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Gunnhild Øyehaugs
Debütroman »Ich wär gern wie ich bin« thematisiert das ewige Streben nach Liebe
und Anerkennung aus einer ungewöhnlichen Perspektive. Manchmal stehen wir uns selbst im Weg. Kommt es zu Meinungsverschiedenheiten, verkneifen wir uns oft das, was uns gerade durch den Kopf schießt – aus Angst unser Gegenüber zu verletzen. Oder wir legen Verhaltensweisen an den Tag, von denen wir denken, dass sie so von uns erwartet werden, und richten unsere Schönheitsideale und unseren Modegeschmack nach aktuellen Szenemagazinen und Trends – auch wenn diese uns gar nicht zusagen. Allerdings sichert uns das auch ein gewisses Maß an Anerkennung und dass andere uns wahrnehmen.
Diesen Wunsch haben auch
die Hauptfiguren in Gunnhild Øyehaugs Roman »Ich wär gern so wie ich bin«. Alle
sind sie auf der Suche nach Anerkennung, Liebe, und Erfüllung intellektueller
und künstlerischer Art und versuchen dies auf verschiedenen Wegen zu
verschaffen.
In einem sehr eigenen und
persönlichen Ton bietet Gunnhild Øyehaug dem Leser Einblicke in das Seelenleben
ihrer Protagonisten. Wie in einem erzählten Drehbuch werden die Figuren von
einer komplizenartigen »Wir«-Erzählinstanz beschrieben. Die meisten Kapitel
beginnen mit einer Variation des Satzes »Hier sehen wir...« und wie in
einem Film erhalten wir Informationen über den Lichteinfall, Musik etc, was den
Text wie eine Kamerafahrt wirken lässt. Schritt für Schritt wird die Szene von
der Kamera erfasst: Zuerst die Äußerlichkeiten wie Schauplatz,
Zimmereinrichtung, Kleidung und Aussehen der Person. Wir schauen der Figur in
ihren Handlungen zu, um dann in ihr Inneres einzutauchen. Gedanken und Gefühle
werden offengelegt, aber auch gleich von der Erzählinstanz kommentiert. Das
stört jedoch oft, da dem Leser hier nicht der Raum eingeräumt wird, sich selbst
seine Schlüsse zu ziehen oder Vermutungen anzustellen, wie in Viggos Beispiel:
»Er trank keinen Alkohol! Viggo trank nicht, weil: ach, das wird jetzt dauern
aber: Viggo trank nicht, weil er zutiefst davon überzeugt war, sich treu bleiben
zu müssen.« Es folgt die Erklärung, dass Viggo die Erfahrung gemacht hat,
dass Menschen sich anders verhalten, wenn sie betrunken sind, weswegen er
beschloss, nie zu trinken.
Wie in einem Drehbuch
finden sich auch zahlreiche Anspielungen auf Literatur und Filme, allerdings
liegen diese offen auf der Hand. In Øyehaugs Fall sind es besonders Lost in
Translation und Kill Bill 2, die großen Einfluss auf die Gedankenwelt
der Figuren haben. Sigrid schreibt einen Artikel über Frauen in zu großen
Männerhemden und versucht zu ergründen, warum diese damit immer »so extrem
niedlich und aussehen« und sich damit von ihrer verletzlichen Seite zeigen,
wie auch die Protagonistin in Sofia Coppolas Film. »Was sonderbar ist, stutzt
Sigrid, denn dieser Film ist doch von einer Frau.« Sie selbst kann nicht
verstehen, warum sich selbstbewusste, sexy Frauen so erniedrigen. Und trotzdem
finden wir sie im letzten Teil des Buches auf Kåres Sofa vor, bekleidet mit
einem zu großen Herrenpyjamaoberteil. »Das konnte sie schlecht ablehnen, sie
konnte schlecht sagen, dass sie das Tragen zu großer Herrenhemden für ein
Klischee hielt, für den typischen Ausdruck einer männlichen Ästhetik, eines
männlichen Blickes, eines speziellen, Frauen zum Objekt machenden Blickes.«
Beide Frauen richten ihre Lebenskonzepte an Filmen aus. Bestimmte Szenen werden herausgepickt analysiert und normgebend definiert. Sigrid, die sich nach Liebe sehnt und wahrgenommen werden will, aber Frauen verachtet, die sich dies beschaffen, indem sie ein zu großes Herrenhemd tragen. Doch erst indem sie selbst so ein Hemd trägt, kann sie sie selbst sein. Kåre reagiert unerwartet freudig darauf, dass Sigrid endlich einmal sagt, was sie denkt – ohne darüber nachzudenken, ob es nicht besser wäre den Mund zu halten. Und Wanda ist nicht so tough, wie sie gerne wäre. Tief verletzt von Kåre leckt sie ihre Wunden und ist zu stolz um zu ihm zurückzukehren – weil das nun mal nicht ins Bild der unnahbaren harten Frau passt. Diese Lebenseinstellungen sind aufgesetzt, eine Art Schutz, hinter dem sich die Figuren verstecken. Sie verhalten sich, wie sie es eigentlich nicht wollen, aber wovon sie ausgehen, dass genau dies von ihnen erwartet wird. Dadurch sind sie in ihrem Denken gefangen und nicht frei, sie selbst zu sein. Doch genau das ist es, was sie wollen: Sie selbst sein! Geliebt und akzeptiert zu werden, so wie sie sind, und ohne Angst zu haben anzuecken.
Øyehaug stellt diesen
Zwiespalt authentisch und einfühlsam dar. Mit teils poetischer Sprache und
kafkaesken Schachtelsätzen gelingt es der Autorin die innere Zerrissenheit der
Figuren greifbar zu machen. Allerdings strapaziert sie dies leider stellenweise
so sehr, dass es übertrieben wirkt. Dem Lob der norwegischen Presse, Øyehaug sei mit ihrem Romandebüt der Roman des Jahres gelungen, ist nur bedingt zuzustimmen. Gunnhild Øyehaug hat einen Drehbuchroman vorgelegt, der jedoch nicht ohne Makel ist. Zwar beschreibt die Autorin die Szenen zwischen den Paaren und ihrer inneren Gedankenwelt einfühlsam mit poetischer Kraft, doch das zeitgleiche Kommentieren der Erzählerinnen – es sind Beatrice und Dulcinea aus Dantes Göttlicher Komödie und Cervantes Don Quichotte, wie der Leser am Ende der Schlussbemerkung erfährt – nimmt die Spannung und verhindert, dass der Leser sich selbst ein Bild machen kann. Würde die Regisseurin Øyehaug ihre Kamerafahrten nicht gleich mit »Schnitt!« unterbrechen, wäre »Ich wär gern wie ich bin« ein durchaus herzerwärmendes Lesevergnügen geworden, das den Leser zum Nachdenken anregt. Aber so, wie es uns hier vorliegt, holpert die Filmrolle gelegentlich beim Abspielen.
Und
noch eine Bemerkung zum Schluss: Auf dem Buchcover der vorliegenden Ausgabe
winkt uns frech der Fehlerteufel entgegen, Komma und Auslassungszeichen fehlen –
anscheinend ein neuer Trend: »Frauen die Prosecco trinken« hat es vorgemacht.
Trotzdem, liebe Verlage, wenn die Grammatik unserer schönen Sprache hier ein
Komma vorsieht, dann sollte es auch dort eingefügt werden.
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Gunnhild Øyehaug |
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