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Wilhelm II. letzter deutscher Kaiser
Der
britische Historiker John C. G. Röhl gilt sicherlich als der profundeste Kenner
Wilhelms II., seine lange Beschäftigung mit dem letzten deutschen Kaiser
gestaltete sich zur Obsession. Mit dem vorliegenden Band schließt er eine
Trilogie auf über 4000 Seiten ab. Der erste Band, erscheinen 1993, beschäftigte
sich mit der Kindheit und Jugend des Prinzen. Röhl stellte darin Wilhelm als
eine narzißtisch gestörte Persönlichkeit dar: Schwülstig, nachdenklich, brutal,
naiv, eloquent, berechnend und taktlos. Sein Auftreten, häufig in Uniformen,
inszenierte Wilhelm mit theatralischen Gesten und lauter Rhetorik. Wilhelm war
empfänglich für Schmeicheleien, aber unfähig zu konzentrierter Arbeit. So Röhl
im ersten Band, was er im zweiten, erschienen 2001, über den Aufbau der
persönlichen Monarchie aufs Neue bestätigte. Akribisch zeigte der Historiker die
meist peinlichen, zum Teil auch. katastrophalen Auswirkungen dieser
Charaktereigenschaften auf. Anschaulich belegend reiht Röhl Zitat an Zitat aneinander. Hinter seiner Vorliebe fürs extensive Zitieren steckt eine methodische Vorgehensweise, die er selber als „quellennahe Darstellungsform“ bezeichnet. Sie ist ihm Mittel, seine Interpretation über Wilhelm II. realitätsnah zu belegen. Neben methodischen Problemen ergibt sich eine zentrale Schwierigkeit des Textes selbst. Erstreckt auf über 1.300 Seiten bei eng und klein gesetztem Text sind Röhls Bücher eine Quellensammlung zu Wilhelm II. mit verbindendem Fließtext. Wer sich hier durcharbeitet, hat entweder großes Interesse an Wilhelm II. oder viel, viel Zeit. Laien, die sich nicht aus wissenschaftlichen Gründen durch dieses Textkonvolut quälen wollen oder müssen, werden dieses Buch alsbald zur Seite legen und vielleicht, wahrscheinlich oder besser hoffentlich zu einem Werk greifen, das den Ansprüchen interessierter Laien weitaus befriedigt als Röhl. Gemeint ist die Studie von Christopher Clark. Clark hatte sich mit seinem Buch „Preußen – Aufstieg und Niedergang 1600-1947“ einen exzellenten Namen in der deutschen Geschichtsschreibung erworben. Grund genug für die Deutsche Verlagsanstalt die deutsche Übersetzung einer nicht mehr ganz neuen, aber immer noch aktuellen Monographie über Wilhelm II. zu veröffentlichen. Clark legt die Interpretationsschichten der letzten hundert Jahre frei, die sich auf den letzten deutschen Kaiser gelegt haben. Und was er unter diesen Schichten findet, ist ein ganz anderer Wilhelm als der, den Röhl präsentiert.
Studien über und zu Wilhelm II. unterlagen (und unterliegen) nicht nur
methodischen bzw. methodologischen Spielereien, sondern auch tagespolitischen
Anliegen. Und damit verfolgten sie immer auch einen Zweck. Dass das Naturell wie
die körperliche Behinderung des Kaisers Raum und Möglichkeit boten, ihn virtuell
auf die Couch zu legen, beförderten Spekulationen über dieses und jenes. Die
ersten Schriften, die eine mögliche Geisteskrankheit zu belegen versuchten,
bürdeten dem Kaiser die Alleinverantwortung für den verlorenen Krieg und die
katastrophalen Situation Deutschlands nach Ende des Krieges auf. Nicht
Deutschland hatte den Krieg verloren, sondern der Psychopath auf dem Thron. Auch
der Siegeszug der Psychoanalyse hinterließ bei den Einschätzungen Wilhelms
Persönlichkeit Spuren. Für Sigmund Freud war der Entzug der Mutterliebe durch
die „stolze Mutter“, die es nicht verwinden konnte, dass ihr Sohn mit einem
verkrüppelten Arm auf die Welt gekommen war, schuld an den Unzulänglichkeiten
Wilhelms. Dass Wilhelm aber eher in einem sehr liberalen, offenen und
liebevollen Elternhaus aufwuchs, diese Tatsache wird dabei bei Seite geschoben.
