Notizen einer lebenslangen Obsession
22.02.2013 | Drei Ehen, fünf Kinder, ein Dutzend Berufe, über dreißig Stücke, Romane, Erzählungen, Lyrik und Essays, ein Leben auf der Überholspur, so könnte die Kurzbiografie August Strindbergs lauten, oder wie sein Biograph Olof Lagercrantz es ausdrückt: „Gefühlsmäßig und intellektuell bewältigte er jeden Monat das, wofür ...
Unverfügbare Fische
21.02.2013 | Wenn das Wasser der Leitung folgt, so folgt daraus Leitungswasser (umgekehrt ginge es auch). Die deutsche Sprache liebt bekanntlich die Komposita, und deutsche Dichter lieben sie auch, denn mit ihnen lassen sich mühelos und endlos die verblüffendsten Neologismen erzeugen. ...
Essay und Form
20.02.2013 | Zäumen wir das Pferd also von hinten auf. Was immer das heißt, ein Pferd von hinten aufzäumen. Ein wenig wie mit dieser idiomatischen Wendung geht es mir mit den Essays von Volker Demuth, die in dem Büchlein Zur Sprache kommen oder Schreiben.doc, erschienen im renommierten Wiener Passagen Verlag, ...
Unerwartete Stille
19.02.2013 | Als „Asphalt-Rimbaud“ wurde Björn Kuhligk einst bezeichnet, sein „leicht rotziger, nie halbherziger“ Ton gepriesen, seiner Poesie wurde „street credibility“ attestiert. Keine Frage, dass all diese Prädikate durchaus zutreffend sind, aber sie stellen doch nur die halbe Wahrheit dar. In Kuhligks jetzt erschienenem fünften Gedichtband Die Stille zwischen null und eins wird dies deutlicher denn je. ...
Prozess und Prothese
18.02. 2013 | »Der Text ist kein Zentrum. Der Text ist diese Offenheit ohne Grenzen der differentiellen Verweisung«, heißt es in Jacques Derridas wohl bekanntestem und oft genug zitiertem Postulat zum dekonstruktivistischen Textbegriff. »Folglich setzt dieser […] Begriff des Textes voraus, daß man in keinem Moment etwas außerhalb ...
Die blaue Stichflamme des Vogelgesangs. Mit Ulrich Kochs Gedichten.
17.02.2013 | Einiges an Aufregung steht uns in diesem Dreizehn-Jahr bevor, wovon das Erscheinen des neuen Depeche-Mode-Albums das Einzige sein dürfte, über dessen Ausgang wir halbwegs Bescheid wissen. Wir werden nach der Degradierung unserer allerobersten Schultante noch staunend die Einführung der Einheit ‚Brüderle‘ für dahinwelkende Männergierden ...
Spaziergänge zwischen Himmel und Hölle
16.02.2013 | Gesetzt den Fall, einer, dem alles gleichgültig ist, der sich selbst zum einzigen Zentrum seiner Welt gemacht hat, erlebt Abenteuer, wie wahrscheinlich ist es dann, dass ein Leser diese Abenteuer nachvollziehen kann? Ich jedenfalls habe eine gewisse Zeit benötigt, mindestens 300 Seiten, um mich an Joel Spazierer zu gewöhnen, ...
Über die Zeit und die Linie: Anton Pincas und Yves Bonnefoy in Publikationen der Stiftung Lyrik Kabinett
15.02.2013 | Hohe gestalterische Qualität — also: feines Papier, schöne Umschläge, sorgfältiger Satz und Fadenheftung — zeichnet die von der so unerschrockenen wie unermüdlichen Ursula Haeusgen begründete Schriftenreihe des Lyrik Kabinetts München aus. Die haptische Freude über die Bände wäre indes unvollkommen, ...
Balanceakt -Roger Smith schreibt in „Stiller Tod“ am Entsetzen entlang
14.02.2013 | Tote wieder zum Leben zu erwecken, ist wohl eine große Kunst, aber im digitalen Zeitalter gibt es wenigstens einige Ansätze, sich an dieses Projekt zu wagen – Ansätze, die weit über das hinaus gehen, was weiland dem guten Herrn Doktor Frankenstein möglich war. Keine groben Nähte mehr, keine intellektuellen oder emotionalen Fehlfunktionen, ...
