Glanz & Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik |
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Ein amerikanischer Autor erzählt
in einem Buch von seinen illegalen Reisen auf Eisenbahn-Güterwagen mit einem
imaginären Ziel »Überall« und nennt dieses Buch »Riding Towards Everywhere«.
Man sollte bei der Lektüre
den deutschen Titel einfach vergessen und sich vollends den Assoziationen und
reportagehaften Beschreibungen zuwenden. Das lohnt sich nämlich. Vollmanns Ich-Erzähler dürfte der »reale« Vollmann sein – alleine: es spielt keine Rolle. Um sich vor eventuellen Klagen zu schützen schreibt er augenzwinkernd in einem kleinen Vorwort, dass die Geschichten im Buch alle dem Hörensagen entspringen und die Fotos seien in Wirklichkeit stahlgraue Kreidezeichnungen. Er sei niemals bei der Fahrt auf einem Güterzug erwischt worden und habe sich demzufolge niemals des unbefugten Betretens von Bahneigentum schuldig gemacht.
Gewidmet ist dieses Buch
seinem Freund Steve Jones, ein Prinz des Stahlrosses, der ihn auf vielen
Touren begleitet hat; er ist der Held dieses Buches. Jones ist wesentlich
erfahrener als Vollmann und, obwohl älter, sportlich viel besser für diese nicht
ganz ungefährliche Art des Reisens konditioniert (der Ich-Erzähler gibt an, er
habe sich beim Abspringen von einem fahrenden Zug bereits einmal die Hüfte
gebrochen), während Vollmann die sozialen Kontakte besser zu knüpfen versteht,
denn beide tauchen mit (fast) allen Konsequenzen in diese Welt ab und
Übernachten beispielsweise im Freien.
Sie haben sich freiwillig
einem Ehrenkodex verpflichtet, der es ihnen verbietet, Eigentum der Eisenbahn zu
beschädigen oder zu beschmutzen. So urinieren sie beispielsweise (im Gegensatz
zu anderen Trainhoppern) in Flaschen und nehmen ihre Abfälle immer mit. Vollmann
und Jones beklagen durchaus eine
»Verrohung«
der Sitten (man erzählt von gewalttätigen und gefährlichen Trainhoppern, die
gefürchtet sind; aber in diesem mythenreichen Milieu weiss man nicht so genau,
ob es sie tatsächlich gibt oder ob es nur Phantome sind).
Wunderbare Bilder In der Dämmerung hielt der Zug neben einer schäbigen weißen Mauer, deren Graffiti übertüncht und zu unregelmäßigen Schlieren einer neuen Schmutzigkeit geronnen waren, und jenseits der Mauer und des Unkrauts stand eine schöne junge Latina, ihre Tochter an der Hand, und blickte den Zug an. Ich winkte ihnen zu, und sie lächelten und winkten zurück. Meine Einsamkeit löste sich auf, und selbst jetzt erfüllt mich die Erinnerung an diesen Moment mit Freude. Nach einer Weile kamen ihre Männer dazu. Auch sie standen da und winkten. Kein Wort rief ich ihnen zu, aber ich werde mich immer an sie erinnern. Oder eine Assoziation mit einem von Vollmanns literarischen Helden, Henry David Thoreau: Die Dämmerung war ein blendend türkisfarbener Spalt (die Tür, im spitzen Winkel von der Wand aus gesehen). Thoreau rät uns "wieder wach zu werden und uns wach zu halten…durch das unaufhörliche Erwarten des Sonnenaufgangs, welches uns nicht verlassen darf im tiefsten Schlaf." Und wirklich, dieser Sonnenaufgang trug meine Unendlichkeit in sich als fast alle, die ich seit meiner Kindheit und bei verschiedenen einsamen Aufenthalten auf arktischen Inseln erlebt hatte. Es war das Blau, in dem sich die Erde einem Astronauten zeigen mag: von innen heraus leuchtend, vielversprechend, schön, aber nicht warm; und vor allem weit weg. Schattenspiele, die Antilopen zeigen; Dunkelheit, die berührt wird, Felder vergilbt wie Kontoauszüge; ein Baum, der in voller Sternenblüte stand; der violette Salbei, dessen zerkrümelte Blüte einen Duft entfacht, der beinahe betrunken macht; das Wasser in der Flasche warm wie Blut - betörende Bilder, die Vollmann gelingen. Nur selten stürzt er ab ins leicht pseudooriginelle (etwa wenn etwas kristallklar wie der Urin eines Vegetariermädchens ist [die jungen Frauen, die ihn früher begleiteten, hatten durch einen Trichter in die entsprechende Flasche gepinkelt]).
Diese Erzählungen werden
von längeren reportagehaften Passagen unterbrochen. Portraitiert und manchmal
fotografiert werden andere Trainhopper oder auch eine Barfrau oder eine
schmollmundig-somnambule Kellnerin, die die beiden freundlich bedient hat. Für
ein paar Dollar kauft er Ira, Cinders, Dolores, Badger und einigen anderen eine
Geschichte oder zwei ab (Geschichten, die dann leider erzählerisch nicht immer
überzeugen).
Leben, um dem Leben zu
entkommen Die schönsten Momente des Buches: Wenn der Erzähler für kurze Zeit hier sagen kann, wenn für einen Moment so etwas wie Glück spürbar ist. Und meistens passiert ihm dies beim Alleinsein (auch mit Freunden geht das: wunderbar allein); etwa als er so einsam war, daß er sogar nicht einmal mehr wegwollte. Oder wenn er sich als der erste Beobachter fühlt, der jemals dieses unbekannte Land namens Wyoming bereist hat. Dann können wir uns den Ich-Erzähler William T. Vollmann als glücklichen Menschen vorstellen, so glücklich wie ein Kind, das seine Weihnachtsgeschenke auspackt. Und sein Leser versteht auf einmal warum. Gregor Keuschnig
Die kursiv gedruckten
Passagen sind Zitate aus dem besprochenen Buch. |
William T. Vollmann
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