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Balzacs
Vorrede zur Menschlichen Komödie
Die
Neuausgabe seiner
»schönsten
Romane und Erzählungen«,
über eine ungewöhnliche Erregung seines
Verlegers Daniel Keel und die grandiose Balzac-Biographie
von Johannes Willms.
Leben und Werk
Essays und Zeugnisse mit einem Repertorium der wichtigsten
Romanfiguren.
Hugo von
Hofmannsthal über Balzac
»... die größte, substantiellste schöpferische Phantasie, die seit
Shakespeare da war.«

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Begriffe
in Bewegung
Das einzige existierende Filmdokument des Französischen Philosophen Gilles
Deleuze ist jetzt mit deutschem Voice-Over erschienen.
Neben Michel Foucault und Jacques
Derrida war Gilles Deleuze
der prominenteste Philosoph der 68er-Bewegung. Er genoß es, mit seinem
anarchischen Temperament zu provozieren, bekannte sich als Linker demonstrativ
zu Nietzsche und und wagte in seinen Schriften so disparate Themengebiete wie
Anthropologie, Architektur, Biologie, Geschichte, Psychoanalyse,
Sprachwissenschaft, politische Ökonomie, Soziologie, Musik, Kunst, Literatur
oder Kino zusammenzuführen. Doch trotz seiner Popularität war der Autor
vieldiskutierter philosophischer Bestseller nie im Fernsehen aufgetreten.
Als er sich 1988 doch auf ein Filmgespräch einließ, geschah dies abseits des
Medienhypes und zu seinen Bedingungen. So war der Produzent des Films ein
befreundeter Filmemacher, und seine Gesprächspartnerin war Claire Parnet, mit
der er befreundet war und ein Buch (Dialoge, 1980 Suhrkamp) geschrieben hatte. »Deleuze
hat durch seinen lebenslang geübten und endlich unverwechselbaren Stil
vibrierender Nüchternheit, den man nur literarisch nennen kann, jeden Begriff,
mit dem sein Denken in Berührung gekommen ist, in Bewegung versetzt und zum
Leben einer selbständigen 'Begriffsperson' erweckt«, beschreibt Martin Stingelin
in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Faszination des Interviews.
Doch, entre nous, so ganz sicher bin ich mir bei den Franzosen nie, ob sie das
alles tatsächlich so ernst nehmen und meinen, wie es der Deutsche Intellektuelle
gerne hätte. Allein das Interieur, die arrangierte Szenerie der Zusammenkunft
ist très léger. Und mit welcher charmanten Nonchalance Gilles Deleuze in einem
ausgeleierten, mauvefarbenen Pullover vor einer halbhohen Kommode sitzt, über
der ein alter Spiegel hängt, in dessen linken unteren Ecke man das Spiegelbild
seiner ketterauchenden Gesprächspartnerin, Claire Parnet, erkennt, das ist
grandios. Rechts oben neben dem Spiegel hängt, nicht zufällig (?) ein alter Hut.
Es wurde ein langes Gespräch von mehr als sieben Stunden, in dem Deleuze mit
viel Ironie & Witz, charmant und ohne Pathos die Stichwörter pariert,
illustriert dekonstruiert und zusammensetzt, die Parnet mit ihrer alphabetischen
Begriffsauswahl von A wie Animal bis Z wie Zickzack vorgibt.
Das macht Spaß, das inspiriert, das hat Stil.
Bis auf eine Kleinigkeit, die dem zuhörenden Betrachter bei genauerem Hinsehen
aufgefallen ist und nachhaltig irritiert hat. Die langen, sehr langen, schon
krallenhaft gebogenen Fingernägel von Gilles Deleuze, die so gar nicht zu dem
ansonsten uneitel wirkenden Grand Seigneur passen wollen. Gibt es dafür eine
Erklärung, wenn ja, bitte eine aufklärende Mail an
www.glanzundelend.de. Herbert Debes
ps
Zum Thema
Fingernägel haben wir einen sehr hilfreichen Hinweis erhalten, in dem Deleuze
selbst zu Wort kommt: Aus seinem wunderschönen "Brief an einen gestrengen
Kritiker" (siehe u.a. SHORT CUTS S.100 ff.). :
"Da Du
immer wieder auf meine Fingernägel zurückkommst, werde ich es Dir erklären. Man
kann natürlich immer sagen, daß meine Mutter sie mir früher zu kurz geschnitten
hat und daß das mit Ödipus und der Kastration zu tun habe (groteske, aber
psychoanalytische Interpretation). Man kann auch angesichts der Abnormität
meiner Finger sagen, daß es mir wegen der fehlenden Hautrillen auf den
Fingerkuppen Nervenschmerzen bereitet, mit den Fingerspitzen ein Objekt,
besonders StoV zu berühren, was den Schutz langer Fingernägel erfordert (teratologische
und selektionistische Interpretation). Man kann außerdem sagen, und das ist
wahr, daß mein Traum nicht darin besteht, unsichtbar zu sein, sondern
unwahrnehmbar, und daß ich diesen Traum durch den Besitz von Fingernägeln
kompensiere, die ich wunderbarerweise in der Tasche verschwinden
lassen
kann, daß mir nichts schockierender erschiene, als wenn sie jemand betrachtet
(sozialpsychologische Interpretation). Schließlich kann man sagen: »Du sollst
nicht an den Fingernägeln kauen, denn die gehören dir; wenn du Fingernägel
magst, dann kaue an denen der anderen, wenn du willst und kannst« (politische
Interpretation).
Du aber
wählst die mieseste Interpretation: er will etwas besonderes sein und macht auf
Greta Garbo. Auf jeden Fall ist es merkwürdig, daß von all meinen Freunden
keiner bis jetzt meine Fingernägel bemerkt hat; sie fanden sie
ganz
natürlich, zufällig dort angepflanzt vom Wind, der Samenkörner herbeiträgt und
nicht weiter erwähnenswert."
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Abécédaire.
Gilles Deleuze
von A bis Z.
Ein Film von Pierre-André Boutang. Konzeption
und Interview: Claire Parnet. Original mit deutschen Untertiteln,
wahlweise deutschem Voice-Over (gesprochen von Hanns Zischler und
Antonia von Schöning).
Hg. von Valeska Bertoncini und Martin Weinmann.
453 Minuten.
3 DVDs im Schuber.
49,90 €
absolut MEDIEN &
Zweitausendeins
Animal (Tier) - Boisson (Alkohol) - Culture (Kultur) - Désir
(Wunsch) - Enfance (Kindheit) - Fidelité (Treue/Freundschaft) -
Gauche (Links) - Histoire (Geschichte der Philosophie) - Idee - Joie
(Freude) - Kant - Literatur - Maladie (Krankheit) - Neurologie -
Oper - Professeur - Question (Frage) - Résistance (Widerstand) -
Style (Stil) - Tennis - Un (Das Eine) - Voyage (Reisen) -
Wittgenstein - Y (Unbekannt) - Zickzack
Die längst überfällige
erste deutsche Ausgabe bietet das vollständige Filmgespräch in Originalsprache
mit optionalen deutschen Untertiteln zum Mitlesen sowie eine eigens produzierte,
von Hanns Zischler sehr einfühlsam gesprochene Voice-Over-Fassung.
Mit einem 60 seitigen Booklet
Aus Gesprächen mit den Filmemachern
Claire Parnet Interview I & II
Pierre-André
Boutang
Ein kleines Abc
Siglen und Nachweise
absolutMedien
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