Imperium und Garten. Zum Dossier »Problems of Horror« im Schreibheft Nr. 79 und 80
13.02.201 | Kurz bevor ich mein Studium am Deutschen Literaturinstitut begann, am Ende des letzten Jahrtausends, gehörte literarisches Übersetzen noch zum Bestandteil der dortigen Ausbildung. Allerdings wurde dieses Fach aus dem Angebotskatalog des Hauses herausgekürzt. Geldmangel? Auf jeden Fall hätte man, um es weiter zu betreiben, eine Professur gebraucht. ...
Das doppelte Phantom
12.02.2013 | Es gibt diese Anfangssätze, die die gesamte Fabel eines Romans enthalten. Exemplarisch dafür steht natürlich Tolstoi in Anna Karenina: „Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise.“ Und jetzt endlich auch dieser Satz, übersetzt übrigens von derselben großartigen Übersetzerin, Rosemarie Tietze, ...
roughbooks - Riding und Para-Riding
12.02.2013 | Wie langweilig Bücher sein können fällt erst auf, wenn man eines der seltenen experimentellen Sorte in die Finger bekommt. So eines hat Urs Engelers roughbooks-Reihe der zu Unrecht hierzulande kaum bekannten Laura (Riding) Jackson (1901 – 1991) gewidmet, die zu Recht beachteten Monika Rinck und Christian Filips ...
Täter, Opfer, Literaten
11.02. 2013 | Dass der Berliner Verlag Matthes & Seitz „schon immer etwas exzentrisch nach Frankreich“ ausgerichtet ist, wie Helmut Böttiger auf den Internetseiten von Deutschlandradio Kultur schreibt, ist das große Glück vieler Leser im deutschsprachigen Raum. Kaum ein anderes Haus hat sich um die Zugänglichkeit ...
I changed my mind
10.02.2013 | „Ich wünsche mir, dass du als Nächstes einen Film über Hannah Arendt machst“, sagte der Produzent Martin Wiebel schon 2002 zu der Regisseurin Margarethe von Trotta. Nach kurzem Zögern willigte sie ein, darüber nachzudenken, wie man „eine Person beim Denken“ zeigen kann. ...
Eine Bierlaune, aber keine Schnapsidee
08.02.3013 | Wenn man sich das Mittelfeld von Borussia Dortmund einmal etwas genauer anschaut, spielen dort mit Ilkay Gündogan, Nuri Sahin, Kevin Großkreutz und Mario Götze derzeit lauter gebürtige Westfalen. Das ist zwar nicht (immer) entscheidend, aber immerhin doch eine Überraschung bei der heutigen durchkommerzialisierten ...
Die Wissenschaft der Lebenslügen
07.02.2013 | In „Die Nacht der Physiker“ beleuchtet von Schirach die persönlichen Hintergründe, der an der deutschen Atombombenforschung beteiligten Physiker, sowie die Beziehungen der Männer untereinander. Auf diese Weise werden die wissenschaftlichen Fakten um die menschliche Dimension erweitert. ...
„Ich brauche kein Brot, ich brauche Istanbul.“
06.02.2013 | Metin Eloglu ist in Deutschland nahezu unbekannt. Aber welchen türkischen Dichter kennt man hier schon? Hikmet, Veli, Daglarca, und auch die nur in Insiderkreisen. Rifat, Necatigil, Külebi? Sind Großteils nicht mal übersetzt. Ein Jammer. Das deutsche Lyrikpublikum ahnt gar nicht, was es sich entgehen lässt. ...
Die Poesie der Schraffur
05.02. 2013 | Eines der hellsten und freundlichsten Bilder dieser Graphic Novel zeigt ein großes, gelbes Kornfeld, das von Laubbäumen gesäumt ist. Dahinter spannt sich eine Autobahntraverse über das Land. Pappelsamen schweben durch die Sommerluft. Vom Erzähler erfährt man: „Hier war Ben Fimming gestorben. ....
Teuflische Lehren
04.02.2013 | Wer so, wie es sich die nicht selten selbsternannten Pädagogik-Experten träumen, gnadenlos alles integriert, bis die Gesamtschule eine gesellschaftspolitische Apokatastasis (eine Allauferstehung, der kein Teufelchen entginge) ist, der kann zugleich nicht differenzieren. Jeder, der sich ihnen nähert, ...
Zwischenstand
02.02.2013 | Ezra Pound ist gleichzeitig einer der wichtigsten und umstrittensten amerikanischen Dichter englischer Zunge. Die Cantos sind unumstritten sein Hauptwerk, es verbindet sich Superlativ mit Superlativ. Fünfzig Jahre arbeitete er an diesem Textkonvolut, ohne es abschließen zu können. ...
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