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Die Macht
der Erinnerungen quält Horacio Castellanos Moya seinen Protagonisten mit Erinnerungen an die Toten des salvadorianischen Bürgerkriegs. Von Isabella Caldart
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1991 ist das Ende des Bürgerkriegs in El Salvador in greifbare Nähe gerückt, beendet ist er aber noch nicht. Erasmo Aragón will zurück, das sichere Exil hinter sich lassen, seine zerrüttete Beziehung hinter sich lassen, Mexiko hinter sich lassen. In seiner ehemaligen Heimat hat er die Möglichkeit, beim Aufbau eines neuen Magazins mitzuarbeiten. Doch ist es sicher, nach El Salvador zurückzukehren? In einer Schlüsselszene erinnert er sich an die Worte seines Cousins, den er einst fragte, warum er nach El Salvador zurückwolle. »Aus Blödheit«, antwortet er dem Protagonisten. Zwei Monate später ist er tot, ein weiterer sinnloser Toter unter Tausenden, die das Militär El Salvadors zu verantworten hatte. Erasmo weiß, dass er genauso unvernünftig handelt wie sein Cousin, kann er doch auf zahlreiche Publikationen zurückblicken, die sich explizit gegen die Militärdiktatur richten. Warum also zurückkehren? Die Antwort auf diese Frage muss offen bleiben, da es keine rationale Erklärung gibt. Der Alkoholiker aus Leidenschaft Erasmo besucht unterdessen einen Arzt, da er an Schmerzen in der Leber leidet. Der ältere Mann behandelt ihn durch Hypnose. Erasmo ist zunächst skeptisch, lässt sich aber auf diese Therapieform ein und siehe da: Es funktioniert. Der Protagonist weiß nicht, was er unter Hypnose von sich selbst preisgibt und auch der Leser erfährt es nicht. Die Therapie hilft ihm allerdings dabei, verdrängte Erlebnisse wieder ans Tageslicht zu bringen. Erasmo wird immer stärker von der Erinnerung an die Toten gepeinigt, beginnt im Verlauf des Romans aber, an seinem eigenen Gedächtnis zu zweifeln. Was ist wirklich geschehen? Erasmo erkennt schnell, dass er seinen Erinnerungen nicht trauen kann. Der Roman ist aus seiner Sicht geschildert, einen übergeordneten Erzähler gibt es nicht. Deswegen bleibt offen, hinter welchen Erinnerungen des Protagonisten sich die Wahrheit verbirgt und welche durch das unzählige Wiederholen fremder Gedanken vermeintlich zur eigenen Vergangenheit wurden. Das größte
Geheimnis in »Der Traum von Rückkehr« birgt die Familie des Protagonisten. Die
Verbrechen von Eltern und Großeltern werden innerhalb des Romans aber nur
angedeutet. Ein geschickter Schachzug? Hier offenbart sich die einzig wahre
Schwachstelle des Romans: Erasmo wird nicht mit der Vergangenheit seiner Familie
konfrontiert. Das ist schade, besäße dieser Handlungsstrang viel Potential.
Erasmo erinnert sich an immer mehr Tote, die er bis dato verdrängt hatte, und
muss lernen, mit seiner Geschichte und der Geschichte seines Landes, untrennbar
miteinander verknüpft, umzugehen. Sein Umgang mit den Tätern – insbesondere
innerhalb der Familie – wäre ungleich interessanter gewesen. Castellanos Moyas
Charaktere tauchen allerdings in mehreren seiner Werke auf, auch die Familie
Aragón hatte er in früheren Romanen bereits eingeführt – eine Möglichkeit für
den interessierten Leser, mehr über Erasmos Vergangenheit zu erfahren. Artikel online seit 23.11.15 |
Horacio
Castellanos Moya |
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