"The
End of Directing, The Beginning of Theatre-Making and Devising in
European Theatre" heißt ein 2015 im rumänischen Tact Verlag und im
Auftrag des Internationalen Theaterfestivals von Hermannstadt erschienener
zweisprachiger Sammelband (Rumänisch-Englisch), der sich mit den neuesten
Regietendenzen auf den europäischen Bühnen auseinandersetzt. Das von der
bekannten rumänischen Theaterkritikerin Iulia Popovici herausgegebene Buch
liefert dabei einen umfassenden Überblick über das sog. Devising,
einer gemeinschaftlichen Produktion im Theaterkollektiv. Der
außergewöhnliche Titel beschwört überdies eine radikale Änderung in der
europäischen Szene: Galt bisher die alleinige Autorität des Regisseurs in
der Theaterbranche, wird diese nun durch den umfassenderen Begriff des
"Dramatiker-Regisseurs" ersetzt.
In drei Artikeln wird die
Entwicklung der Regielandschaft über mehrere Jahrzehnte in Ungarn,
Frankreich und Rumänien eingehend erläutert. Besondere Attraktivität gewinnt
der Band jedoch durch zahlreiche Interviews, die mit einigen der wichtigsten
Stimmen des zeitgenössischen europäischen Theaters geführt wurden, darunter
Joël Pommerat, Rodrigo Garcia, Kornél Mundruczó, Wojtek Ziemilski, Armin
Petras, Nurkan Erpulat, Gianina Cărbunariu, Bogdan Georgescu und Catinca
Drăgănescu. Die einleitende detaillierte Erklärung von Begriffen wie
Theatergestaltung und Devising macht das Buch auch dem
Nichteingeweihten verständlich. Jeder Text ist eins zu eins aus dem
Rumänischen ins Englische übersetzt. Farbfotos zu den Inszenierungen der im
Buch vorgestellten Personen stellen darüber hinaus eine willkommene
Bereicherung dar und bilden eine klar strukturierende visuelle Barriere
zwischen den zweisprachigen Buchteilen.
Mit
dem obigen Band setzt das Internationale Theaterfestival von Hermannstadt
die 2014 in seiner umfangreichen Sammlung begonnene Reihe der
zweisprachigen Bände fort. Mit "New
Performing Arts Practices in Eastern Europe" (Cartier Verlag, Republik
Moldau) erschien die erste Ausgabe, die
sich mit Theater und Tanz aus einer regionalen Perspektive auseinandersetzt.
Der Leser wird mitgenommen auf eine tiefgründige und spannende Reise durch
die wenig bekannten Theater- und Tanzszenen osteuropäischer Länder: Von der
Entwicklung des unabhängigen Theaters in Ungarn und der künstlerischen
Identität in Polen über das Aufblühen der neuen russischen Dramatik bis zum
Paradigmenwechsel in der slowenischen Tanzszene.
Den krönenden Abschluss
liefert ein Dialog über die aktuelle und angesichts des aktuell herrschenden
Bürgerkriegs nicht gerade einfache Situation des Theaters in der Ukraine.
Durch seine geschickte Gliederung in neun Teile
–
entsprechend den neun beschriebenen Ländern Bulgarien, Kroatien, Moldawien,
Polen, Rumänien, Russland, Slowakei, Slowenien und Ungarn
–,
gewinnt der Sammelband wesentlich an Übersichtlichkeit. Mit einem Essay und
einem Interview pro Land balanciert die Herausgeberin (abermals Iulia
Popovici) fein zwischen dem historisch-theoretischen und praktischen Ansatz
und versucht trotz der
grundlegenden Unterschiede einen
gemeinsamen Nenner zu finden. Es entsteht ein komplexes und manchmal
widersprüchliches Bild der ehemaligen Ostblockstaaten.
Dass
sich die rumänische Theaterszene zweisprachigen Publikationen verschrieben
hat, bestätigt eine weitere Publikation mit dem Titel "The Young
Theatre Artist. Recent Romanian Histories". Der von der Theaterkritikerin Oltiţa
Cîntec koordinierte Sammelband neuesten Datums (Oktober 2015, im Timpul
Verlag, Iaşi) wird vom Internationalen Theaterfestival für Junges Publikum
Iaşi und der rumänischen Abteilung der Internationalen Vereinigung der
Theaterkritiker herausgegeben. In acht Artikeln werden der
oftmals prekäre
Status der jungen rumänischen Künstler und
ihre Chancen auf eine Beschäftigung an Theatern landesweit thematisiert. Mit
einem Hinweis auf die steigenden Absolventenzahlen und eine entsprechend
gewachsene Nachfrage findet sich im Buch auch die Forderung nach einer
Reform der Finanzierung aus öffentlichen Mitteln.
Die von großer
Lebendigkeit und Detailverliebtheit zeugenden Interviews mit den Regisseuren
Bobi Pricop und Carmen Lidia Vidu sowie mit der 29-jährigen Tänzerin und
Schauspielerin Andrea Gavriliu liefern bedeutende Einsichten ins vorgegebene
Thema und geben nützliche Instruktionen insbesondere für junge Talente und
Absolventen. Besondere Aufmerksamkeit wird der florierenden unabhängigen
Theaterszene in Klausenburg gewidmet, die einen erheblichen Anteil von
jungen Künstlern aus allen Bereichen (Schauspieler, Regisseure,
Bühnenbildner) aufnimmt. Zu den praktischen Beispielen zählt die Geschichte
von Unteatru, dem erfolgreichsten Bukarester alternativen Schauplatz
der letzten fünf Jahre sowie ein Fallbeispiel zur Produktion von Mike
Bartletts Cock im ACT, dem ältesten Privattheater der rumänischen
Hauptstadt. Die Koordinatorin selbst widmet sich gleich drei
vielversprechenden Bühnenbildnern (Alina Herescu, Adrian Damian, Irina
Moscu). Somit wird eine in Rumänien äußerst selten untersuchte Tätigkeit der
Theaterbranche in den Vordergrund gestellt.
Wie
in den anderen beiden Sammelbänden wurde auch in
"The Young Theatre Artist"
jeder Text aus dem Rumänischen ins Englische übersetzt.
Damit ist dieses attraktiv gestaltete Buch nicht nur gut fundiert und auf
der Höhe der Zeit, sondern gleichzeitig für ein internationales Lesepublikum
spannend zu lesen.