Ich habe kurze Zeit nach
der Veröffentlichung dieser Nachricht bei Facebook, Twitter und Instagram ein
Bild gepostet, das erste Hinweise geben sollte, um was für eine Idee es sich
dabei handeln könnte.

Der Gedanke lag nah, dass Apple Suhrkamp nutzen will, um sein eigenes Image
über das Designermilieu hinaus mit Intellektualität aufzuladen. Ebenso nah lag
der Gedanke, dass man auf Seiten von Suhrkamp versuchen wird, den Autoren des
Hauses genau den Boost zu geben, der ihnen seit Jahren fehlt, weil das
Verlagshaus den Anschluss an die Netzkultur verloren hat. Ein erster Blick in
Theodor W. Adornos ‘Noten zur Literatur’ gibt die Richtung vor.
„Insgesamt
drängt sich auf”,
schreibt Adorno, „dass die Bücher sich dessen schämen, dass sie überhaupt
noch welche sind und nicht Trickfilme oder von Neonlicht beschienene
Schaufenster; dass sie die Spuren handwerklicher Tradition auslöschen wollen, um
nur ja nicht anachronistisch auszusehen, sondern mit einer Zeit mitzurennen, von
der sie insgeheim befürchten, dass sie für sie selber keine Zeit hat.“
(S.346)
Gerätselt wurde gestern vor allem, mit was für einer Ausstattung Apple die
Suhrkamp-Bücher künftig auf den Markt bringen will. Vermutet hat man, dass es
neue Prozessoren sein sollen, die mit tausend Mal präziseren Fußnoten arbeiten.
Jetzt aber kann ich zeigen, welches Geheimnis tatsächlich hinter der neuen
Suhrkamp-Book-Serie von Apple steckt:

Dieser Einblick in das Innere der neuen Suhrkamp-Bände hat etwas Überraschendes.
Apple hat sich nicht gegen die Kultur der Aufklärung entschieden. Erfüllt wird
stattdessen, was Adorno in den ‘Bibliographischen Grillen’, die „Courage zur
eigenen Form genannt hat“. Das ist die zwiespältige Nachricht dieser
Innovation: Das Buch leuchtet. Aber es bleibt ein kleines Licht.
Allerdings hat Apple für alle Zweifler eine ganz besondere Pointe parat. Wenn es
nach der Marketing-Abteilung geht, soll die Transformation der Bücher nicht in
der Hand von Apple bleiben. Auch der neue Reader soll nicht allein von Suhrkamp
eingesetzt werden. Auf den Markt bringen will Apple ein Open-Source-System, das
jeder User selbst bauen und weiterentwickeln kann.
Bereits gestern sind dafür die wichtigsten Arbeitsschritte offen gelegt worden.

Schritt 1.
Man nimmt einen Bleistift und ein Stück Brotpapier und paust das Logo von seinem
Mac ab.
Schritt 2.
Man legt das Brotpapier mittig auf das Cover eines Buches, nimmt ein
Teppichmesser und schneidet akkurat entlang der Pauslinien das Logo nach. Dabei
muss man so fest aufdrücken, dass das Teppichmesser durch das Cover
hindurchgeht.
Schritt 3.
Man nimmt das ausgeschnittene Logo aus dem Cover heraus.
Schritt 4.
Nun muss man nur noch ein Stück übrig gebliebenes Brotpapier hinter das Cover
kleben. Achtung: Wenn man das Papier fälschlicherweise vorne drauf klebt,
minimiert sich der Effekt fast vollständig.
Schritt 5.
Jetzt muss man nur noch das Cover hochklappen und ein Teelicht in das Buchinnere
stellen.
Das lässt sich mit jedem
Buch aus jedem Verlag machen. Und Apples Botschaft aus der smarten Welt lautet:
Jeder darf es machen. Das aber heißt, dass Apple nicht nur einen Rettungsplan
für den Suhrkamp-Verlag, sondern für die Buchkultur vorgestellt hat.
Der Sommer ist vorbei, der
Herbst hat begonnen. Wer mag da nicht, wenn es kalt und stürmisch wird,
gemütlich zuhause sitzen, eine Kerze anzünden und sich einem guten Buch widmen.
Das geht jetzt auf besondere Weise. Der September kann kommen, der Oktober auch.
Wenn wir wollen, kann das jetzt ein richtig schöner Bücherherbst werden.
Denn „Leid“,
schreibt Adorno in den ‘Noten zur Literatur’, „ist die wahre Schönheit an
den Büchern“.

Stephan Porombka ist Professor für Texttheorie und Textgestaltung an der
Universität der Künste in Berlin und twittert unter @stporombka.
Quelle: Stephan Porombkas Blog stp
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