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In seinem
»Handbuch für Detektive« spielt der Amerikaner Jedediah Berry auf faszinierende
Weise mit den Grenzen von Raum, Zeit und Wirklichkeit. Vor einer kleinstädtischen Häuserreihe regnen mehrere Dutzend Gestalten von einem graublauen Himmel herab. Die Männer, die bewegungslos durch die Szenerie schweben, wirken mit ihren dunklen Mänteln und Melone ziemlich unnahbar. In ihrer auffällig unauffälligen Pose sehen sie aus wie der Prototyp des Privatdetektivs. René Magrittes »Golconde« ist das perfekte Gemälde, will man Jedediah Berrys Debütroman »Handbuch für Detektive« mit einem Bild vergleichen. Travis T. Sivart könnte einer der Männer von Magrittes Gemälde sein. Als Ermittler in einer einflussreichen Detektivagentur gehört es zu seinem Job, möglichst geräuschlos und unbemerkt die ausweglosesten Fälle zu lösen. Unterstützt wird er dabei von seinem Schreiber Charles Unwin, den er zwar vom Namen her kennt, mit dem er sich aber aufgrund der strengen Agenturregeln weder treffen noch direkt austauschen darf. Dennoch sind sie ein gut funktionierendes Gespann. Unwin bereinigt die Notizen Sivarts von Nebensächlichem und fertigt daraus die Abschlussberichte, die in die Aktenverwaltung in den Keller der Detektei wandern. Auf diese Art und Weise haben sie die rätselhaftesten Fälle lösen können. Fälle mit so skurrilen Namen wie »Der Diebstahl des zwölften Novembers«, »Der Fall mit den sich spiegelnden Spiegeln« oder »Der Raub des ältesten Mordopfers«. Sivart ist so zum heimlichen Starermittler der Agentur aufgestiegen. Als dieser primus inter pares eines Tages verschwindet, wird sein Schreiber zu seinem Nachfolger befördert. Doch statt sich über diesen Aufstieg zu freuen, setzt Unwin alle Kraft daran, den in seinen Augen offensichtlichen Irrtum aus der Welt zu schaffen. Er macht sich auf die Suche nach Sivart, und je energischer er dies tut, desto mehr wächst er in die Rolle des Ermittlers. Als erste Hilfe und Leitfaden bekommt er das agentureigene »Handbuch für Detektive«. Spätestens an dieser Stelle wird dem Leser klar, dass hier ein Verwirrspiel der Ebenen und Grenzen stattfindet, denn dieses Handbuch scheint er ja gerade in der Hand zu halten und zu lesen. Zumindest macht es diesen Eindruck. Jedediah Berrys Debütroman ist ein klassischer Fall vom Buch im Buch, mit Querverweisen zwischen der Handlung des Romans und dem Inhalt des agentureigenen Handbuchs. Die meisten Leser werden der Verführung dieser im Roman immer wieder auftauchenden Anspielungen auf das Agenturhandbuch erliegen, ihnen nachgehen und so selbst zu einer Art Detektiv auf der Suche nach des Rätsels Lösung werden. Unwin meint, die Lösung für sein Rätsel in den Fällen zu finden, die er gemeinsam mit Sivart für die Agentur gelöst hat. Doch je intensiver er diesen nachgeht, desto mehr Ermittlungsfehler findet er. Im kollektiven Gedächtnis der namenlosen Stadt sind die überführten Kriminellen, wie der Oberganove Enoch Hoffmann oder das Ensemble um Caligari und dessen »Wanderzirkus-der-nicht-mehr-wandert«, so aktiv wie eh und je. Mithilfe der Traumaufzeichnungen seiner Agentur, die heimlich sämtliche Bewegungen und Gedanken der Stadt überwacht, versucht Unwin, der Wirklichkeit auf die Spur zu kommen. Es beginnt eine faszinierende Reise an die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit, bei der er immer tiefer in die Mysterien der Stadt vordringt. Schon Heidegger philosophierte über das Mystische und die Wahrheit, die er ihrem Wesen nach miteinander verknüpft sah. Unwin dringt über Traumpfade immer tiefer in das Wesen der Stadt vor und erfährt, wie deren Schicksal aus der Unterwelt heraus gelenkt wird. Die alles bestimmende Frage dabei ist die nach der tatsächlichen Realität der subjektiv erlebten Wirklichkeit. Schon Lewis Carroll ging dieser Frage in seinem Kinderbuch »Alice im Wunderland« nach. Unwin ergeht es in etwa so, wie der kleinen Alice, die naiv in eine absurd-unlogische Welt stürzt und nicht mehr herausfindet. Mit Unwins Eintauchen in die Traumarchive werden die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Einbildung verzerrt und das »Handbuch für Detektive« wird zu einer großen Parabel über den Einfluss der Träume auf die Wirklichkeit. Berrys »Handbuch für Detektive« ist gespickt mit literarischen Verweisen. Darin spiegeln sich sein Literaturstudium und seine Lektorentätigkeit. Die hierarchisch-totalitären Gesellschaftsstrukturen in Berrys Roman erinnern an die dystopischen Sozialmodelle von George Orwell oder Jewgeni Samjatin. Auf Nikolai Gogols »Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen« spielen die zunehmende Auflösung aller zeitlichen Bezüge an. Die Absurditäten und Paradoxien in diesem fantasievollen Roman rufen unweigerlich Franz Kafka auf den Plan. Und das ein oder andere Mal fühlt man sich an Michael Endes »Momo« erinnert. Amüsant auch, wie Berry mit der Sprache spielt. Der Name seines Ermittlers ist ein genretypischer Fauxpas, denn Ermittlungserfolge verspricht der Name Unwin nicht. Travis T. Sivart ist nicht zufällig ein Palindrom. Denn um herauszufinden, auf welcher Seite der Wirklichkeit er verloren gegangen ist, kann es durchaus von Vorteil sein, wenn sich der Name von vorn wie von hinten lesen lässt. Jedediah Berrys »Handbuch für Detektive« ist ein Roman der besonderen Art. Als hätten Gogol, Kafka und Magritte einen Krimi geschrieben – surrealistisch, packend und mit doppeltem Boden. Bei der Lektüre ist daher nur ein Grundsatz des Erzählers zu beachten: »Alles, was ich Ihnen sage, entspricht der Wahrheit und alles was sie sehen, ist so real wie sie selbst.«
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Jedediah Berry |
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