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Frauenfiguren im Mittelpunkt

 Vom 1. bis 20. Juni stand die diesjährige Jubiläumsauflage des Turiner Theaterfestivals
mehr denn je im Zeichen des Zeitgenössischen und überzeugte durch
ein attraktives und abwechslungsreiches Programm.

 Von Irina Wolf
(01. 07. 2015)

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Irina Wolf
irinawolf10 [at] gmail.com

Irina Wolf wurde in
Bukarest geboren. Nach
Abschluss ihres Informatik-
studiums und mehreren
Jobs im Telekommunikations- und Forschungsbereich
wechselte sie 1993 in den
Außenhandelsdienst. Seit
2007 schreibt sie freiberuflich
für mehrere rumänische und
deutschsprachige Kultur-
zeitschriften.

 

 

  
(c) She She Pop

"Testament"
Regie: She She Pop

 

 


(c) Ashkal Alwan,
Théâtre Vidy Lausanne


"Biokraphia"
Regie: Rabih Mroué
und Lina Majdalaine

 

 

Linktipp
www.festivaldellecolline.it

   "Geistige Freiheit, rege Künstlerbetreuung, fortwährende nationale und internationale Beziehungen sowie eine ungeheure Fähigkeit zur Erneuerung – das sind die Grundprinzipien der Festspielphilosophie". So Sergio Ariotti und Isabella Lagattolla, die charismatischen Direktoren des Festivals delle Colline Torinesi, das 2015 sein 20-jähriges Bestehen feierte.

Äußerst bunt präsentierte sich das Festival, das seinem Namen den stolzen Zusatz "Torino Creazione Contemporanea" hinzufügte. So bestand das Programm unter anderem aus einer Hommage an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten, einer dem Shakespeare-Universum gewidmeten Stationen-Inszenierung, einer anspruchsvollen Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Jesus für unser heutiges Leben, einer musikalischen Hommage an Fred Buscaglione, den beliebten italienischen Sänger und Schauspieler der 1950er Jahre und aus einem als literarischen Kabarett dargestellten "Interview" mit Polyphem, dem einäugigen Riesen der griechischen Mythologie.

   Aus Anlass einer auf drei Jahre angelegten Ministerreform wurde die Frau "als Opfer des Fundamentalismus sowie als Hauptprotagonistin des heutigen Fortschritts" gewürdigt. Die birmanische Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, Pier Paolo Pasolinis Mutter und Shakespeares Lady Macbeth. Das sind nur einige der Frauencharaktere, denen spannende Inszenierungen unterschiedlicher Stilrichtungen gewidmet wurden.

Für große Beachtung sorgte das deutsche Frauen-Performance-Kollektiv She She Pop. Gleich zwei seiner Werke wurden unter dem Schwerpunkt "Torino trifft Berlin" gezeigt: Eine an Shakespeares "König Lear" angelegte Darstellung des Generationenkonflikts ("Testament") und eine nach Igor Strawinskis "Le Sacre du Printemps" gestaltete Performance, in deren Mittelpunkt die Frage nach dem weiblichen Opfer in der Familie und in der Gesellschaft stand. Zum originellen Konzept von She She Pop trugen sogar deren eigene Väter bzw. Mütter bei, die mit auf die Bühne gebeten wurden. Zu den meistgelobten internationalen Vorstellungen zählte auch die von Federico León gezeigte Produktion. Durch seine Wanderungen an der Grenze zwischen Fiktion und Realität schaffte es der führende Vertreter der argentinischen Avantgarde-Szene, die Leidenschaft für seine Kunst auf das Publikum zu übertragen.

   Wirklichkeit und Fiktion vermischten sich gleichermaßen in der Produktion des libanesischen Duos Rabih Mroué und Lina Majdalaine. Ausgehend von der aktuellen politischen Situation im Libanon, behandelte ihr Werk  ("Biokraphia") das Thema der Sexualität und ihre Zensur in einer Gesellschaft, die durch strikte soziale und politische Tabus reguliert wird.

Dass es auch in Europa derzeit große, wenn auch anderweitige Probleme gibt, zeigte die im Vorjahr als beste italienische Neuschöpfung bei den Ubu-Preisen ausgezeichnete Produktion. In der allgegenwärtigen Wirtschaftskrise ist es kein Zufall, dass sich die Handlung auf vier griechische Pensionistinnen bezieht, die sich das Leben mit Barbituraten und Wodka nehmen. "Wir gehen, um Ihnen keine weiteren Sorgen zu bereiten" – so der lange Titel des Stückes des Künstler-Duos Daria Deflorian und Antonio Tagliarini. Ausgangspunkt und Hintergrund ihrer Arbeit waren die ersten Seiten von "Schuldenbereinigung", dem Roman des griechischen Schriftstellers Petros Markaris. Eine Frage nach der Würde des Lebens in der heutigen Gesellschaft.

   "Aus der Dunkelheit kommt Licht, vom Tod eine Wiedergeburt" – so scheint die libanesischen Künstlerin Zena El Khalil, deren Zitat als Inspiration für die heurige Jubiläumsauflage diente, optimistisch in die Zukunft zu sehen.

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