Auch Röhl obduziert Wilhelm und diagnostiziert eine seltene
Stoffwechselkrankheit namens Porphyrie. Diese war mit schmerzhaften körperlichen
Symptomen und Anfällen von geistiger Verwirrung verbunden. Zwar kann Röhl die
Diagnose post mortem nicht belegen, aber eine Fülle von Zitaten, die den
Geisteszustand des Monarchen aufzeigen sollen und sich wie ein roter Faden durch
die Darstellung ziehen, dient als Beleg. Vielleicht wird die Diagnose mittels
einer DNA-Analyse eines Tages ja doch noch möglich sein! Wilhelm war qua Geburt ein politischer Mensch. Sein ihm durch die Geburt zugefallenes Amt war verfassungsrechtlich jedoch nur unzureichend definiert. Ein Systemfehler, der Bismarck unterlaufen, wenn nicht gar von ihm gewollt war. Der erste deutsche Kaiser, Wilhelm I., hatte sich weiterhin als preußischer König gefühlt und seinem Amt keine Substanz verliehen. Zum Glück für Bismarck, der noch vor Wilhelm I. die wichtigste, integrative Persönlichkeit des deutschen Reiches war. Wilhelm II. wollte sein Amt kaiserlicher ausgestalten und sich aktiver in die Politik einmischen. Dieser Versuch des Kaisers, sich von der Regierung zu emanzipieren, stieß jedoch mit einer Entwicklung zusammen, die jede Form von neoabsolutistischem Gebaren entgegenstand. Auch das Deutsche Kaiserreich begann sich zu demokratisieren. Mit einem Parlament, das seine Mitbestimmung einklagte, mit einer Presselandschaft, die sich zusehend als neue Gewalt in der politischen Auseinandersetzung fühlte, es sei an die Eulenburg-Harden-Affäre erinnert, und mit einer Regierungen, die eine Einmischung in ihre Politik nur ungern hinnahmen und sei sie vom Kaiser. Röhls These, dass Wilhelm ein persönliches Regiment aufbauen wollte, spiegelt vielleicht den Willen des Kaisers wider, nicht aber die politische Realität. Clark gelingt es anschaulich, die Konflikte aufzuzeigen, worauf die diese unterschiedlich verlaufenden politischen wie gesellschaftlichen Prozesse hinauslaufen mussten. Wilhelms Versuche, sich politische Spielräume zu erobern, meist im Sinne und im Geiste der Verfassung, kollidierten mit dem Erbe Bismarcks oder mit Demokratisierungs- und Emanzipationsprozessen anderer politischer Institutionen. Dass der Kaiser aus diesen Konflikten eben nicht siegreich hervorging, sollte eigentlich eine genauere Betrachtung wert sein. Wenden wir uns aber der wohl interessantesten Frage zu, welchen Anteil, welche Verantwortung, welche Schuld Wilhelm am Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatte. Bei Röhl ist die Sache klar. In einem Interview mit Sven Felix Kellerhoff antwortet er auf die Frage, ob Wilhelm sich bewusst für den Krieg entschieden habe, folgendermaßen:
„Bereits lange vor 1914 drängte Wilhelm II. auf einen europäischen Krieg hin,
und zwar in den Jahren 1902 bis 1912 gegen Frankreich und England in der Annahme
russischer Neutralität, seit November 1912 dann auf einen Krieg gegen Frankreich
und Russland in der Annahme, England bliebe neutral. Bis 1914 scheute er
allerdings vor der letzten Konsequenz zurück. Die Entscheidung, die er am 5.
Juli 1914 traf, Österreich-Ungarn auch für den Fall beizustehen, dass sein
Angriff auf Serbien den Krieg gegen Russland und Frankreich auslösen würde, kam
allerdings nicht überraschend. Gerade dieses Szenario hatte der Kaiser seit
anderthalb Jahren nicht nur mit seinen eigenen höchsten Beratern, sondern auch
mit den verbündeten österreichischen Generälen und Staatsmännern eingehend
erörtert und dabei eine unbekümmerte Kriegslust an den Tag gelegt.“ Während des Krieges spielte der Kaiser keine Rolle. Hatte er zuvor die Möglichkeit, den Lauf der deutschen Politik zu beeinflussen, beeinflussen, nicht zu steuern, so wurde er zunehmend zu einer Randfigur, zu einem „Gefangenen seiner Generäle“. Er wurde, was den Kriegsverlauf anging, weder auf dem Laufenden gehalten noch zu Rate gezogen. Auch deswegen herrschte um ihn herum eine surreale Stimmung der Unkenntnis bis hin zum Realitätsverlust. Bis zuletzt. Schockiert reagierte er, als er Ende September 1918 erfuhr, dass das Deutsche Reich vor einer Niederlage stand. Danach stellte er die wildesten Pläne an, seinen Thron zu retten oder zumindest seine Ehre. Er verlor beides. Das erste war nicht zu retten, das zweite wollte ihm niemand retten. Es war gut, einen Schuldigen zu haben. Die letzten 23 Jahre seines Lebens verbrachte er im holländischen Exil.
Clark ist ein Buch gelungen, das einer schwierigen Persönlichkeit der deutschen
Geschichte so etwas wie Gerechtigkeit widerfahren lässt. Nein, man wird auch
nach der Lektüre des Buches keinen Gedenktag für Wilhelm fordern. Aber er ist
bestimmt nicht die „Nemesis der Weltgeschichte“, wie Röhl ihn einst nannte. Nach
Clark war Wilhelm ein „intelligenter Mensch, ausgestattet allerdings mit einem
schlechten Urteilsvermögen, der zu taktlosen Ausbrüchen und kurzlebigen
Begeisterungen tendierte, eine ängstliche, zur Panik neigende Gestalt, die
häufig impulsiv aus einem Gefühl der Schwäche und Bedrohung heraus handelte.“ So
sieht natürlich kein Sympathieträger aus. Und die Verteilung guter und weniger
guter Eigenschaften war nicht optimal, ein Umstand, den er aber mit einem
Großteil seiner Mitbürger teilte. Insofern wäre Wilhelm ein guter Bürger seines
Reiches gewesen. Als Monarch war sein Charakter aber zu medioker. Insofern ist
Wilhelm ein gutes Beispiel dafür, dass die Monarchie in Deutschland zu Recht
untergegangen ist. Michael Knoll |
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