Vor ein paar Jahren sah man im Fernsehen
einige Amerikaner, wie sie mit schweren Hämmern einen japanischen Wagen
demolierten. Der Autohändler, der Wagen und Hämmer bereitstellte, wollte mit
dieser Aktion auf die seiner Meinung nach verheerenden Auswirkungen der
Globalisierung auf die heimische Wirtschaft hinweisen: Wenn wir ausländische
Autos kaufen, befand er, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn unsere
Monteure ohne Job und Geld dastehen.
Nur wenige Ökonomen sehen die
Globalisierung unter derart negativen Vorzeichen. Ganz im Gegenteil halten
sie sie für einen Weg, den Wohlstand weiter zu erhöhen. Internationale
Handelsbeziehungen machen es nämlich möglich, dass sich jedes Land auf die
Produktion und den Export von Gütern konzentrieren kann, bei denen es
besonders effektiv ist; Arbeiten, bei denen das nicht der Fall ist, können
an Länder abgegeben werden, die dafür bessere Voraussetzungen mitbringen. In
Summe ergibt die internationale Arbeitsteilung einen kostengünstigeren
Warenkorb und setzt Ressourcen für andere Bedürfnisse frei. (Man kennt das
aus dem Kleinen: Wenn jeder Mensch das tut, wofür er ein Talent mitbringt,
dann steigt die Leistung.)
Die
Geschichte des Wohlstands gibt den Ökonomen und Globalisierungsbefürwortern
offensichtlich Recht: Weil immer weniger Landwirte die benötigten
Lebensmittel immer billiger erzeugen konnten, blieben immer mehr Geld für
den Kauf von Kohle und Stahl und immer mehr Arbeitskräfte, um diese zu
produzieren; weil immer weniger Arbeiter Kohle und Stahl immer billiger
lieferten, blieben immer mehr Geld für den Kauf von Radios und Autos und
immer mehr Arbeitskräfte zu deren Herstellung. Und so fort.
Nun ist dieser Prozess natürlich nicht reibungslos verlaufen. Als
etwa im 19. Jahrhundert die maschinisierten (vor allem englischen)
Textilfabriken mit konkurrenzlos günstigen Produkten auf die Märkte
drängten, waren die Tage der vorindustriellen Handweberei und -spinnerei
gezählt; doch obwohl die übermächtige Konkurrenz ihnen den großen Markt
genommen und nur ein paar Nischen übriggelassen hatte, beharrten die "alten"
Textilproduzenten auf ihren angestammten Berufen. Die schlesischen Weber
entschlossen sich 1844 gar zum Aufstand. Erfolglos, wie man weiß. Am Ende
waren die meisten Spinner und Weber durch Maschinen ersetzt.
Aber, geben die Ökonomen zu
bedenken, solche "Umstrukturierungen", so viel Elend sie für einige
Augenblicke auch schufen, waren aufs Gesamte gesehen notwendig; sie haben
die Konsumgesellschaft erst möglich gemacht. Tatsächlich sind wir heute
materiell besser gestellt als jemals zuvor. Wir können uns Dinge leisten,
von denen Menschen früher nur geträumt haben. Und wir können sie uns
leisten, weil die nicht konkurrenzfähigen Branchen und Produktionsweisen
durch produktivere Mitbewerber "geschädigt" und schließlich "verdrängt"
worden sind.
Die Globalisierung folgt den
Mustern, die den gegenwärtigen Wohlstand hervorgebracht haben; sie ist die
nächste Stufe, die logische Fortsetzung eines erfolgreichen Konzepts: Das
ist die Wahrheit der Globalisierungsbefürworter –
und sie ist nicht falsch. Trotzdem stellt sich die Frage, ob es richtig ist,
diesen Weg weiterzugehen: Wieviel Sinn machen beispielsweise
Produktivitätssteigerungen, (ganz gleich ob nun durch die Globalisierung
oder durch neue Technologien), wenn sich die dadurch "freigesetzten"
Arbeitskräfte entgegen der Theorie nicht daran machen, weitere Bedürfnisse
der Gesellschaft zu befriedigen, sondern zu auf staatliche Unterstützung
angewiesenen "Arbeitslosen" werden? –
Wenn sie Glück haben. Und grenzt der "Effizienzwahn" (George Ritzer) nicht
oftmals schon ans Morbide? Wäre die Ideologie, die sich Arbeitskraft nur
mehr leisten will, die im wahrsten Wortsinn "spottbillig" ist, nicht längst
durch ein "Tut uns Leid, zu diesen Bedingungen wollen wir nicht
produzieren!" zu ersetzen?
Überhaupt
kommt billig oft recht teuer: Denn was heißt "produktiv" und was heißt
"konkurrenzfähig", wenn der Preis die Umwelt- und Sozialkosten nicht
widerspiegelt und die "effizientesten" Produktionsweisen nicht selten die am
wenigsten nachhaltigen sind? Kann es ferner ein Ziel sein, dass sich
Regionen (sofern sie nicht von vornherein an ihrer "Strukturschwäche"
scheitern) im Wettbewerbssstrudel immer mehr spezialisieren und schließlich
fade und verletzbare Monostrukturen entwickeln? Und wo ist der Fortschritt,
wenn man in einen Supermarkt geht und feststellen muss, dass dort NICHTS
mehr verkauft wird, was in der Nähe produziert worden ist? Oder wenn die
französischen Filme aus den Kinoprogrammen verschwinden?
Es sind viele Fragen zu stellen,
was die Globalisierung betrifft. Sie IST widersprüchlich und fragwürdig. Die
unten angeführte Artikelsammlung des AURORA-Magazins versucht das deutlich
zu machen.
Hermann Maier
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Textbeiträgen!
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