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Im Osten viel Neues

Drei neue Bücher bieten fundierte Einblicke in die aktuellen Trends und Themen
der rumänischen und osteuropäischen Tanz- und Theaterszene.

Von Irina Wolf
(28. 01. 2016)

...



Irina Wolf
irinawolf10 [at] gmail.com

Irina Wolf wurde in
Bukarest geboren. Nach
Abschluss ihres Informatik-
studiums und mehreren
Jobs im Telekommunikations- und Forschungsbereich
wechselte sie 1993 in den
Außenhandelsdienst. Seit
2007 schreibt sie freiberuflich
für mehrere rumänische und
deutschsprachige Kultur-
zeitschriften.

 

 

 

 

Iulia Popovici (Hg.).
The End of Directing,
The Beginning of Theatre-
Making and Devising in
European Theatre
.
Tact, 2015, 328 S.

 

 

 

 

Iulia Popovici (Hg.).
New Performing
Arts Practices in
Eastern Europe
.
Cartier, 2014, 436 S.

 

 

 

 



Oltiţa Cîntec (Kd.).
The Young Theatre
Artist
. Recent
Romanian Histories
.

Timpul, 2015.

 

   "The End of Directing, The Beginning of Theatre-Making and Devising in European Theatre" heißt ein 2015 im rumänischen Tact Verlag und im Auftrag des Internationalen Theaterfestivals von Hermannstadt erschienener zweisprachiger Sammelband (Rumänisch-Englisch), der sich mit den neuesten Regietendenzen auf den europäischen Bühnen auseinandersetzt. Das von der bekannten rumänischen Theaterkritikerin Iulia Popovici herausgegebene Buch liefert dabei einen umfassenden Überblick über das sog. Devising, einer gemeinschaftlichen Produktion im Theaterkollektiv. Der außergewöhnliche Titel beschwört überdies eine radikale Änderung in der europäischen Szene: Galt bisher die alleinige Autorität des Regisseurs in der Theaterbranche, wird diese nun durch den umfassenderen Begriff des "Dramatiker-Regisseurs" ersetzt.

In drei Artikeln wird die Entwicklung der Regielandschaft über mehrere Jahrzehnte in Ungarn, Frankreich und Rumänien eingehend erläutert. Besondere Attraktivität gewinnt der Band jedoch durch zahlreiche Interviews, die mit einigen der wichtigsten Stimmen des zeitgenössischen europäischen Theaters geführt wurden, darunter Joël Pommerat, Rodrigo Garcia, Kornél Mundruczó, Wojtek Ziemilski, Armin Petras, Nurkan Erpulat, Gianina Cărbunariu, Bogdan Georgescu und Catinca Drăgănescu. Die einleitende detaillierte Erklärung von Begriffen wie Theatergestaltung und Devising macht das Buch auch dem Nichteingeweihten verständlich. Jeder Text ist eins zu eins aus dem Rumänischen ins Englische übersetzt. Farbfotos zu den Inszenierungen der im Buch vorgestellten Personen stellen darüber hinaus eine willkommene Bereicherung dar und bilden eine klar strukturierende visuelle Barriere zwischen den zweisprachigen Buchteilen.

   Mit dem obigen Band setzt das Internationale Theaterfestival von Hermannstadt die 2014 in seiner umfangreichen Sammlung begonnene Reihe der zweisprachigen Bände fort. Mit "New Performing Arts Practices in Eastern Europe" (Cartier Verlag, Republik Moldau) erschien die erste Ausgabe, die sich mit Theater und Tanz aus einer regionalen Perspektive auseinandersetzt. Der Leser wird mitgenommen auf eine tiefgründige und spannende Reise durch die wenig bekannten Theater- und Tanzszenen osteuropäischer Länder: Von der Entwicklung des unabhängigen Theaters in Ungarn und der künstlerischen Identität in Polen über das Aufblühen der neuen russischen Dramatik bis zum Paradigmenwechsel in der slowenischen Tanzszene.

Den krönenden Abschluss liefert ein Dialog über die aktuelle und angesichts des aktuell herrschenden Bürgerkriegs nicht gerade einfache Situation des Theaters in der Ukraine. Durch seine geschickte Gliederung in neun Teile entsprechend den neun beschriebenen Ländern Bulgarien, Kroatien, Moldawien, Polen, Rumänien, Russland, Slowakei, Slowenien und Ungarn , gewinnt der Sammelband wesentlich an Übersichtlichkeit. Mit einem Essay und einem Interview pro Land balanciert die Herausgeberin (abermals Iulia Popovici) fein zwischen dem historisch-theoretischen und praktischen Ansatz und versucht trotz der grundlegenden Unterschiede einen gemeinsamen Nenner zu finden. Es entsteht ein komplexes und manchmal widersprüchliches Bild der ehemaligen Ostblockstaaten.

   Dass sich die rumänische Theaterszene zweisprachigen Publikationen verschrieben hat, bestätigt eine weitere Publikation mit dem Titel "The Young Theatre Artist. Recent Romanian Histories". Der von der Theaterkritikerin Oltiţa Cîntec koordinierte Sammelband neuesten Datums (Oktober 2015, im Timpul Verlag, Iaşi) wird vom Internationalen Theaterfestival für Junges Publikum Iaşi und der rumänischen Abteilung der Internationalen Vereinigung der Theaterkritiker herausgegeben. In acht Artikeln werden der oftmals prekäre Status der jungen rumänischen Künstler und ihre Chancen auf eine Beschäftigung an Theatern landesweit thematisiert. Mit einem Hinweis auf die steigenden Absolventenzahlen und eine entsprechend gewachsene Nachfrage findet sich im Buch auch die Forderung nach einer Reform der Finanzierung aus öffentlichen Mitteln.

Die von großer Lebendigkeit und Detailverliebtheit zeugenden Interviews mit den Regisseuren Bobi Pricop und Carmen Lidia Vidu sowie mit der 29-jährigen Tänzerin und Schauspielerin Andrea Gavriliu liefern bedeutende Einsichten ins vorgegebene Thema und geben nützliche Instruktionen insbesondere für junge Talente und Absolventen. Besondere Aufmerksamkeit wird der florierenden unabhängigen Theaterszene in Klausenburg gewidmet, die einen erheblichen Anteil von jungen Künstlern aus allen Bereichen (Schauspieler, Regisseure, Bühnenbildner) aufnimmt. Zu den praktischen Beispielen zählt die Geschichte von Unteatru, dem erfolgreichsten Bukarester alternativen Schauplatz der letzten fünf Jahre sowie ein Fallbeispiel zur Produktion von Mike Bartletts Cock im ACT, dem ältesten Privattheater der rumänischen Hauptstadt. Die Koordinatorin selbst widmet sich gleich drei vielversprechenden Bühnenbildnern (Alina Herescu, Adrian Damian, Irina Moscu). Somit wird eine in Rumänien äußerst selten untersuchte Tätigkeit der Theaterbranche in den Vordergrund gestellt.

   Wie in den anderen beiden Sammelbänden wurde auch in "The Young Theatre Artist" jeder Text aus dem Rumänischen ins Englische übersetzt. Damit ist dieses attraktiv gestaltete Buch nicht nur gut fundiert und auf der Höhe der Zeit, sondern gleichzeitig für ein internationales Lesepublikum spannend zu lesen.

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