Von Akkord bis Zusammenhang – Streifzug durchs Hirn eines Vollblutmusikers
22.08.2012 | Über Alfred Brendel als Pianist mit Weltkarriere braucht hier nichts gesagt zu werden. Jetzt hat der alte Großmeister (ein Wort, dessen Gebrauch er im Vorwort ausdrücklich rechtfertigt) eine kleine Textsammlung mit dem Titel A bis Z eines Pianisten vorgelegt, die mit ihrer Gliederung den Anschein eines Kompendiums erweckt, aber doch eher eine Plauderei aus dem Nähkästchen ist. Nun, dieses Nähkästchen hat es in sich, dahinter stecken langjährige Erfahrung ...
Keine 21 Gramm Zweifel
21.08.2012 | "’Zählen Sie abwärts’, forderte sie mich auf und drückte mir die Narkosenmaske auf das Gesicht.“ Mir dieser Anästhesie beginnt die albtraumhafte Geschichte des vierundzwanzigjährigen Ich- Erzählers Sebastian, der wegen eines mysteriösen Herpes-Virus’ angeblich nur noch ein halbes Jahr zu leben hat. In einem wortgewaltigen Parforceritt führt Albert Ostermaier den Leser durch ein Labyrinth undurchschaubarer Ereignisse voller Ängste und Verrat, immer verbunden mit der quälenden Selbstfindung des jungen Mannes zum Schriftsteller. ...
Superheld in Badehose: Flash Preußen
20.08.2012 | Batman! Superman! Spiderman! Flash Gordon! Radioactive Man! Vergesst sie alle! Jetzt kommt Flash Preußen. Wenn es je einen Antisuperhelden gegeben hat, dann diesen. Flash Preußen trägt über seinem einfarbigen Superheldenoverall eine gestreifte Badehose, vermutlich aus DDR-Beständen. Und vermutlich hat er immer verschwitze Hände, denn seine schwarzen Latexhandschuhe hat er seit einem düsteren Ereignis ...
Das große Aufbegehren
19.08.2012 | Mit L’avalée des avalés trat der frankokanadische Autor Réjean Ducharme 1966 ins literarische Scheinwerferlicht, nur um sogleich seine Rolle als öffentliche Person mit den Worten »Mein Roman ist öffentlich, ich aber bin es nicht.« wieder abzustreifen. Es sollte keine Verbindung zwischen ihm und seinen Texten hergestellt werden, und bis heute finden sich neben einer überschaubaren Anzahl von Romanen, Theaterstücken und Liedtexten ...
Schüsse am Wannsee
18.08.2012 | Kleistfabrik heißt das Buch, dessen Titel verspricht, Kleist mit der Gegenwart abzugleichen oder eine Produktionsstätte zu beschreiben, in der lauter kleine Kleiste vom Band rollen. Beides wäre wünschenswert, aber leider erwartet den Leser etwas ganz anderes. Goethe hat der Legende nach mit Penthesilea nichts anzufangen gewusst. Vielleicht war er beunruhigt, dass Liebe sich darin auch antikisch in einen schnöden ...
Hermann Hesse goes Social Web
17.08.2012 | 2012 ist Hesse-Jubiläumsjahr, am 9. August jährte sich sein Tod zum 50. Mal. Hesse ist überall, in Buchhandlungen stolpert man schon am Eingang über ihn, sein Konterfei prangt von Titelseiten, der Suhrkamp Verlag hat kürzlich sogar eine Hesse-iPhone-App („Mit Hermann Hesse durch das Jahr“, 3,99 € bei iTunes) veröffentlicht. Sowas nennt man wohl Hype. Zum Glück hat noch niemand mit „Wir sind Hesse!“ getitelt. So pietätlos scheint die Jubelpresse ...
Dem Leben entfremdet
17.08.2012 | Am Ende von Edouard Levés Roman, der eigentlich ein Essay ist, stehen Gedichte, die genauer gesagt Terzette sind. Wenn Sie jetzt immer noch Lust haben diese Rezension zu Ende zu lesen, gehören Sie eventuell zur Zielgruppe des Buches; falls es die überhaupt gibt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit aber sind Sie dann ein Leser, der das Einfache unter einer zunächst kompliziert wirkenden Oberfläche zu schätzen weiß, weil es sich dabei ...
