Temeswar.
Ein Autowrack im Stiegenhaus eines Theatergebäudes. Ein Bild, dem man nicht
täglich begegnet. Noch dazu, wenn man erfährt, dass das Auto vom Mezzanin in
den zweiten Stock manuell hinaufbefördert werden soll!
Gespannt warten die
zufällig anwesenden Passanten auf die Lösung. Mit einfallsreichen Mitteln
bringen nicht weniger als zehn Männer den Fiat 126, Teil des Bühnenbildes
der Vorstellung "Borges vs. Goya", in den Saal, den sich das Deutsche und
das Ungarische Staatstheater der multikulturellen Stadt im Westen Rumäniens
teilen. Dank dieses bemerkenswerten Einsatzes kann die außergewöhnlich
dynamische Inszenierung der Compagnie Akté Le Hâvre ungehindert stattfinden.
Mit großer schauspielerischer Leistung beeindrucken dabei Arnaud Troalic
(der auch Regie führte) und Julien Flament. Vor allem imponiert der
uneingeschränkte körperliche Einsatz, die Wucht, mit der sich die beiden
Schauspieler auf dem Wrack oder in den Wagen hinein- und darin herumwerfen.
Das
von Rodrigo Garcia geschriebene Stück erwies sich schließlich als gelungene
europäische Bereicherung des Festivals der rumänischen Dramatik. Die
langjährige Theaterkritikerin Cristina Modreanu setzte damit ein deutliches
Zeichen für die Internationalisierung der Festspiele.
Unter ihrem neuem Namen
FEST-FDR (Europäisches Festival des Schauspiels Temeswar – Festival der
rumänischen Dramatik), präsentierte sich die diesjährige Auflage des auf
zeitgenössischer rumänischer Dramatik fokussierten Treffens. Wie auch in den
vorherigen Jahren bildete die FDR-Sektion den Kern des neuntägigen
Festivals. Vom 7. bis zum 15. Mai wurden dreizehn Stücke an fünf Spielorten
gezeigt. Zu den Autoren zählten bekannte Namen wie Peca Ştefan, Gianina
Cărbunariu, Alina Nelega, Lia Bugnar oder Maria Manolescu. Im Mittelpunkt
der von Mihaela Michailov getroffenen Auswahl standen sozialpolitische
Themen von brennender Aktualität, wie Gewalt in der Familie, Probleme der
Roma, Obdachlosigkeit oder die zunehmende Emigration der heimischen
Jugendlichen. Dabei bestachen die Vorstellungen nicht selten durch das
one-woman-show-Format.
Trotzdem
ging der Preis der international besetzten, dreiköpfigen Jury
an eine Gruppenarbeit. Romana Maliti (Slowakei), Tony Nardi (Kanada) und
Christian Papke (Österreich) betonten die Bedeutung der Teamarbeit zwischen
Autor, Regisseur und Schauspieler. "Roşia Montană aus physischer und
politischer Sicht" (eine Koproduktion zwischen dem Ungarischen Staatstheater
Klausenburg und der Gruppe dramAcum) in der Regie von Radu Apostol,
Gianina Cărbunariu und Andreea Vălean wurde als beste Vorstellung gekürt.
Basierend auf Texten von Peca Ştefan, Gianina Cărbunariu und Andreea Vălean
wurde die umstrittene Errichtung einer neuen Goldabbauanlage
im westrumänischen Roşia Montană in
einem Mix aus klassischem Theater, Musical und Performance vorgeführt.
Der Preis für den besten
Schauspieler wurde ebenfalls einer Gruppe verliehen: Vier Akteurinnen
–
Snejana Puică, Mihaela Strâmbeanu, Ina Surdu und Irina Vacarciuc aus der
Republik Moldau –
glänzten im Dokumentartheater "Casa M" von Luminiţa Ţîcu (auch für die Regie
zuständig), das sich eingehend mit dem Thema "Gewalt in der Familie"
auseinandersetzte.
Drei
weitere Sektionen –
Intersections, Performance und Open Air
– ergänzten den Hauptteil des
Festivals. Intersections brachte sowohl rumänische als auch
europäische Aufführungen, von klassischen Autoren über Tanz- bis hin
zum Puppentheater. In der Sektion Performance wurden drei
ausländische Produktionen gezeigt: "The Thrill of it all" (Forced
Entertainment Group aus Großbritannien) und zwei Solostücke von Nick Mancuso
aus den Vereinigten Staaten und Tony Nardi aus Kanada. Zum ersten Mal wurde
der prächtige Hauptplatz vor dem Temeswarer Nationaltheater in eine
Freilufttheaterbühne verwandelt, die sich großer Beliebtheit erfreute.