Herzen lag dem Intendanten die Einbindung der Theater aller in Rumänien lebenden Bevölkerungsgruppen. So zeigte das Jüdische Staatstheater Bukarest die Dentaltragödie von Jean-Claude Grumberg in der Regie von Felix Alexa. Zudem erfreute erneut Gardenia von Elżbieta Chowaniec, die von Theaterkritikern hochgelobte Inszenierung des Ungarischen Staatstheaters "Csiky Gergely" Temeswar, das Publikum.

Neben der vorbildlichen Pflege der Beziehungen zur rumänischen Theaterszene sieht es Vărşăndan als eine wesentliche Aufgabe, Eurothalia durch internationale Gastspiele "zu einer Begegnungsplattform zu entwickeln". Mit insgesamt elf verschiedenen Produktionen und international anerkannten Regisseuren, unter anderem Oliver Frljić, Bram Jansen und Krzysztof Garbaczewski, bot das Festival einen erhellenden Einblick in die aktuellen Strömungen des zeitgenössischen Sprech- und Tanztheaters. Dabei setzten sich die Inszenierungen aus den Niederlanden, Kroatien, Polen, Deutschland, der Schweiz und Rumänien überwiegend mit dem Thema der Kommunikationslosigkeit auseinander. So auch die aus der Schweiz stammende Performance Das Gesetz der Interaktion oder die Geschichte der Giraffe, die (zu viel) Angst macht. Nach Mustern der Physik beleuchten die Tänzerin Katy Hernan und der Schauspieler Adrien Rupp in scharfsinniger und humorvoller Weise die Regeln der gegenseitigen Verständigung. Mit einem Overhead-Projektor als "Spielpartner" erforschen die beiden unsere Verhaltensweisen und betonen dabei die Sprech- und Begegnungsangst.

   Auch das Tanzstück von Modjgan Hashemian I love I, eine Produktion des Ballhauses Naunynstraße Berlin, stand im Zeichen der Furcht vor der Andersartigkeit und Kommunikationsunfähigkeit. Auf den Spuren der eigenen Geschichte ergründete die Choreografin die politischen Zusammenhänge hinter dem drohenden Krieg zwischen Israel und Iran. Mit dem beeindruckenden Bühnenbild eines schwebenden Kohlekreises wird das Publikum mit der Frage konfrontiert, wer sich innerhalb oder außerhalb der Grenzen und Klischees befindet.

Eine besondere Attraktion im Programmreigen bildete Zic Zac. Die Star-Inszenierung der Absolventengala 2013 des Masterstudienganges Choreografie der Nationalen Theater- und Filmakademie Bukarest (UNATC) besticht nicht nur durch ihre rhythmischen Ausdrucksformen und energiegeladenen Bewegungen, sondern auch durch ihre humorvolle Dramaturgie. Ob Einsamkeit, Freundschaft, Liebe oder Streit alle Themen werden in einem intelligenten Spiel aus packenden Tanzszenen und geistreichem Sprechtheater vereint. Dem Einfallsreichtum hinsichtlich der Kostüme sind ebenfalls keine Grenzen gesetzt. Dass sich eine Krawatte als Bindeglied eines Paares entpuppt, ist Teil des Konzeptes von Andrea Gavriliu. Sie zeichnet auch für die faszinierende Inszenierung verantwortlich.

   Den Abschluss des Festivals bildete Tschechows Die Möwe in der Regie von Yuri Kordonsky, eindeutig ein weiterer Höhepunkt des Festivals. Alle Aufführungen waren mit Übertiteln in zwei Fremdsprachen versehen kein Wunder, denn "das Publikum ist uns sehr wichtig", betont Vărşăndan. Um die Mehrheit der rumänischen Bevölkerung zu erreichen, werden pro Theatersaison bis zu dreißig Prozent der Aufführungen des DSTT mit Simultanübersetzung per Kopfhörer gespielt. Abgerundet wurde das Festival durch die Ausstellung New Western Art in den Timco-Hallen, eine medienübergreifende Gruppenausstellung mit Werken zeitgenössischer Künstler aus Deutschland und den USA.

Mit der interkulturellen Festwoche Eurothalia zeigte sich Temeswar Ende 2013 von seiner internationalen Seite und behauptete sich so aufs Neue als Zentrum eines multikulturellen Gebiets. Somit bekräftigt die Stadt ihren Kandidatenstatus als Europäische Kulturhauptstadt 2021.

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