Kinderverlust
16.08.2012 | Hakan Nesser steigt auf die allgemeine Verlustangst ein: Kinder sind das Wertvollste und kommen dauernd abhanden. Das macht „Die Perspektive des Gärtners“ weder zum Krimi noch zum guten Roman. In der Generation der um 1900 Geborenen waren zehn Kinder keine Seltenheit, vor allem auf dem Land, wo Kinder zwar Last sind, aber auch eben helfende Hände sein können. Das hat sich binnen hundert Jahren in den Industrieländern radikal geändert. Familien mit mehr als zwei Kindern werden ...
Ihr Leben ist ein afrikanisches Gedicht
16.08.2012 | Denis Scheck wird im Buch Zuhause treibt in der Ferne der ugandischen Autorin Susan N. Kiguli (geb. 1969) vom Verlag zitiert mit den Worten: „Es gibt eine wunderbare neue Buchreihe, die heißt AfrikaWunderhorn.“ Herausgeberin der Reihe ist Indra Wussow, u.a. Kuratorin für verschiedene internationale Einrichtungen(z.B. auf Sylt Stiftung kunst:raum sylt quelle mit Dependance in Johannesburg, das Jozi art:lab). ...
Zwei finale Bände der Werkausgabe von Janko Messner
15.08.2012 | Die siebenbändige Ausgabe seiner „Ausgewählten Werke“ hat der slowenische Kärntner Schriftsteller Janko Messner gerade noch erlebt. Eineinhalb Monate vor seinem 90. Geburtstag ist er verstorben. Im Band 6 findet sich „Kritisches und Polemisches“, kleine Fundstücke sowie autobiographische Prosa, darunter einige bemerkenswerte kurze Erzählungen, insbesondere im Zyklus „Mein Korotan moj“, die leidenschaftlich auf die Situation in Kärnten Bezug nehmen. ...
Spielarten der Liebe.
15.08.2012 | Nicht alle Erzählungen spielen in Italien - einige in Finnland, Norwegen, Hamburg und Straßburg. Aber alle erzählen von der Liebe, fast alle von weiblicher Liebe, von heutiger und längst vergangener. Einige erzählen von der Liebe in Ausführlichkeit und lebhaft, mit all den Farben, Stimmen und Bewegungen, aus denen sich Erinnerungen zusammensetzen. Andere sind kurze Texte, beschreiben nur Augenblicke, aber ...
Keine Trennung von Kunst und Leben. Annette Leo widerspricht in ihrer Strittmatter-Biografie der Selbstdarstellung des Autors
14.08.2012 | Als Erwin Strittmatter am 24. April 1959 im VEB Chemiekombinat Bitterfeld als Erster Sekretär des Schriftstellerverbandes die Versammlung namhafter DDR-Autoren leitete, ahnte er nicht, dass das Motto des berühmten Bitterfelder Weges sich Jahre später auf ihn selbst beziehen ließe. Zur Weiterentwicklung der sozialistischen Literatur sollte die Trennung zwischen Kunst und Leben aufgehoben werden, eine Forderung, die Strittmatter für sich umkehrte, indem ...
Anderland. Zu den Gedichten Von Wolfgang Berends.
13.08.2012 | „Er nennt sie mit fremden Namen. Ich genieße die Unterschiede“ Dieser Vers entstammt dem Gedicht „Handlung“ von Wolfgang Berends. Der Titel des Textes weist in eine angelsächsisch/amerikanische Richtung, über das Meer hinaus gewissermaßen, und er geht in eine Gedankenwelt, in der die vorgestellte Handlung wichtiger ist als die Vorstellung selbst: Erkenntnis als Tätigkeit und nicht als Versenkung. ...
Spannendes, Gespanntes: Görner zu Stefan Zweig
12.08.2012 | Es geschieht – und nicht selten –, daß man als Rezensent über ein Gebiet, das einem nicht ganz so vertraut ist, fachsimpelt, weil man eine Studie zu diesem rezensiert und also per se zumindest die Kompetenz dessen, den samt seiner Kompetenz man implizit beurteilt, aufzubringen hat, nein: hätte. Man müßte fachlich ansatzweise eigentlich auf Augenhöhe sein, dürfte nicht allein die Texte dessen, der im Fokus einer Monographie steht, ...
