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Globalisierung ohne Ende?

Standpunkte zum Kleinerwerden der Welt

Frühling 2003

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(c) Reinhard Winkler

 

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   Vor ein paar Jahren sah man im Fernsehen einige Amerikaner, wie sie mit schweren Hämmern einen japanischen Wagen demolierten. Der Autohändler, der Wagen und Hämmer bereitstellte, wollte mit dieser Aktion auf die seiner Meinung nach verheerenden Auswirkungen der Globalisierung auf die heimische Wirtschaft hinweisen: Wenn wir ausländische Autos kaufen, befand er, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn unsere Monteure ohne Job und Geld dastehen.

Nur wenige Ökonomen sehen die Globalisierung unter derart negativen Vorzeichen. Ganz im Gegenteil halten sie sie für einen Weg, den Wohlstand weiter zu erhöhen. Internationale Handelsbeziehungen machen es nämlich möglich, dass sich jedes Land auf die Produktion und den Export von Gütern konzentrieren kann, bei denen es besonders effektiv ist; Arbeiten, bei denen das nicht der Fall ist, können an Länder abgegeben werden, die dafür bessere Voraussetzungen mitbringen. In Summe ergibt die internationale Arbeitsteilung einen kostengünstigeren Warenkorb und setzt Ressourcen für andere Bedürfnisse frei. (Man kennt das aus dem Kleinen: Wenn jeder Mensch das tut, wofür er ein Talent mitbringt, dann steigt die Leistung.)

   Die Geschichte des Wohlstands gibt den Ökonomen und Globalisierungsbefürwortern offensichtlich Recht: Weil immer weniger Landwirte die benötigten Lebensmittel immer billiger erzeugen konnten, blieben immer mehr Geld für den Kauf von Kohle und Stahl und immer mehr Arbeitskräfte, um diese zu produzieren; weil immer weniger Arbeiter Kohle und Stahl immer billiger lieferten, blieben immer mehr Geld für den Kauf von Radios und Autos und immer mehr Arbeitskräfte zu deren Herstellung. Und so fort. Nun ist dieser Prozess natürlich nicht reibungslos verlaufen. Als etwa im 19. Jahrhundert die maschinisierten (vor allem englischen) Textilfabriken mit konkurrenzlos günstigen Produkten auf die Märkte drängten, waren die Tage der vorindustriellen Handweberei und -spinnerei gezählt; doch obwohl die übermächtige Konkurrenz ihnen den großen Markt genommen und nur ein paar Nischen übriggelassen hatte, beharrten die "alten" Textilproduzenten auf ihren angestammten Berufen. Die schlesischen Weber entschlossen sich 1844 gar zum Aufstand. Erfolglos, wie man weiß. Am Ende waren die meisten Spinner und Weber durch Maschinen ersetzt.

Aber, geben die Ökonomen zu bedenken, solche "Umstrukturierungen", so viel Elend sie für einige Augenblicke auch schufen, waren aufs Gesamte gesehen notwendig; sie haben die Konsumgesellschaft erst möglich gemacht. Tatsächlich sind wir heute materiell besser gestellt als jemals zuvor. Wir können uns Dinge leisten, von denen Menschen früher nur geträumt haben. Und wir können sie uns leisten, weil die nicht konkurrenzfähigen Branchen und Produktionsweisen durch produktivere Mitbewerber "geschädigt" und schließlich "verdrängt" worden sind.

Die Globalisierung folgt den Mustern, die den gegenwärtigen Wohlstand hervorgebracht haben; sie ist die nächste Stufe, die logische Fortsetzung eines erfolgreichen Konzepts: Das ist die Wahrheit der Globalisierungsbefürworter und sie ist nicht falsch. Trotzdem stellt sich die Frage, ob es richtig ist, diesen Weg weiterzugehen: Wieviel Sinn machen beispielsweise Produktivitätssteigerungen, (ganz gleich ob nun durch die Globalisierung oder durch neue Technologien), wenn sich die dadurch "freigesetzten" Arbeitskräfte entgegen der Theorie nicht daran machen, weitere Bedürfnisse der Gesellschaft zu befriedigen, sondern zu auf staatliche Unterstützung angewiesenen "Arbeitslosen" werden? Wenn sie Glück haben. Und grenzt der "Effizienzwahn" (George Ritzer) nicht oftmals schon ans Morbide? Wäre die Ideologie, die sich Arbeitskraft nur mehr leisten will, die im wahrsten Wortsinn "spottbillig" ist, nicht längst durch ein "Tut uns Leid, zu diesen Bedingungen wollen wir nicht produzieren!" zu ersetzen?

   Überhaupt kommt billig oft recht teuer: Denn was heißt "produktiv" und was heißt "konkurrenzfähig", wenn der Preis die Umwelt- und Sozialkosten nicht widerspiegelt und die "effizientesten" Produktionsweisen nicht selten die am wenigsten nachhaltigen sind? Kann es ferner ein Ziel sein, dass sich Regionen (sofern sie nicht von vornherein an ihrer "Strukturschwäche" scheitern) im Wettbewerbssstrudel immer mehr spezialisieren und schließlich fade und verletzbare Monostrukturen entwickeln? Und wo ist der Fortschritt, wenn man in einen Supermarkt geht und feststellen muss, dass dort NICHTS mehr verkauft wird, was in der Nähe produziert worden ist? Oder wenn die französischen Filme aus den Kinoprogrammen verschwinden?

Es sind viele Fragen zu stellen, was die Globalisierung betrifft. Sie IST widersprüchlich und fragwürdig. Die unten angeführte Artikelsammlung des AURORA-Magazins versucht das deutlich zu machen.

Hermann Maier


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