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Gentrifizierung ist das
politisch beförderte Recht des Stärkeren, Städte sozial durchzusortieren. Über
das Zusammenwirken von Politik, Kunst und Immobilienwirtschaft am Hamburger
Beispiel. Die soziale Entmischung unserer Metropolen hat viele Namen und Gesichter: Sie heißen sanierter Altbau, Town-House oder Gated Community, Shopping-Arkaden oder Flagship-Store, Mediaspree oder Hafencity. Wo sie auftauchen, macht sich Widerstand breit. Kaum eine Stadt ist dabei so berühmt geworden wie Hamburg, wo sich der zivile Ungehorsam gegen die so genannte Gentrifizierung, d.h. „die Maschinerie, die die Teilhabe an der Stadt über Geld und Herkunft regelt“, wie es der Journalist und Aktivist Christoph Twickel formuliert, bis ins Bürgertum ausgebreitet hat. In der Besetzung des Gängeviertels im August 2009 fand dieser Widerstand seinen bisherigen Höhepunkt und sorgte bundesweit für Furore. Die jüngeren Aktionen gegen die drastische Kürzung der Finanzmittel für das Hamburger Schauspielhaus sinnd die Fortsetzung dieses Protests. Twickel, Mitinitiator des Manifests „Not in Our Name, Marke Hamburg“, hat nun einen Rückblick auf die Hamburger Ereignisse aus der Graswurzel-Perspektive vorgelegt. Sein Bericht „Gentrifidingsbums oder eine Stadt für alle“ bietet nicht nur einen umfassenden Einblick in die vielfältigen Mechanismen der sozialen Segregation in der Stadt und damit über Gentrifizierung als politische Methode, sondern ist zugleich auch eine Bedienungsanleitung für den notwendigen gesellschaftlichen Ungehorsam. Dieses „Gentrifidingsbums“ sei keineswegs ein Zufallsprodukt von Angebot und Nachfrage, sondern ein höchst komplexes System der zielgruppenorientierten Aufteilung von Lebensraum und Teilhabechancen in der Stadt unter dem Aspekt der globalen Standortkonkurrenz der Metropolen, schreibt Twickel gleich zu Beginn. Die Wohnbevölkerungen ganzer Innenstadtviertel geraten dabei unter die Räder eines marktorientieren Systems und werden durch dessen Logik an den Rand der Städte verdrängt. Die so leergeräumten Zentren werden dann saniert, um anschließend die finanzstarken und kaufkräftigen Bevölkerungsanteile zu beherbergen und diese ihr Geld in den Flagshipstores und Kreativtempeln ausgeben zu lassen. Dieses System deckt Twickel in all seinen Facetten auf, wobei er zwei Aspekte besonders ins Auge nimmt: Zum einen die Inszenierung der Stadt als internationaler Marktstandort auf Kosten der tatsächlichen Metropole und zum anderen die dreiste Aneignung des Kulturbetriebs im Sinne dieser Inszenierung. Denn der Kulturbetrieb soll nach Vorstellung der jeweiligen Stadtoberen „wie der Esel der Karotte“ hungrig den Fördertöpfen und Zwischennutzungs-Gelegenheiten nachlaufen und – getreu der Kreativklassentheorie eines Richard Florida – diese Entwicklungsgebiete beleben, um „Investoren oder neue, zahlungskräftige Bewohner anzulocken“. Dahinter steckt eine perverse Logik. Da werden Künstler und Kreative mitsamt ihren Institutionen erst finanziell ausgehungert und in eine strukturelle Abhängigkeit getrieben, um sie anschließend als Köder der finanzstarken Elite zu missbrauchen, mit der sie dann maximal verschmelzen dürfen. Oder theoretisch gesprochen: Aus den Einfallsreichen und Kreativen wird das kreative Prekariat (Antonio Negri), welches dann zum Trendsetter und damit für Stadtplaner als Kreative Klasse (Richard Florida) attraktiv wird. Hier Widerstand zu zeigen, hieße die Deutungshoheit im Diskurs um die Gentrifizierung zurückzugewinnen. Twickels Rückschau schwankt in ihrem Ton zwischen Sachlichkeit und Emotion, Wissenschaft und Plauderei, Analyse und Anekdote, was zugleich die Stärke und Schwäche dieser Essaysammlung ist. Denn so gelingt es ihm, komplexe gesellschaftspolitische Sachverhalte des Phänomens Gentrifizierung mit der miefigen Hamburger Lokalpolitik und den verrücktesten Widerstandsaktivitäten zu verknüpfen. Ihm gelingt es zu zeigen, wie man mit zivilgesellschaftlichen Prozessen politische Dummheiten entlarvt. Wie lange sich diese dann aufhalten lassen, ist noch Teil des gesellschaftlichen Experiments, dessen Grundkonstellation Twickel hier beschreibt. Dabei zeigt er in seiner Rückschau auf die Hamburger Ereignisse nicht nur, wie schnell die Kreativen im ausgeklügelten System des „Gentrifidingsbums“ zu ungewollten Mittätern einer wahren Stadtvernichtungspolitik und damit zu den Beförderern der Latte-Macchiato-Schickeria in den Innenstädten werden können, sondern auch, was für ein Menschenbild hinter dieser Form der neoliberalen Stadtverplanung steckt. Es ist das des Homo Oeconomicus, das weder Individualität noch Identität kennt.
Eine Stadt aber, die ihre
Entwicklung an einem solchen Menschen- und Gesellschaftsbild ausrichtet, wird
über kurz oder lang zu einer gesichts- und seelenlosen Stadt.
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Christoph Twickel |
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