„Ein Refugium der Nutzlosigkeit“ — Jakob Augstein schwadroniert im Garten
12.08.2012 | Der Garten ist wohl eine der ältesten Metaphern der Menschheit. Eden — das „Üppigland“, in dem der Mensch zur Erkenntnis gelangte —, ein vergangener Sehnsuchtsort und ein zukünftiges Versprechen. Diesen Garten zu hüten, das heißt: zu bewahren und pflegen, war Aufgabe des Menschen, als es noch eine göttliche Ordnung gab, und im Umgang mit dem Garten spiegeln sich politische Ideologien und Gesellschaftssysteme wieder: ...
Das Leben ist schön
11.08.2012 | Marjana Gaponenko schreibt einen Roman, der den Mut hat, einfach davon zu erzählen, wie schön das Leben sein kann. Bis zuletzt. Warum schreibt eine junge Frau über einen kranken alten Mann. Das dürfte die Frage sein, die Frau Gaponenko im Zusammenhang mit ihrem neuen Roman „Wer ist Martha?“ am häufigsten zu hören bekommt. Dabei ist die Antwort ganz einfach: Marjana Gaponenko schreibt über alte, sterbende Männer, oder über eine Dorfschullehrerin, ...
ZWEI STIMMEN ZUM STIMMENGEWIRR UM GEORG HEYM: Reste strenger, nie wuchernder Sprache von Kristoffer Cornils
10.08.2012 | Die Literatur des Expressionismus war vor allem durch Diskrepanzen geprägt. Die Bandbreite zwischen der grotesken Dichtung eines Alfred Lichtensteins bis zu den verklärt-opaken Versen eines Georg Trakl lassen sich nicht kurzerhand auf einen gemeinsamen Nenner zusammen streichen. Ein Blick in die von Kurt Pinthus‘ 1919 veröffentlichte Anthologie „Menschheitsdämmerung“ bestätigt das nur. Auch die Dichterinnen und Dichter, die ...
ZWEI STIMMEN ZUM STIMMENGEWIRR UM GEORG HEYM: Noch nicht ganz vergessen von Mario Osterland
10.08.2012 | Natürlich wird es das immer geben, dass einige Dichter mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Und immer wird es diejenigen geben, die diesen Zustand beklagen und ihr „völlig zu Unrecht!“ in die Welt rufen. Und meistens werden sie damit auch Recht haben. Im Falle Georg Heyms ist es jedoch längst noch nicht soweit. Dafür sorgt unter anderem der erste von Florian Voß herausgegebene Band der Lyrikedition 2000 mit dem Titel ...
„Werde, der du bist“ oder Hermann Hesse Superstar. Eine Biografie von Gunnar Decker
ZUM 50.TODESTAG VON HERMANN HESSE AM 09.08.2012
09.08.2012 | „Der kennt mich doch gar nicht, wieso kann der über mich schreiben“, sagte Udo Lindenberg kürzlich in einer ARD-Sendung, in der von Franz Beckenbauer bis zu Peter Härtling noch weitere bekennende Hesse-Verehrer zu Wort kamen. Wer aber war Hermann Hesse, dessen Todestag sich in diesem Jahr zum fünfzigsten Mal jährt und der in seinem Leben wahrhaftig nicht nur Bewunderer hatte, sondern sich auch immer heftiger Kritik ausgesetzt sah. ...
Ohne Note – „Jeder Augenblick ist ewig – Die Gedichte“ von Konstantin Wecker
08.08.2012 | In den großen - oder den übriggebliebenen - Buchhandlungen in den deutschen Fußgängerzonen schreitet die Schrumpfung der Gedichteecken munter voran, traurige Lyrikkatzentische findet man da, manchmal auch nur größere Schubladen, wo dann letztlich nur mehr so Titel sanft ruhen wie „Die lustigsten Zungenbrecher der Welt“, „Die schönsten Weihnachtsgedichte“, „Shakespeare in 90 Minuten“ oder ...
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