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Düstere Seiten der Globalisierung

Nicht nur in Zeiten der Wirtschaftsflaute sind kleine bäuerliche und handwerkliche
Lebensmittelerzeuger den Agrarindustriellen ein Dorn im Auge. Alles, was die Banalität
industrieller Nahrung unterstreicht, wollen sie vom Markt verdrängen. Gesundheits- und
Konsumentenschutzpolitik sagt man in Brüssel dazu, wenn Politiker Hand in Hand mit
allmächtigen Konzernen - hochwertige, schmackhafte Lebensmittel per Gesetz
ausrangieren wollen. Mit dem Vorwand, sich um die Gesundheit ihrer Bürger
zu kümmern, wird die Masse manipuliert.

Von Manfred Flieser
(01. 07. 2005)

...



(c) privat

Manfred Flieser m.flieser@utanet.at

ist freier Journalist, Gastrono-
miekritiker und Autor von Wein-
und Reiseführern für "bewusste
Genießer". Er ist Gründer des
Slow Food Convivium Styria
und wurde im November 2003
vom internationalen Slow Food
Kongress in Neapel zum
Österreich-Beirat gewählt.

Homepage
www.slowfoodaustria.at

 

 

 

 

 

Antibiotika in
Lebensmitteln?

 

 

 

 

 

 

 

 

Die besten Käse der
Welt werden aus
Rohmilch hergestellt

 

 

 

 

 

 

 

 

Genießer steigen auf
die Barrikaden

 

 

    Neben unzähligen regionalen Spezialitäten, droht auch dem Rohmilchkäse – die authentische Ausdrucksform kulinarischer Traditionen, Käserkunst, bäuerlicher Kulturlandschaften und Lebensstil – der Garaus. Gesundheitsbehörden, nicht unabhängige Ernährungsexperten und Milchrecycler führen einseitige Diskussionen um Keime in Rohmilchprodukten, bescheinigen ihre Gefährlichkeit und fordern ihr weltweites Verbot. Obwohl Untersuchungen immer wieder belegen, dass Produkte aus pasteurisierter Milch fast doppelt so oft von Listerien (Listerien sind stäbchenförmige Bakterien, von denen nur die Art Listeria monocytogenes als Krankheitserreger von Mensch und Tier eine Bedeutung hat. L. monocytogenes ist sehr widerstandsfähig und übersteht Tiefgefrieren und Trocknen relativ gut.) befallen sind als Rohmilchprodukte, konnten sich die Geschmacksvernichter bereits in Irland, Polen, Neuseeland und in vielen US-Staaten durchsetzen.

Eine gezielte Verdrängungstaktik der Pasteurisierer und Homogenisierer, die nicht nur die Gemüter kleiner Hersteller großer Käse erhitzt. Auch bewusste Genießer steigen auf Barrikaden! Allen voran die Mitglieder der weltweiten Slow Food-Bewegung, die dieses heuchlerische Theater als Willkürakt zugunsten Massenware bezeichnen.

    Slow Food fordert einen nachhaltigen Umgang mit der Natur, die artgerechte Haltung und Fütterung von Tieren, den Erhalt traditioneller, handwerklicher Käsermethoden und kämpft für das Recht auf Genuss!

Jedermann weiß, dass übertriebene Hyper-Hygieneauflagen das Gegenteil dessen bewirken, wofür sie eigentlich erlassen werden. Je mehr wir unser Immunsystem vor Bakterien schützen, um so anfälliger wird es. Eine Tatsache, die sich die bakterien- und geschmackstötende Milchindustrie längst zunutze macht. In den Neunzigerjahren begann sie gesundheitsfördernde Bazillen – meist Darmbakterien menschlichen Ursprungs – in den Joghurt unterzurühren. Dank cleverer Marketingstrategien bescheren probiotische Milchprodukte und anderes Functional Food den Konzernen Milliardengewinne. Udo Pollmer, Leiter des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften, brachte es auf den Punkt: "Keiner anderen Industrie ist es je gelungen, mit Sch…. so viel Geld zu machen."

   Um problemlos Masse erzeugen zu können, die Produktion zu beschleunigen und die Kosten zu senken, kommen bei der industriellen Käseerzeugung jede Menge chemische Zusatzstoffe zum Einsatz. Etwa das Konservierungsmittel Natamycin (E235) zur Unterbindung der Schimmelbildung. Ein wirksames Antibiotikum gegen Geschlechtskrankheiten, Mundfäule und Fußpilz, das in der Apotheke nur gegen ärztliche Verschreibung erhältlich ist. Für den Verbraucher besteht die Gefahr einer Resistenzbildung. Antibiotika, die noch dazu allergisierend wirken, haben in Lebensmitteln wirklich nichts verloren. Eine Tatsache, die zum Nachdenken und zum bewussten Konsum anregen sollte! Werfen Sie doch einmal einen Blick auf das Kleingedruckte – neben Euro und Cent!


  Dass die besten Käse der Welt – Parmigiano Reggiano, Emmentaler, Bregenzerwälder, Tiroler und Salzburger Alm- & Bergkäse, Roquefort etc. – aus Rohmilch hergestellt werden, ist kein Zufall.

Stellen wir einmal die industrielle Käseproduktion der handwerklichen gegenüber: Wird bei einer Großmolkerei ein Milchgemisch von Abertausenden Kühen und Betrieben durch Homogenisieren und Sterilisieren verpantscht und danach, um Zeit und Kosten zu minimieren, mit allen nur möglichen technischen Tricks, chemischen Zusatzstoffen und Konservierungsmitteln zu Käse verarbeitet, so wahren dem gegenüber Senn und bäuerlicher Käser die Gesetze von Natur und Ethik. Sie achten schon darauf, was auf Feld und Wiese passiert und verarbeiten ihre eigene silofreie Rohmilch, die stets regionstypische und saisonale Geschmacksmerkmale aufweist, zu gesunden, einzigartig schmeckenden Käsen mit Charakter.

   Nur solange Bauer und Senn altüberliefertes, traditionelles Wissen – aus Rohmilch haltbare Nahrung zu formen – anwenden dürfen, bleiben uns die Käse- und Geschmacksvielfalt erhalten.

Es kann nicht sein, dass uns Brüsseler Bürokraten monströse HACCP-Gesetze unterjubeln, nach denen z.B. Käsereien regelmäßig mit Chlorlauge gereinigt werden müssen, was zur Folge hat, dass alle Bakterien und Schimmelkulturen, die den Geschmack des Käses prägen, getötet werden. Slow Food wehrt sich gegen diese Barbarei und prangert den zuständigen Behörden an, kleine Käsehandwerker zum Aufgeben zu zwingen und Konsumenten im Namen der Gesundheit globalen Einheitsgeschmack zu verordnen. Es ist unsere Pflicht, für die Erhaltung und Förderung des Lebensmittelhandwerks und der Esskultur auf die Barrikaden zu steigen. Slow Food appelliert an mündige Konsumenten und bewusste Genießer, sich für den Erhalt der Rohmilchkäse-Tradition einzusetzen – und an alle kleinen Käseerzeuger, sich zu vereinen, zusammenzuhalten!

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